| Hannover, 13. Octob. 1867.

Mein hochverehrter, lieber Freund!

  Kugelmann bezieht sich auf Sigismund Ludwig Borkheims Rede auf dem Friedenskongress in Genf (siehe Erl. zu S. L. Borkheim,  5.8.1867). Siehe Marx an Engels, 4.9.1867 und Erl.) und S. L. Borkheim an Engels, 17.9.1867 und Erl.
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Hätten Sie mir nach Genf nur einen Wink gegeben, so hätte Borkheim statt seiner Rede den Mund gehalten u. die ganze Fatalität wäre ungeschehen geblieben.
– Auf dem Dampfboot zwischen Montreux u. Genf machte mich  Johann Philipp Becker.
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Becker
oder Eccarius mit Borkh. bekannt. – Er eröffnete mir bald, daß er nur nach Genf gehe um dort eine Rede loszulassen, die er beständig „Petarde“ nannte u. die nach seiner Meinung losgelassen werden mußte. Er theilte mir ferner mit, daß diese „Petarde“ Ihnen vorgelegen habe u. gab mir   Siehe Marx an Engels, 4.9.1867 „Ihren Brief“ und Erl.
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Ihren Brief
zu lesen, worin Sie einzelne Abänderungen vorschlugen. – Ich nahm nicht an, daß diese Pauke von Ihnen inspirirt sei, daß sie aber vollkommen von Ihnen gebilligt würde, bezweifelte ich nicht u. wie ich glaube auch keiner unserer Parteigenossen. – Die Lappalien der bürgerlichen Coterien interessirten mich natürlich nicht im mindesten, es kam mir nur darauf an, daß das Proletariat sein Banner aufhiße u. daß einer der Unsrigen klar, kurz u. bündig ausspreche, daß der Cäsarismus Symptom des Untergangs der Bourgeoisie etc. – Borkh. sagte mir dies sei in seiner Rede enthalten, außerdem Denunciationen der russischen Intriguen in Bezug auf die übrigen europäischen Cabinette etc. – Ich nahm mir daher vor Borkh., wenn es irgend möglich sei zum Worte zu verhelfen, schlug in der Versammlung der Deutschen an demselben Abend diesen völlig unbekannten Namen vor, dessen Träger ich wegen seiner vielseitigen Sprachkenntniße | besonders geeignet zur Vertretung (als Vicepräsident) bezeichnete. Nicht ohne Schwierigkeit setzte ich B. durch, der beständig von seiner „Petarde“ rodomontirte, die den Congreß mit Staunen u. Entsetzen erfüllen werde, u. die loßgelassen werden müsse. – Hernach werde er verschwinden. – Am andern Morgen las mir B. einen Theil des Opus vor u. war etwas entrüstet, daß ich das Alles kaltblütig anhörte, nicht vor Entzücken außer mir sei u. brach schließlich ab, weil, wie er meinte ich das Französische wohl nicht gut genug verstände, sonst könnte ich das nicht so ohne alle Begeisterung anhören. – In der Fractionsversammlung der Deutschen an diesem Morgen trat B. unter der ausdrücklichen Zusage von Goegg zu Gunsten Carl Grüns zurück, daß man ihm das Wort verschaffen werde. Darauf reiste ich ab u. habe die Inscenirung selbst nicht mit erlebt. – Hätte er mir Ihren Brief nicht gezeigt, so würde sein renommistisch-eitles Wesen, seine Versicherungen wie er in London u. Genf beständig von Spionen umringt sei, mir ihn als am Wenigsten geeigneten Sprecher erscheinen lassen haben. – So glaubte ich an Ihre Sanction u. alle Unsrigen waren für die Loslassung der uns ja noch ganz unbekannten „Petarde“. –

Da ich nun malgré moi dies Unheil anrichten geholfen, so bin ich bereit, wenn’s noch angeht dafür zu sorgen, daß Borkh. es nicht malgré lui vergrößert. –

Haben Sie nichts dagegen, so will ich sogleich nach Empfang  Siehe Marx an L. Kugelmann, 15.10.1867.
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Ihrer Antwort
Folgendes an Borkh. selbst schreiben: Sie würden ihm bereits mitgetheilt haben mit welcher Spannung ich den Abdruck der Genfer Pauke erwarte. Gleichzeitig ersuche ich ihn aber dringend dieselbe nur unter der ausdrücklichen Bedingung zu versenden, daß nichts daraus | oder darüber in die öffentlichen Blätter käme. Grund folgender:  Siehe Marx an L. Kugelmann, 11.10.1867 „Nun wird es für meine Feinde ...“ und Erl.).
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In der „N. Zürcher Ztg“ habe man seine Rede bereits als von Marx verfaßt angedeutet.
– So schmeichelhaft das auch für ihn sein möge, so müsse er doch im Interesse der Partei u. dem von Marx, darauf verzichten. Träte neben dem eben erschienenen „Kapital“ ein relativ unbedeutenderes Opus in die Öffentlichkeit, welches demselben Verfasser zugeschrieben werde, so könne dies ein Grund werden jenes mit den fürchterlichsten jahrelangen Opfern geschaffene Werk von hämischen Feinden beiläufig zu erwähnen, um alle Bosheit gegen ein Libell zu richten etc. – Ferner: da Rußland besonders heftig angegriffen, so wäre es möglich, daß der Gegenangriff ein derartiger, daß Marx gezwungen würde die Autorschaft zu desavouiren. – Dabei noch diverser gemüthlicher Familienschnack u.s.w. –

Hierdurch denke ich entweder die Versendung zu verhindern oder den chevaleresk-eitlen Verfasser zu bewegen bei dem ersten Angriffe gegen Sie, für Sie offen u. fest in die Schanze zu treten, oder, u. das würde ich dann event. durch einen ferneren Brief provociren, Sie selbst aufzufordern die Autorschaft abzuweisen. Letzteres scheint mir nicht so schwierig, weil dies seiner Eitelkeit mehr schmeicheln würde, als sich nur als Strohmann betrachtet zu wissen. –

 Siehe Marx an L. Kugelmann, 11.10.1867 „Da Paul Stumpf ...“. Kugelmanns Brief an P. Stumpf vom 13.10.1867 ist nicht überliefert.
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An Stumpf werde ich noch heute schreiben.

Haben Sie die Güte mir zu sagen was Sie von Becker-Genf u. Liebknecht bezüglich  Karl Marx: Das Kapital. Bd. 1. Buch 1. Hamburg 1867.
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Bd I
wissen? Event. werde ich anpurren. – Habe ich geirrt wenn ich den raschen Absatz der ersten Auflage verstehe, wenn  Siehe Marx an L. Kugelmann, 11.10.1867 „Das Fertigmachen meines zweiten Bandes ...“.
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Sie von „Erfolg“ Ihres Buches sprechen,
oder meinen Sie darunter noch etwas anderes? – Dank  Siehe L. Kugelmann an Marx, 8.10.1867, Marx an L. Kugelmann, 11.10.1867 und Erl. 
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für Definition von Peonage
. |  Siehe Marx an L. Kugelmann, 11.10.1867 „Es hängt also jezt ...“.
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Wenn Sie meinen, daß ich irgend etwas in Ihrem Interesse oder dem Ihres Buches thun kann,
so rechnen Sie ganz auf mich. – Heute war ich schon bei Warnebold, traf ihn aber nicht, ich werde ihn veranlassen vorläufig schon irgend eine Notiz in die Presse zu bringen. – Nach Empfang von  Siehe Marx an Engels, 10.10.1867, Marx an L. Kugelmann, 11.10.1867 „... Ihren letzten Briefe ...“, Engels an L. Kugelmann, 12.10.1867 „Um nun Arbeit zu sparen ...“ und Erl.
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Engels’ Notizen
werden wir dann mit schwerem Geschütz vorgehen. –

Miquèl ist augenblicklich krank. – Sobald er hergestellt, werde ich ihm eindringlich ans Herz legen, aus Interesse für „die Wissenschaft“ u. aus Dankbarkeit gegen einen Mann dem er als Schüler so viel an richtigem Urtheil verdankt, die Verbreitung des Bd I unter seinen polit. Freunden sich angelegen sein zu lassen. –

In diesen Tagen wird Sie Herm. Meyer-St. Louis besuchen, er ist ein prächtiger, durch u. durch treuer Bursche. – Ich habe ihn dieser Tage noch für Ihr Buch angefeuert, sein Sie freundlich, bitte, gegen ihn u. sein Sie versichert, daß er Ihnen ganz ergeben ist. – Bitte sagen Sie ihm meine Grüße. –

Mit herzlichen Grüßen von  Gertrud Kugelmann.
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Frau
u.  Franziska Kugelmann.
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Fränzchen
für Sie u. lieben Ihrigen, wie auch von mir stets

der Ihrige
LKugelmann
Dr

Heute fahre ich  Karl Marx: Das Kapital. Bd. 1. Buch 1. Hamburg 1867. S. 232. (MEGA2 II/5. S. 203/204.)
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in Ihrem Buche pag 232
fort. –

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen mittelstarkem, weißem Papier im Format 286 × 215 mm. Prägung: „Dr. L. Kglm.“ Alle vier Seiten hat Kugelmann vollständig beschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Von Louis Kugelmanns Hand: Randanstreichungen.

Anmerkungen zum Brief

Kugelmann beantwortet Marx’ Brief vom 11. Oktober 1867 (siehe Marx an L. Kugelmann, 11.10.1867). Marx antwortete Kugelmann am 15. Oktober 1867 (siehe Marx an L. Kugelmann, 15.10.1867).

 

Zitiervorschlag

Louis Kugelmann an Karl Marx in London. Hannover, Sonntag, 13. Oktober 1867. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000388. Abgerufen am 18.04.2024.