| Hannover, 6. Juli 1869

Mein hochverehrter, lieber Freund!

Hätte ich nicht  Nicht überliefert.
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aus einliegendem Briefe
, der Ihnen zugleich ein Beweis sein möge, daß ich, soweit es in meinen schwachen Kräften steht, unausgesetzt für Sie thätig bin, erfahren, daß Sie sich wohl befinden, so würde mich Ihr hartnäckiges Schweigen ernstlich beunruhigt haben. –

In der melodramatischen Stimmung meines Schmerzenslagers in Berlin würde mich ein Brief von Ihnen sehr hoch erfreut haben, wie ich auch jetzt noch sehnlich nach Mittheilung von Ihnen ausschaue.

Meine Operation (richtiger – die Operation an mir) ist gut gelungen u. glücklich abgelaufen. – Die abscheulichen Hämorrhoiden bin ich los, aber noch nicht die Leberaffektion (wahrscheinlich Gallensteine) vermutlich anfangs Folge u. dann wieder Ursache der Hämorrhoiden. – Eigentlich müsste ich nun nach Karlsbad, indeß bin ich noch zu angegriffen dazu u. muß diese Procedur für nächstes Frühjahr reserviren. Um mich zunächst wieder zu kräftigen, beabsichtige ich im nächsten Monat nach Helgoland zu gehen. – Wann? hängt hauptsächlich von Ihnen ab und indem ich mir möglichst genaue Angabe Ihres lieben Besuches erbitte, erlaube ich mir Ihnen folgende Gesichtspunkte resp. Fragen vorzulegen, wobei es gewiss nicht der Bemerkung bedarf, daß ich keine Stunde Ihres so freudig erwarteten Besuches versäumen möchte. –

Der Sommer ist die Hauptzeit meiner Praxis speciell für den auswärtigen Theil u. den lucrativsten. – Im Mai war | 2 ich 5 Wochen krank u. dann 3 Wochen lang in Berlin. Seit meiner Rückkehr bin ich rasch wieder in volle Thätigkeit gekommen, täglich kommen auswärtige Patientinnen an u. je später ich im August nach Helgoland gehe, desto besser; besser für die Praxis u. besser, weil im Septbr. die Luft u. das Bad dort am kräftigsten sind. – Hätte ich diese Cur nicht so nöthig, so würde ich dieselbe ganz unterlassen, um Sie nicht dadurch zu geniren, so aber erlauben Sie mir wohl, ohne mißmuthig zu werden die Frage: ob Sie geneigt sind einige Wochen mit mir in Helgoland zuzubringen? Ist Ihre l. Jenny nicht geneigt Sie dorthin zu begleiten, so kann sie leicht, ohne Gêne die kurze Reise von Hamburg nach hier allein machen, wo sie von meiner Frau mit offenen Armen empfangen werden wird. Für Sie selbst würde Helgoland gewiss sehr nützlich sein. Von dort gingen wir dann zusammen nach hier. – Ich mache Ihnen diese Proposition, weil Sie Ende August als Zeitpunkt der Abreise bestimmt haben. – Event. könnten wir uns in Hamburg treffen u. zusammen nach Helgoland gehen, oder, falls Sie Ihre Abreise um kurze Zeit verzögern sollten, so kämen Sie nach. –

In Berlin bin ich auch nicht ganz unthätig für Sie gewesen, obgleich mein Kräftezustand mir nicht erlaubte mit voller Energie in Action zu treten. – Dr. Guido Weiss von der „Zukunft“ machte ich (warum? mündlich) einen Höflichkeitsbesuch u. fragte ihn en passant ob er geneigt sei,  Der am 11. August 1869 anonym in der demokratischen Tageszeitung „Die Zukunft“ erschienene Artikel „Karl Marx“ war die erste von Engels verfasste biographische Skizze über Marx (Siehe Friedrich Engels: Karl Marx. Eine biographische Skizze. (MEGA2 I/21. S. 77–82).
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eine Biographie
von Ihnen aufzunehmen. Weiss ging mit Begeisterung darauf ein u. ermahnte | 3 mich noch beim fortgehen, ja nicht daran zu vergessen. – (Daß ich Kertbeny in der Hauptsache, nämlich als käuflich, richtig beurteilt habe, ersehen Sie  Die Zukunft. Nr. 148, 29. Juni 1869. S. 2, Sp. 1: Hannover, 27. Juni. (Priv.-Mitth.): „Einige Angaben über den Hauptzeugen in dem neuen in Berlin in Scene gesetzten hannoverschen 'Hochverrathsprozeß' sind vielleicht nicht ohne Interesse ...
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aus No. 148 der beifolgenden Zukunft“
.) Meine Mittheilung an Weiss über Ihren Besuch etc, die ich morgens 11 Uhr ihm gesprächsweise machte, fand ich zu meiner freudigen Ueberraschung schon abends  Die Zukunft. Nr. 136, 15. Juni 1869. S. 1, Sp. 3: „Karl Marx wird im Laufe dieses Sommers einen Besuch in Deutschland machen. Zu gleicher Zeit ist die Veröffentlichung des zweiten Bandes seines großen nationalökonomischen Werkes zu erwarten.“
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in seinem Blatte“ (No. 136).

Der günstigste Zeitpunct für diese  Der am 11. August 1869 anonym in der demokratischen Tageszeitung „Die Zukunft“ erschienene Artikel „Karl Marx“ war die erste von Engels verfasste biographische Skizze über Marx (Siehe Friedrich Engels: Karl Marx. Eine biographische Skizze. (MEGA2 I/21. S. 77–82).
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Biographie
scheint mir kurz nach  Karl Marx: Der Achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Ausg. Hamburg 1869. Siehe MEGA2 I/11.
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Erscheinen Ihres „18 Brumaire
. Von Ihrer unpractischen Altjüngferlichkeit überzeugt, würde ich Sie bei Erörterung dieser Frage ganz aus dem Spiele lassen, wenn ich wüsste, wo Engels zu finden ist. Sein Sie nun so gütig denselben zu fragen ob er sein „Elaborat“ vielleicht in einzelnen Puncten umarbeiten will, da er in der „Zukunft“ ziemlich ungenirt herausgehen kann, speciell, wenn wir dadurch nicht in ein Wespennest stoßen u. uns dadurch neuen Krakehl auf den Hals laden, gegen Vogt. – Nach der Stellung, die die Zkft der Arbeiterfrage gegenüber einnimmt dürfen wir das Blatt dreist benutzen, ohne uns was zu vergeben. –

Robert Schweichel (jetzt Redacteur der Romanzeitung) wird nach Erscheinen des 18. Brumaire in geeignete Blätter Kritiken oder Besprechungen bringen u. ich habe Otto Meissner bereits von Berlin aus ersucht, ihm ohne Verzug ein Exemplar zu senden. –

Einige ergötzliche Miquèliana ebenfalls  Nicht überliefert.
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hierbei
. –

Haben Sie nun die Güte, lieber Freund, mir recht bald zu antworten, damit ich über Alles Fragliche disponiren kann, auch wüsste ich gern, ob, falls Sie nicht mit nach | Helgoland gingen, Sie Ihre Abreise von London nicht ein wenig verschieben können. Ich möchte zu gern in Hamburg mit Ihnen zusammen sein, weil ich Sie mit einigen meiner „bürgerlichen“ Bekannten bekannt machen möchte. Ich halte es nämlich für wichtig, daß man in diesen Kreisen (den bürgerlichen), die die Hauptkäufer Ihrer Bücher sein müssen, die richtige Vorstellung von Ihrer Persönlichkeit bekömmt. Gelingt es uns auch nicht diese Herren für unsere Parthei zu gewinnen, so erwerben wir uns doch dadurch Affiliirte, die aus Interesse für die Person unendlich nützlich sein können. –

Mit herzlichen Grüßen an liebe Frau u. Kinder stets

Ihr
treu ergebener
L. Kugelmann
Dr

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.

Absender

Briefkontext

Zeugenbeschreibung

Soweit aus der Fotokopie zu ersehen ist, besteht der Brief aus einem Bogen weißem, leicht vergilbtem Papier. Prägung: „Dr. L. Kglm“. Kugelmann hat die vierte, erste und zweite Seite vollständig, die dritte etwa zur Hälfte beschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Von unbekannter Hand: Nummerierung auf allen beschriebenen Seiten mit Bleistift: „63a–d“.

 

Zitiervorschlag

Louis Kugelmann an Karl Marx in London. Hannover, Dienstag, 6. Juli 1869. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0001087. Abgerufen am 16.04.2024.