| Manchr 11 Juni 1866
Lieber Mohr
Die Kiste Bordeaux geht
heute Abend an Dich ab. Es ist sehr guter Wein vom Borkheim. Ich hätte ihn Dir früher geschickt aber die
Jungen hier haben es theilweise wegen Überbeschäftigung verbummelt. Die Adresse
hatten sie längst von mir fertig geschrieben in der Hand. Hoffentlich wird der,
& regelmäßige Bewegung Dir gut thun. Siehe dazu Marx an Engels,
20.6.1866.
Schließen Was meinst Du
wenn Du auf eine 8 Tage herkämst, meinetwegen Ende ds, & dann gleich
mit dem Gelde in den ersten Tagen Juli wieder nach Hause könntest? Dabei
könntest Du Gumpert
einmal gründlich konsultiren.
Wir sind hier an der Bankfallirerei noch so eben ohne Schaden vorbeigekommen.
Siehe Marx an Engels,
7.6.1866.
Schließen Dronke sagte mir
selbst daß er bei Barnedt
etwas drin sei, aber mehr durch die Nothwendigkeit seinen Banker zu
wechseln, er habe dort £ 3000.– Credit gehabt – doch war er auch
Actionär & daran verliert er.
Siehe MEGA2 III/13. Br. 287.13–18
und W. Eichhoff an Engels, 16.3.1867.
Schließen Eichhoff hat auch die Ehre gehabt daß sein Banker
fallirt hat & er mit £ 16.– in die Patsche gekommen. Der macht sich
wenig daraus, wenn er einen fälligen Wechsel nicht bezahlen kann so läßt
ers eben bleiben.
Siehe Marx an Engels,
9.6.1866.
Schließen Herr G. Kinkel hat den Ruf nach Zürich nun schon jedes Jahr
in Circulation gesetzt, sollten die Züricher in der That zuletzt
wirklich dran glauben müssen?
In Deutschland sieht es täglich revolutionärer aus. In Berlin & Barmen ziehen die stillgesetzten Arbeiter in Haufen drohend durch die Straßen. G. Ermen der Freitag wiederkam, erzählte mir er habe sich auf der Coblenzer Rheinbrücke mit einem x-beliebigen preuß. Lieutnant in Unterredung über den Krieg eingelassen, der Mann sei sehr zweifelhaft über den Ausfall der Sache gewesen, habe sowohl die Leute als die Führung der Östr. für besser als die preuß. anerkannt, & auf G. E.'s Frage: wie es gehen würde wenn die Preußen geklopft würden, geantwortet: Dann kriegen wir Revolution. Ein andrer Philister erzählte mir in Köln aus guter Quelle gehört zu haben daß die Landwehr compagnieweise unter die Linie vertheilt werden & die Landwehrregimenter wieder mit Linie aufgefüllt werden sollten; der Befehl sei heraus. Jedenfalls muß | die Armee in einem Zustand sein, der einen Erfolg nur dann erwarten läßt wenn die Östreicher zuerst über die Gränze rücken & das scheinen sie diesmal platterdings nicht zu wollen. Aber auch die Preußen wollen eben deßwegen nicht los. So kann der Zustand sich noch eine 8 Tage hinziehen bis die Situation so gespannt wird daß sie reißt.
Wunderschön ist die geschichtliche Ironie die sich an dem Bismark abspielt. In demselben Augenblick wo er liberale Phrasen macht, muß er absolutistische Handlungen begehn. Er wird in einem Athemzuge die deutsche Reichsverfassung proclamiren & die preußische Verfassung suspendiren (die Ordonnanzen sind schon fertig). Gute Idee, den Bonaparte gegen die Bürger spielen wollen mit den Junkern hinter sich statt der Bauern!
Die Landwehr wird in diesem Krieg den Preußen ebenso gefährlich wie 1806 die Polen, die auch über ⅓ der Armee ausmachten, & die ganze Geschichte schon vor der Schlacht desorganisirten. Nur daß die Landwehr, statt zu debandiren, rebelliren wird nach der Niederlage.
Das ganze linke Rheinufer ist von Truppen entblößt, in Luxemburg stehn nur
2 Landwehrregimenter & die Festung soll im Stillen schon ausgeräumt werden;
in Saarlouis steht bloß ein noch nicht vollständiges Landwehrbataillon. Von
der
Heydt
& Op
//
soll durch Oppenheim
den Handel wegen der Saarbrücker Kohlenwerke & Staatsbahn fertig
bringen damit sie Geld bekommen, auch soll die westfäl. Staatsbahn an die
bergisch märkische Bahn verkauft werden. Siehe Erl. zu Engels an Marx,
4.1.1866.
Schließen Die
Darlehnskassenscheine sind von der pr. Bank dem Staat auf seine Köln Mindener Actien vorgeschossen worden,
weiter hatte die Sache keinen Zweck. Dabei stecken die Berliner
Banquiers alle mit der Regierung zusammen.
Zu Marx’ und Engels’ Einschätzung des kommenden Krieges zwischen
Preußen und Österreich siehe ihren Briefwechsel von April bis Juni
1866 (ab Engels an Marx,
2.4.1866).
– Der Zentralrat der IAA erörterte sein Verhältnis zum Krieg in den
Sitzungen am 19. und 26. Juni (siehe The Minute Book
1864–1866. In: MEGA2 I/20. S. 424 und 427/428) sowie am
3. und 17. Juli 1866 (ebenda. S. 429/430 und 435).
Marx nahm an diesen Sitzungen teil. – Engels brachte seine Position
zum Krieg in der fünfteiligen Artikelserie „Notes on the war in
Germany“ zum Ausdruck, anonym veröffentlicht in „The Manchester Guardian“
zwischen 20. Juni und 6. Juli
1866 (MEGA2 I/20.
S. 206–223 und 1205). Siehe auch Erl. zu H.
Morrell Acton an Engels,
18.6.1866.
Schließen Ich glaube in 14 Tagen geht es in Preußen
los. Wenn diese Gelegenheit vorübergeht ohne benutzt zu werden,
& wenn die Leute sich dies gefallen lassen, dann können wir ruhig einpacken
mit unsern revolutionären Siebensachen & uns auf die
höhere Theorie werfen.
Bismarck hatte nach dem Anschlag auf seine Person (siehe Erl. zu
Engels an Marx,
9.5.1866)
den an der Vorbereitung des Kölner Kommunistenprozesses (1852)
maßgeblich beteiligten Wilhelm Stieber vor Beginn des Deutschen Krieges aus
dem einstweiligen Ruhestand wieder zurück in den Staatsdienst
geholt, machte ihn zum Feldpolizeidirektor und übertrug ihm als
Geheimen Regierungsrat von 1866 bis 1873 das
„Central-Nachrichten-Bureau“ im Preußischen Staatsministerium, damit
praktisch die Leitung der preußischen Geheimpolizei. (Siehe Haalck: Wilhelm Stieber.
S. 97–103; Schoeps:
Agenten. S. 71–104; Dokumente aus geheimen Archiven. Bd. 5. S. 154.)
– Der preußische Polizeibeamte Carl Greiff war schon
1851 als Agent nach London abgestellt worden, um Belastungsmaterial
für den Kölner Kommunistenprozeß zu beschaffen. (Dokumente aus geheimen Archiven.
Bd. 5. S. 65; Hundt: Geschichte des Bundes der Kommunisten (1993).
S. 737, 743/744.)
Schließen Stieber ist Feldpolizeichef, organisirt das „Complott
Blind“ & hat
zu diesem Zweck unsern Freund Greif wieder nach London geschickt. Kann man ihn nicht
durchkeilen lassen?
Beste Grüße.
DeinF. E.
Zeugenbeschreibung und Überlieferung
Zeugenbeschreibung
Der Brief besteht aus einem Bogen dünnem, weißem Papier im Format 273 × 223 mm. Engels hat die erste und vierte Seite vollständig beschrieben, die zweite und dritte sind leer. Schreibmaterial: schwarze Tinte.
Von Eduard Bernsteins Hand: Nummerierung des Briefes bzw. der beschriebenen Seiten: „312,1“ bzw. „312,2“ und „31,1“ bzw. „31,2“ (gestrichen). Eine Streichung („Wir sind hier“ bis „dran glauben müssen?“). Redaktionelle Vermerke.
Von Heinrich Dietz’ Hand: Nummerierung des Briefes: „851“ (gestrichen).
Von unbekannter Hand: Vermerk mit Bleistift „Vierling“, auf der ersten Seite oben links; Anstreichungen („Die Landwehr“ bis „der Niederlage“ und „Ich glaube“ bis „Theorie werfen.“) auf der vierten Seite.
Drucke
Anmerkungen zum Brief
Engels beantwortet Marx’ Brief vom 9. Juni 1866 (Marx an Engels, 9.6.1866). Marx antwortete ihm am 20. Juni 1866 (Marx an Engels, 20.6.1866).
Zitiervorschlag
Friedrich Engels an Karl Marx in London. Manchester, Montag, 11. Juni 1866. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000124. Abgerufen am 19.04.2024.