| Mchr 10 April 1866.

Lieber Mohr

Wie es scheint wollen die Russen den Krieg, der Zweck scheint Wiederherstellung Polens unter russ. Herrschaft & wo möglich Annexion der Moldau.  Siehe Die Lage, Köln, 7. April. In: Kölnische Zeitung. Nr. 97, 8. April 1866. S. 1.
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Die Köln. Ztg die natürlich Heidenangst vor Krieg hat, hat den J. von Wickede, ihren Militärmann, nach Böhmen geschickt
um die angeblichen östreich. Rüstungen zu besichtigen. Der Kerl kommt hin – am 3 April, also 14 Tage nach  Runderlass Bismarcks an die preußischen Gesandten bei den deutschen Regierungen vom 24. März 1866. In: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Bd. 2, Nr. 161. S. 221. Bismarck ließ erklären, Preußen sei durch das Vorgehen Österreichs gezwungen, Abwehrmaßnahmen zu treffen. Es wurde angefragt, inwieweit Preußen auf Unterstützung anderer deutscher Staaten rechnen könne, wenn es einem österreichischen Überfall ausgesetzt oder durch österreichische Drohungen gezwungen wäre, Krieg zu beginnen.
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Bismarks Note
– & findet überall den tiefsten Friedensfuß, nur daß ein paar böhmische Regimenter in ihre Werbbezirke verlegt sind um sich rascher auf Kriegsfuß setzen zu können. Kein Beurlaubter eingezogen, keine Festung armirt, Nichts. Der ganze Scandal also absichtlich von Bism. provocirt.

Ferner. Die Russen conzentriren Truppen an der östreich. & an der preuß. Gränze von Polen, & die Soldaten erzählen ganz offen daß die, die an der preuß. Gränze stehn, nächstens Posen besetzen werden, sobald die preuß. Truppen gegen die Östr. ausmarschiren. Abgesehen davon daß die Russen sich hier gleich den Rest von Preußisch Polen sichern, werden sie auch den Beruf haben etwaige revolutionäre Bewegungen in Berlin zu unterdrücken. Das würde indeß höchstwahrscheinlich ein falscher Kalkül sein & jedenfalls die Hohenzollern unmöglich machen für die Zukunft.

Endlich  As far as words go, ... [Leitart.] In: The Times. London. Nr. 25 468, 10. April 1866. S. 8.
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der heutige Timesleader der dumm, verlogen, hölzern, aber entschieden auf die preuß. Seite einlenkt & Oestreich als den angreifenden Theil hinstellt.
Der ist auf Befehl geschrieben.

Der Krieg scheint mir hiernach sicher, & durch  Am 16. März 1866 informierte Österreich die befreundeten deutschen Staaten darüber, dass es die Regelung der schleswig-holsteinischen Angelegenheiten dem deutschen Bund anheimstelle und im Falle der Gefährdung des Friedens durch Preußen für die Mobilmachung eines Bundesheeres eintritt. (Kralik: Allgemeine Geschichte der Neuesten Zeit. Bd. 3. S. 420/421.)
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die neue östr. Note,
die an den Bund appellirt, sowie  Am 9. April 1866 beantragte die preußische Regierung beim Bundestag in Frankfurt a. M. die Einberufung einer aus direkten Wahlen und allgemeinem Stimmrecht hervorgehenden deutschen Nationalversammlung, die dann eine Reform des Bundes durchführen sollte. Das richtete sich eindeutig gegen Österreich und zwang die deutschen Mittelstaaten, sich für oder gegen Preußen zu erklären. (Siehe Baumgart: Europäisches Konzert und nationale Bewegung. S. 380/381.)
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durch Monsieur Bismarks Antrag wegen eines deutschen Parlaments
– welch ein Rindvieh muß der Kerl sein zu glauben das hülfe ihm auch nur ein Atom! – auch aus inneren deutschen Gründen unvermeidlich. Die östr. Note scheint dies Bewußtsein vorauszusetzen, daß es doch zum Klappen kommt. Sonst hätten sie sich wenigstens die Hinterthür offengehalten durch Bism.'s Rücktritt den Preußen den Rückzug zu erleichtern. Aber sowie sie an den Bund appelliren hört das auf, einer Bundesmajorität unterwirft sich auch ein andres preuß. Ministerium nicht.

Bonaparte wird sich wohl ruhig halten, wenigstens vor der Hand, Bism. hat ihm ja schon Saarbrücken &c offerirt, & schenkt ihm auch | im Nothfall die bairische Pfalz. Wenn er die Russen auf der preuß. Seite engagirt sieht, wird er sich in nichts Gewagtes einlassen.

Wenn es wirklich zum Klappen kommt, so hängt zum ersten Mal in der Geschichte die Entwicklung ab von der Haltung Berlins. Schlagen die Berliner zur rechten Zeit los, so kann die Sache gut werden – aber wer kann sich auf die verlassen?

 Zum Genfer Kongress der IAA und seiner Vertagung siehe Marx an Engels, 6.4.1866 und Erl. zu Marx an Engels, 5.1.1866.
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Was den Congreß der Internatl. angeht, so sehe ich nicht gut ein wie Ihr daran vorbeikommen wollt. Auch sehe ich nicht ein daß eine weitere Vertagung die Sache viel bessern würde.
Après tout wird jede derartige Demonstration in gewissem Sinn – wenigstens uns selbst gegenüber – immer eine Blamage sein. Aber vor Europa? ich glaube das wäre auch jetzt noch zu vermeiden. Die Deutschen würden wegen ihrer polyglotten Capacitäten doch die ganze Sache in der Hand haben, & die Deutschen sind ja grade unsere Leute. Ob der Congreß was Gutes beschließt ist Nebensache, wenn nur der // jeder Scandal vermieden werden kann; & das wird jetzt doch wohl der Fall sein. Allgemeine Beschlüsse theoretischer Natur, oder die sich auf internationale Strike-Unterstützung &c beziehen werden doch ohne Gefahr gefaßt werden können. Du mußt das indeß besser wissen als ich, ich kann das von hier aus nicht so beurtheilen.  Siehe Marx an Engels, 6.4.1866.
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Indessen würde ich keinen Falls deßwegen nach Paris gehn. Du bist von Niemandem geschützt, & die Polizei wird daher ungenirt zugreifen – Emissär einer öffentlichen Arbeitergesellschaft, mit ausgesprochen revolutionärer Tendenz, wohinter man leicht andre geheime Sachen stecken kann – cela suffit. Die ganze Geschichte ist das Risiko doch nicht werth.

 Zu Marx’ Kuraufenthalt in Margate siehe Erl. zu Engels an Marx, 5.3.1866.
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Bleib nur lieber noch in Margate
bis die letzte geheilte Stelle ganz frei von Reizbarkeit ist, & lauf tüchtig in der Luft herum. Wer weiß wie bald Du einen starken Cadaver wieder nöthig haben wirst. Die Atmosphäre ist sehr elektrisch & wir werden vielleicht bald wieder mitten im Gewitter sein; das hilft wohl auch über die Congreßschwie | rigkeit.

Einiges Geld besorge ich Dir baldmöglichst.  Siehe Marx an Engels, 2.4.1866.
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Auch werde ich suchen Gumpert zu sehn & ihn wegen Beendigung der Seekur zu fragen & wie Du Dich nachher beim Arsenik zu halten hast.

Dein
F. E.

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Absender

Briefkontext

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen mittelstarkem, weißem Papier im Format 260 × 205 mm. Wasserzeichen: „I & F H 1865“. Die ersten zwei Seiten hat Engels vollständig beschrieben, die dritte zu einem Viertel. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Von Eduard Bernsteins Hand: Nummerierung des Briefes bzw. der beschriebenen Seiten: „305,1“ bis „305,3“ und „21,1“ bis „21,3“ (gestrichen). Redaktionelle Vermerke und Anstreichungen.

Von Heinrich Dietz’ Hand: Nummerierung des Briefes: „841“ (gestrichen).

Von unbekannter Hand: Vermerke mit Blaustift auf der ersten Seite oben links: „Aug.“ und „Abz.“.

Anmerkungen zum Brief

Engels beantwortet Marx’ Brief vom 6. April 1866 (Marx an Engels, 6.4.1866).

 

Zitiervorschlag

Friedrich Engels an Karl Marx in Margate. Manchester, Dienstag, 10. April 1866. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000089. Abgerufen am 19.03.2024.