| Genf den 15 Nvbr 1866

Lieber Marx!

Was sagst Du zum  Der erste Kongress der IAA in Genf (3.–8. September 1866). Siehe Erl. zu Marx an Engels, 5.1.1866 und Erl. zu Marx an Kugelmann 23.8.1866 sowie auch Marx an J. Ph. Becker, 31.8.1866.
Schließen
Kongreß?
Ich sah ihm mit nicht wenig zagem Herzen entgegen & weiß auch wohl allein am Besten, welche Bemühungen es gekostet hat um nicht kolossale Dummheiten zum Vorschein kommen zu lassen.  Schilderungen zum Verlauf des Kongresses siehe in H. Jung an Marx, 5.9.1866 und J. G. Eccarius an Marx, 5. u. 6.9.1866.
Schließen
Jetzt kann man sagen, es ging Alles über erwarten gut & und wir haben die Parthie gewonnen.

 Friedrich Wilhelm Molls Aufzeichnungen waren lediglich als Ergänzung zum Protokoll gedacht. Als Arbeiter besaß er weder Fremdsprachenkenntnisse noch Übung im schriftlichen Ausdruck, somit vermochte er die deutschsprachigen Diskussionsbeiträge und Beschlüsse nur sehr knapp und unvollständig wiederzugeben. Siehe hierzu ausführlich MEGA2 I/20. S. 1749/1750 sowie Ossobowa: Über das Schicksal der Dokumente des Genfer Kongresses. S. 268/269.
Schließen
Mit unserem deutschen Kongreßsekretar (Moll) waren wir aus totaler Unfähigkeit zu solchem Posten schlecht gefahren
& werdet Ihr daher wenig oder nichts im Protokoll über die Wirksamkeit der deutschen & deutsch-schweizerischen Delegation finden.  [Johann Philipp Becker:] Der Kongreß der Internationalen Arbeiterassociation in Genf. In: Der Vorbote. Genf. Jg. 1. Nr. 9, September 1866. S. 125–140; Nr. 10, Oktober 1866. S. 141–155; Nr. 11, November 1866. S. 157–174.
Schließen
Meine Kongreßbeschreibung im „Vorboten“
kann Euch jedoch  Der Genfer Kongress hatte auf Vorschlag Beckers beschlossen, die Veröffentlichung der Kongressmaterialien dem Generalrat anzutragen. Siehe Association Internationale des Travailleurs. Compte rendu du Congrès de Genève (1866). In: MEGA2 I/20. S. 660. Die Arbeit wurde am 1. Dezember 1866 abgeschlossen und am 4. Dezember 1866 dem Generalrat vorgelegt (siehe E. Dupont an Marx, 1.12.1866 und Minutes of the General Council 1866/1867. In: MEGA2 I/20. S. 513.12–14). Ausführlich dazu siehe MEGA2 I/20. S. 1748–1759.
Schließen
bei Eurer Berichtsabfassung
zu Hülfe kommen. Du siehst daß ich dort vermied einiger eklen Geschichtchen zu erwähnen.

Schwitzguebel, Präsident der Sektion Sonvillier, sandte mir gestern die  | Uebersetzung von 7 Fragen  Siehe Erl. zu Eccarius an Marx, 5. u. 6.9.1866. Siehe auch J. G. Eccarius an Marx, 5. u. 6.9.1866 (Die Denkschrift ...).
Schließen
der deutschen Denkschrift,
die er s.Z. gemacht & sie nun dem Generalrath fur den offiziellen Bericht zur Disposition schickt. Ob die Uebersetzung richtig & von vollig brauchbarer Redaktion, weiß ich nicht,  Am 18. November 1866 verschickte Jean-Baptiste Dupleix Exemplare des „Vorboten“, Bücher, eine Teilübersetzung (sieben Punkte) von Beckers „Denkschrift“ durch Adhémar Schwitzguebel, Fotos sowie Beckers Briefe vom 15. November 1866 an Marx, Hermann Jung (IISG, Jung-Nachlass, Sign. 433e) und Friedrich Leßner (Kopie: RGASPI, Sign. f. 185, op. 1, d. 25/3) in einer Kiste als Frachtgut über Deutschland nach London. Die Kiste traf in London Anfang Dezember 1866 ein. Siehe Minutes of the General Council 1866/1867. In: MEGA2 I/20. S. 509.28–34 und 512.12–15 und ebenda. S. 1751. Siehe auch Ossobowa: Über das Schicksal der Dokumente des Genfer Kongresses. S. 275.
Schließen
da ich um die gebotene Gelegenheit zu dieser Sendung zu benützen, keine Zeit mehr zum Lesen hatte.
 Becker bat seinen Freund Victor Schily um die Übersetzung der letzten vier Punkte, doch konnte dieser die Aufgabe nicht übernehmen. Siehe V. Schily an J. Ph. Becker, 27. November 1866 (Kopie: RGASPI, Sign. f. 185, op. 1, d. 54/18) sowie Ossobowa: Über das Schicksal der Dokumente des Genfer Kongresses. S. 275, Fn. 60.
Schließen
Die noch übrigen 4 Fragen kann S. jetzt nicht übersetzen, weil er eben in Bern in Garnison ist. Wenn es noch 14 Tage Zeit hat, so werde ich sie sonst übersetzen lassen.

Die Kongreßkosten haben die Kasse unserer kleinen Sektion stark mitgenommen, werde aber Sorge tragen, daß Euch unser Beitrag zur Generalkasse nächsten Monat zu geht.

Der „Vorbote“ steht fest & ist seine Existenz durch Abonnements hinreichend gesichert.

In Deutschland hat  Der Deutsche Krieg (1866).
Schließen
der lausige Krieg
uns einen verdammten Strich durch die  | Rechnung gemacht. Jetzt will zwar dort wieder einiges Leben fur uns erwachen &  [Johann Philipp Becker:] Seit unserm letzten Bericht sind noch Sektionen entstanden … In: Der Vorbote. Genf. Jg. 1. Nr. 11, November 1866. S. 175.
Schließen
kann ich im nachsten Vorbote die Bildung neuer Sektionen anzeigen.
Doch stehen diese Resultate lange nicht im Verhaltniß zu der Mühe, die ich mir dafur gebe & zu den Zeit- & Geldopfern die wir dafür gebracht. Nun es wird die Aussaat nicht verloren gehen.

 Becker spielt auf die Verhaftung Wilhelm Liebknechts in Berlin im Oktober 1866 an. Siehe Erl. zu W. Liebknecht an Engels, 1.10.1866.
Schließen
Liebknecht der tappiger Weise in die Amnestie gerumpelt,
ließ  Siehe Erl. zu J. Ph. Becker an J. Marx, 1.3.1866.
Schließen
seit Februar, wo er zum ersten Mal schrieb,
nichts mehr von sich hören.

 Becker schrieb darüber auch in seinem Brief an Jung vom 15. November 1866 (siehe Erl. zu J. Ph. Becker an Marx, 15.11.1866 ), der diese Nachricht, vermutlich erhalten von Luigi Domenico Canessa, auf der Sitzung des Generalrats am 4. Dezember 1866 vortrug (siehe Minutes of the General Council 1866/1867. In: MEGA2 I/20. S. 512.23–30). Der 12. Kongress der italienischen Arbeitervereine fand erst vom 1. bis 6. November 1871 in Rom statt (siehe MEGA2 I/20. S. 1576).
Schließen
Aus Genua ging mir vorgestern die Nachricht zu, daß man wahrscheinlich nächstens eine Arbeiterdelegirten-Conferenz in Venedig abhalten werde um neben Andrem auch den formellen Anschluß an unsere Association zu beschließen.

 „Der Vorbote“ (Genf).
Schließen
Für ein Bischen Mitarbeitung am „Vorboten“ rührt sich keiner der alten „Brüder“, bleibt mir allein auf dem Hals.

 Siehe J. Ph. Becker an Friedrich Leßner, 28. September, 29. Oktober und 15. November 1866 (RGASPI, Sign. f. 21, op. 1, d. 303/2, 303/4 und f. 185, op. 1, d. 25/3 [Kopien]).
Schließen
Unserm Lessner schrieb ich seit dem Kongreß gelegenheitlich schon zwei & heute zum dritten Mal, ihm verschiedene Aufträge  | an dich gebend.
Es scheint, daß  Jules Gottraux.
Schließen
der gefallige Ueberbringer,
Freund Jung’s,  Zum Hergang der Beschlagnahme der Sendung siehe MEGA2 I/20. Erl. 491.13–16 und S. 1750 sowie Ossobowa: Über das Schicksal der Dokumente des Genfer Kongresses. S. 265 und 274/275. Ein Brief des Generalrats der IAA an den französischen Innenminister, um die Herausgabe zu erwirken, blieb unbeantwortet (der Brief konnte nicht ermittelt werden; siehe Minutes of the General Council 1866/1867. In: MEGA2 I/20. S. 492.19–21 und 526.10–16). Daher wandte sich der Generalrat an den britischen Außenminister Lord Stanley mit der Bitte um Unterstützung. Dieser erreichte über den britischen Gesandten in Frankreich, Lord Cowley, die Aushändigung der Sendung (siehe ebenda. S. 526.16–26). Siehe auch Marx an Engels, 31.12.1866 und die Sitzungsprotokolle des Generalrats vom 1. und 15. Januar 1867 (Minutes of the General Council 1866/1867. In: MEGA2 I/20. S. 519.4–18 und 524–527).
Schließen
sich Briefe Vorbote, Bücher an der franz. Grenze hat wegnehmen lassen, was mir sehr, sehr ärgerlich ist – besonders auch wegen dem an Jung gerichteten Brief.

 Zur Engels’ Deutschlandreise im August/September 1866 siehe Erl. zu Engels an Marx, 6.8.1866.
Schließen
Engels kam also zur Zeit des Kongresses durch Mainz, hatte aber, wie es scheint, den Weg nach Genf nicht gefunden.

Hier geht es mit der Association sehr gut & wird das Gesellschaftshaus durch den Getränkedebit ein sehr einträgliches genossenschaftliches Konsumgeschaft.  [Johann Philpp Becker:] Da man an mehrern Orten die Gründung der Produktionsgenossenschaften im Schooß der Sektionen beabsichtigt … In: Der Vorbote. Genf. Jg. 1. Nr. 11, November 1866. S. 175/176. Rubrik: Entwicklungsgang unserer Association.
Schließen
Mit sehr vieler Mühe brachte ich aber bei Abfassung des Vertrags & der Statuten kommunistische Grundsatze durch & wird nun aller Reinertrag untheilbar nur für gemeinschaftliche Zwecke verwendet. Vieleicht spreche ich schon in No 11 des Vorboten darüber.
Indessen bin ich beschaftigt Tag & Nacht ohne ein Sou zu verdienen & sehe mich daher sehnlichst um einen Bruder um, der mich ablosen konnte, ehe ich darüber krebire.

Dies in Eil’! herzliche Grüsse an deine Familie

Dein
Joh Ph Becker

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.

Absender

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen festem, weißem Papier im Format 223 × 180 mm. Becker hat alle vier Seiten vollständig beschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Von unbekannter Hand: Anstreichung mit Blaustift, auf der vierten Seite der kurze Absatz „Engels kam also“ bis „nach Genf nicht gefunden“.

Die Schreibweise wurde zurückhaltend korrigiert, die Eingriffe sind ausgewiesen.

Anmerkungen zum Brief

Der Brief gelangte nach London in einem Paket mit Büchern und anderen Materialien (siehe Erl.).

 

Zitiervorschlag

Johann Philipp Becker an Karl Marx in London. Genf, Donnerstag, 15. November 1866. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000195. Abgerufen am 19.04.2024.