Inhaltsbeschreibung und Datierung

1Das vorliegende Exzerptheft hat Marx unmittelbar im Anschluss an das ungefähr Mitte Februar 1869 beendete Exzerptheft „1869 I Heft“ begonnen, mit dem er seine Exzerpte aus den Jahrgängen 1866 bis 1868 der „Money Market Review“ und dem „Economist“ abgeschlossen hat. Entsprechend betitelt Marx das vorliegende Heft mit „Heft II. 1869“ (S. [0]). Es beginnt mit dem zweiten Teil der Exzerpte aus dem mathematischen Lehrbuch „Das Ganze der kaufmännischen Arithmetik“ von Friedrich Ernst Feller und Carl Gustav Odermann (S. 1–36), die Marx am Ende von „1869 I Heft“ begonnen hat und die er nun fortsetzt und abschließt. Das Heft enthält ferner umfangreiche Auszüge aus den Werken „An Essay on the Principle of Commercial Exchanges“ von John Leslie Foster (S. 37–51), „Vergleichende Statistik von Europa“ von Otto Hausner (S. [60]–[117]) und „Ireland; its Evils, and their Remedies“ von Michael Thomas Sadler (S. [118]–[130]) sowie ferner eine kurze, zusammenfassende Notiz von Marx zu den „Principles of Geology“ von Charles Lyell (S. [52]) und einen eingeklebten Ausschnitt aus der Tageszeitung „The Daily News“ vom 20. Mai 1869 (S. [0]). Auf der Vorderseite des Umschlags befindet sich ein Inhaltsverzeichnis von Engels.

2Obwohl der Marx’sche Titel „Heft II. 1869“ nahelegt, dass das ganze Heft im Jahr 1869 erstellt worden ist, sind einige Exzerpte vermutlich erst später entstanden. Die Exzerpte aus Feller/Odermann sind noch im Februar, spätestens März 1869 abgeschlossen worden (siehe Entstehung und Überlieferung zu „1869 I Heft“) und die Exzerpte aus Foster hat Marx, wie unten ausgeführt wird, zwischen dem 27. Februar und dem 1. März 1869 angefertigt. Die auf die Foster-Exzerpte folgende Notiz zu Lyell könnte im Frühjahr/Sommer 1869 entstanden sein und auch der Zeitungsausschnitt aus der „Daily News“ vom 20. Mai 1869 spricht für eine Benutzung des vorliegenden Hefts zu dieser Zeit. Die Exzerpte aus Hausner dagegen sind wahrscheinlich bis spätestens April 1870 entstanden und die aus Sadler bis möglicherweise Mai 1872, spätestens aber März 1875. Auf S. [0] notiert Marx auch „24 May, 1872“, was möglicherweise ein weiterer Datierungsvermerk, möglicherweise aber auch bloß ein zu dieser Zeit vermerkter Termin ist, auf jeden Fall aber darauf hinweist, dass Marx das vorliegende Heft im Mai 1872 möglicherweise weiterführte oder beendete, zumindest aber durchsah.

3Weil Marx Sadlers Buch „Ireland; its Evils, and their Remedies“ in der französischen Ausgabe des „Kapital“ kommentierte, sind die Sadler-Exzerpte und damit auch das vorliegende Heft spätestens im März 1875 beendet worden, als Marx seine Revision an dem Übersetzungsmanuskript der französischen Ausgabe für beendet erklärte. Die Erledigung der Marx’schen Revision der Übersetzung wird durch einen Brief von Marx an seinen Verleger Claude-Maurice La Châtre vom 18. März 1875 bezeugt. Bereits am 12. Mai 1874 informierte Marx La Châtre über die Fertigstellung des Übersetzungsmanuskripts der französischen Ausgabe, das er in der Folge überarbeitete. Die Sadler-Exzerpte erhalten viele Marginalien und Unterstreichungen, die Marx mit Grün-, Rot- und Blaustift, das heißt wahrscheinlich nicht während des Exzerpierens, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt hat. Es wäre daher auch möglich, dass Marx die Sadler-Exzerpte 1872 oder sogar davor erstellt hat und dann in Vorbereitung auf die französische Ausgabe des „Kapital“ erneut durchging und dabei die Marginalien und Unterstreichungen mit den Farbstiften ergänzte.

4Dass insbesondere die Exzerpte aus Hausner und Sadler auch nach 1869 entstanden sein könnten, findet eine Entsprechung in der uneinheitlichen Paginierung des Hefts von Marx. Marx hat die Heftseiten bis zum Ende der Foster-Exzerpte auf S. 51 paginiert, die folgenden Heftseiten bis zum Ende des Hefts aber nicht mehr. Auch dass nach der Notiz zu Lyell (S. [52]) die Seiten [53] bis [59] leer geblieben sind, deutet auf eine längere Pause während der Arbeit an dem Heft hin.

5Die Exzerpte aus Feller/Odermann und Foster stehen nicht nur wegen ihrer Entstehung unmittelbar im Anschluss an die Exzerpte aus dem „Economist“, der „Money Market Review“ und dem Buch „The Theory of the Foreign Exchanges“ von George Joachim Goschen in den Heften „London. 1868“, „1868“ und „1869 I Heft“, sondern auch wegen ihrer Inhalte, kaufmännisches Rechnen und Theorie der Wechselkurse, im Zusammenhang mit dem Marx’schen Vorhaben einer Überarbeitung seiner Kredittheorie für das dritte Buch des „Kapital“. Insbesondere in den Foster-Exzerpten führt Marx seine Kritik der Quantitätstheorie des Geldes weiter. Während eine Gemeinsamkeit der Exzerpte aus Hausner und Sadler darin besteht, dass sich Marx hier vor allem verschiedene statistische Angaben beschafft, ist den Werken von Foster und Sadler gemein, dass sie beide in Gegnerschaft zum englischen Kolonialismus in Irland stehen und pro-irische Auffassungen vertreten.

6Die Hefte „1869 I Heft“ und das vorliegende „Heft II. 1869“ sind nach bisherigen Erkenntnissen nicht die einzigen Hefte, an denen Marx im Jahr 1869 gearbeitet hat. Im Marx-Engels-Nachlass sind zwei weitere Hefte mit Exzerpten, Notizen und Zeitungsausschnitten überliefert, die Marx möglicherweise Ende 1869 begonnen hat: Ein Heft hat Engels mit dem Titel „Hibernica 1869ff.“ versehen (RGASPI, Sign. f. 1, op. 1, d. 5597) und möglicherweise ist auch das Heft mit unter anderem Exzerpten aus den Werken „The Principles of Population“ von Archibald Alison, „Journals, Conversations and Essays Relating to Ireland“ von Nassau W. Senior und „Realities of Irish life“ von William Steuart Trench Ende 1869 begonnen worden (IISG, Marx-Engels-Nachlass, Sign. B 117/B 107) (beide Hefte erscheinen in MEGA² IV/21). Möglicherweise kann die Edition und weitere Erforschung dieser Hefte auch dazu beitragen, die Datierung der vorliegenden Exzerpte aus Hausner und Sadler zu präzisieren. Ende 1869 beschäftigte sich Marx intensiv mit der irischen Frage, über die er im Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation am 16. November 1869 eine Rede hielt (MEGA² I/21. S. 727.25–730.26). Auch in seinen Briefen an Louis Kugelmann vom 29. November 1869 und an Engels vom 10. Dezember 1869 bekundete und begründete Marx ausführlich seine Befürwortung der Unabhängigkeit Irlands. An Kugelmann schrieb er: „Die erste Bedingung der Emancipation hier – der Sturz der englischen Bodenoligarchie – bleibt unmöglich, denn der Posten hier kann nicht gestürmt werden, so lange sie ihren stark verschanzten Vorposten in Irland behauptet.“ (Marx an Louis Kugelmann, 29. November 1869.) Gegenüber Engels gab er an, seine frühere Position in der irischen Frage, wonach es möglich sei, „das irische Regime durch English Working Class ascendancy zu stürzen“, revidiert zu haben: „Tieferes Studium hat mich nun vom Gegentheil überzeugt. Die englische working class wird nie was ausrichten, before it has got rid of Ireland. Der Hebel muß in Irland angelegt werden. Dadurch ist die irische question so wichtig für die sociale Bewegung überhaupt.“ (Marx an Engels, 10. Dezember 1869.) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Marx während dieses „[t]iefere[n] Studium[s]“ auch die vorliegenden Exzerpte aus Sadler erstellt hat. Es wäre aber, wie bemerkt, auch möglich, dass die Sadler-Exzerpte erst später entstanden sind und Marx die Exzerpte in das vorliegende Heft eintrug, weil hier noch Platz war.

7Einige Kritikpunkte von Marx an dem Kolonialstatus Irlands, wie zum Beispiel die Kritik des Absentismus der irischen Grundeigentümer, der englischen Kolonialverwaltung in Irland sowie den unvorteilhaften Auswirkungen der irischen Einwanderung nach England für das Klassenbewusstsein der irischen und englischen Arbeiter, lassen sich zwar mit den vorliegenden Exzerpten aus Foster und Sadler in Verbindung bringen, aber wurden von Marx zum Teil schon vor 1869 diskutiert. Zum Beispiel findet sich eine Kritik des Absentismus der irischen Grundeigentümer, die auch Foster und Sadler vortragen, bereits in Marx’ „Draft of a Speech on the ‚Fenian Question‘ for the Meeting of the General Council of the International Working Men’s Association, November 26, 1867“ (MEGA² I/21. S. 15–21), und diese konnte offensichtlich nicht von den vorliegenden Exzerpten inspiriert worden sein. Auch im Brief an Siegfried Meyer und August Vogt vom 9. April 1870, in dem Marx seine Hypothese über Irland als „das grand moyen, wodurch die englische Aristokratie ihre Herrschaft in England selbst erhält“ wiederholt, betont er, dass ihn langjähriges Studium zu dieser Überzeugung geführt habe: „Ich bin nach Jahrelanger Beschäftigung mit der irischen Frage zu dem Resultat gekommen, daß der entscheidende Schlag gegen die herrschenden Klassen in England (u. er ist entscheidend für die Arbeiterbewegung all over the world) nicht in England, sondern nur in Irland geführt werden kann.“ (Marx an Siegfried Meyer und August Vogt, 9. April 1870.) Die vorliegenden Exzerpte aus Foster und Sadler müssen daher nicht dem Marx’schen Positionswandel in der irischen Frage vorausgegangen sein, sondern sind im Zusammenhang mit seiner langjährigen Beschäftigung zu sehen.

Friedrich Ernst Feller, Carl Gustav Odermann: Das Ganze der kaufmännischen Arithmetik

8Fr[iedrich] E[rnst] Feller, C[arl] G[ustav] Odermann: Das Ganze der kaufmännischen Arithmetik. Für Handels-, Real- und Gewerbschulen, so wie zum Selbstunterricht für Geschäftsmänner überhaupt. 7., verm. und in Folge der im Münz- und Gewichtswesen eingetretenen Veränderungen z.Th. umgearb. Aufl. Leipzig 1859. (S. 1–36.)

9Marx beginnt das vorliegende Heft mit der unmittelbaren Fortsetzung der Exzerpte aus dem mathematischen Lehrbuch von Feller/Odermann, mit deren ersten Teil er das „1869 I Heft“ ungefähr Mitte Februar 1869 abgeschlossen hat. Für eine Datierung und Beschreibung dieser Exzerpte siehe Entstehung und Überlieferung zu „1869 I Heft“.

John Leslie Foster: An Essay on the Principle of Commercial Exchanges

10John Leslie Foster: An Essay on the Principle of Commercial Exchanges, and More Particularly of the Exchange Between Great Britain and Ireland: with an Inquiry into the Practical Effects of the Bank Restrictions. London 1804. (S. 37–51.)

11Der irische Jurist John Leslie Foster (etwa 1781–1842) war langjähriger Abgeordneter der Tories im britischen Parlament und 1810 Mitglied des Bullion-Komitees. Er war einer der ersten politischen Ökonomen, der zwischen dem realen Wechselkurs, das heißt der durch die Auslandsverschuldung bestimmten Wechselkursschwankungen, und dem nominalen Wechselkurs, das heißt den Wechselkursschwankungen aufgrund des monetären Faktors der überschüssigen inkonvertiblen Banknoten, unterschied. Sein „Essay on the Principle of Commercial Exchanges“ wurde 1804, inmitten der irischen Wechselkurskontroverse veröffentlicht. Ende des 18. Jahrhunderts wurde in England und Irland etwa zur gleichen Zeit der „Bank Restriction Act“ erlassen, der die Banknoten in beiden Ländern inkonvertibel machte. Laut Foster führte eine durch die übermäßige Ausgabe von Banknoten verursachte Inflation zu großen Störungen im Wechselkurs zwischen den beiden Ländern. Foster führte die Aufwertung des irischen Wechselkurses gegenüber dem Londoner ab Ende 1803 auf die übermäßige Ausgabe von inkonvertiblen irischen Banknoten zurück und erklärte dabei das Konzept des nominalen Wechselkurses. Diese Diagnose war die gleiche wie im Bericht des „Irish Currency Committee“ von 1804 (Report from the Committee on the Circulating Paper, the Specie, and the Current Coin of Ireland, and also, on the Exchange between that Part of the United Kingdom and Great Britain. London 1804). Die dortigen Diskussionen und die Fülle an Material und Zeugenaussagen bildeten die Grundlage für das vorliegende Buch. Während die Direktoren der Bank of Ireland darauf bestanden hatten, dass ihre Geldpolitik keinen Einfluss auf den Wechselkurs ausüben würde, wollte Foster eine Theorie über die Beziehung zwischen der Entwertung der Banknoten und dem Wechselkurs formulieren, um sie zu widerlegen. Allerdings diskutierte Foster noch nicht den berechneten Wechselkurs (siehe Kazumori Yamakura: J. L. Foster and the Irish Exchange Controversy of the Early Nineteenth Century. In: Nihon University Journal of Business. 2011 [auf Japanisch]), und William Blake entwickelte später in seiner Schrift „Observations on the Principles which Regulate the Course of Exchange; and on the Present Depreciated State of the Currency“ (London 1810), eine Theorie, die zwischen realem, nominalem und berechnetem Wechselkurs („computed exchange“) unterschied.

12Marx notierte den Titel des vorliegenden Buchs bereits 1845 in Manchester Heft 3 (MEGA² IV/4. S. 201.31–32) und 1850 in Londoner Heft II (MEGA² IV/7. S. 83.4). In Londoner Heft II exzerpierte er auch ausführlich die Broschüre Blakes und entnahm ihr wichtige Hinweise über die Praxis der Bildung des Wechselkurses (MEGA² IV/7. S. 115–127). Blakes Unterscheidung zwischen nominalem und realem Wechselkurs wurde für Marx zu einem Ansatzpunkt seiner Kritik der Ricardo’schen Geldtheorie (siehe MEGA² IV/7. App. S. 690). Er behandelte diese Unterscheidung noch einmal im Manuskript zum dritten Buch des „Kapital“ (MEGA² II/4.2. S. 641), aber griff dazu vornehmlich auf den „Economist“ und die englischen Parlamentsberichte von 1857 und 1858 über die Wirkungsweise des „Bank Act“ und die Wirtschaftskrise von 1857/1858 zurück. Dort beschrieb Marx die verschiedenen Faktoren bei der Bestimmung der Wechselkurse – was sie beeinflusst, wodurch sie schwanken – und für dieses Thema haben die vorliegende Exzerpte große Relevanz.

13Marx exzerpierte das vorliegende Buch aller Wahrscheinlichkeit nach in kurzer Zeit zwischen dem 27. Februar und dem 1. März 1869. Wie bemerkt, wurde er bereits in den Manchester Heften 1845 und in den Londoner Heften 1850 auf das Werk aufmerksam, konnte es damals aber nicht auffinden. Sein Interesse erneuerte sich im Rahmen der Wiederaufnahme seiner Studien zum Kreditsystem im Jahr 1868: Er notierte den Titel wahrscheinlich im Februar/März 1868 in „Heft 2. 1868“ der „Hefte zur Agrikultur“ (MEGA² IV/18. S. 456.4) und da das Buch in den Londoner Bibliotheken weiterhin nicht verfügbar war, bat er Engels erstmals im Brief vom 25. September 1868 um die Zusendung des Werks. Er wiederholte sein Anliegen in den Briefen an Engels vom 15. und 24. Februar 1869. Engels bestätigte Marx am 25. Februar 1869: „Foster on Exchanges geht Dir heute durch Globe Parcel Express zu, die Book Post war nicht sicher genug für ein unersetzliches Buch.“ Fosters Buch war offensichtlich auch in Manchester selten. Marx erhielt es am Abend des 27. Februar und exzerpierte es kurz nach Empfang schnell und sorgfältig, da er es sofort zurückschicken musste. Im Brief an Engels vom 1. März bestätigte er den Erhalt: „Samstag Abend den Foster erhalten“, und gab eine ausführliche Einschätzung des vorliegenden Buchs, in der er es unter anderem als „f. seine Zeit bedeutend“ (Marx an Engels, 1. März 1869) charakterisierte.

14Aller Wahrscheinlichkeit nach hat Marx das vorliegende Exzerpt in zwei Tagen, zwischen dem Empfang des Buchs am Samstag, den 27. Februar 1869, und seiner Einschätzung des Werks im Brief an Engels vom 1. März 1869, erstellt. Zum einen ist es unwahrscheinlich, dass er das Werk gegenüber Engels so umfassend bewertete, ohne es vorher genau studiert zu haben. Zum anderen gab Marx Engels auch mehrmals zu verstehen, dass er die Leihgabe schnell zurückschicken würde. Bereits am 25. September 1868 betonte er dies: „Moore muß mir aus seiner Leihbibliothek Foster ‚On Exchange‘ schicken, da es nicht hier in der Bibliothek. Ich schick es gleich zurück.“ Und am 15. Februar 1869 wiederholte er: „Vergiß nicht mir as soon as possible Fosters ‚Foreign Exchanges‘ zukommen zu lassen. Ich werde es sofort nach Durchlesung returniren.“ (MEGAdigital.) Das vorliegende Exzerpt zeigt also, wie schnell Marx ein Buch vollständig exzerpieren und bewerten konnte. Auch die vielen langen eigenen Kommentare, die Marx im Exzerpt macht, gingen ihm offenbar leicht von der Hand.

15Im Brief an Engels vom 1. März 1869 gab Marx zwei Gründe an, aus denen Fosters Buch „f. seine Zeit bedeutend“ sei: „Erstens weil darin die Ricardosche Theorie völlig entwickelt ist, u. besser als bei Ricardo – über Geld, Wechselkurs etc. Zweitens weil man hier sieht, wie die Esel, B.o.E., Committee of Inquiry, Theoretiker sich abarbeiteten an der Aufgabe: Engld debtor to Ireland. Trotzdem beständig Wechselkurs gegen Irland u. Geld von Irland nach Engld exportirt. Foster löst ihnen das Räthsel: nämlich die Depreciation des irischen Papiergelds.“ (Marx an Engels, 1. März 1869.) Weil Irland zu dieser Zeit ein Gläubiger Englands war, hätte der Wechselkurs laut der Theorie der realen Wechselkurse für Irland günstig sein müssen, aber stattdessen erhöhte Irland seine Importe aus England. Marx schätzte an Fosters Theorie der nominalen Wechselkurse, dass sie Phänomene interpretierte, die nicht durch die etablierte Theorie der realen Wechselkurse erklärt werden konnten. Aber Marx wandte zugleich ein, dass William Petty und Blake die Unterscheidung zwischen nominalem und realem Wechselkurs bereits getroffen hatten: „Allerdings hatte 2 J. vor ihm (1802) Blake diesen Unterschied zwischen nominellem u. reellem Wechselkurs völlig klar gelegt, worüber übrigens Petty – nur vergaß man die Sache wieder nach ihm – alles Nöthige gesagt hatte.“ (Ebenda.) Marx irrte sich hier allerdings im Erscheinungsjahr von Blakes „Observations on the Principles which Regulate the Course of Exchange“, die 1810 und damit sechs Jahre nach Fosters Buch erschienen sind. In den vorliegenden Exzerpten befinden sich weitere relativ ausführliche und vornehmlich kritische Kommentare von Marx zu Fosters Überlegungen. Aus den Exzerpten, in denen Marx Fosters Auffassungen eingehend als „currency principle delusions of International Commerce“ (S. 40) kritisiert, geht deutlich hervor, dass Marx Fosters Erklärung des für Irland ungünstigen Wechselkurses durch die abgewertete Papiergeldwährung in Irland nicht geteilt hat. Die Formulierung im Brief an Engels vom 1. März 1869 „Foster löst ihnen das Räthsel“ könnte den Eindruck erwecken, dass Marx mit Fosters Argument einverstanden gewesen wäre. Allerdings wollte Marx zum Ausdruck bringen, dass Foster lediglich für die „die Esel, B.o.E., Committee of Inquiry, Theoretiker“, aber nicht für ihn selbst, eine akzeptable Erklärung der Handelsungleichgewichte zwischen England und Irland entwickeln konnte.

16Das etwa 200-seitige Buch Fosters besteht aus einem Vorwort, sechs Kapiteln und einem Anhang mit acht statistischen Tabellen. Marx exzerpiert aus allen Kapiteln, dem Vorwort und dem Anhang, wobei die Hälfte seiner Exzerpte den ersten beiden Kapiteln entnommen ist und seine Kommentare sich auf das erste und das fünfte Kapitel konzentrieren. Die Marx’schen Unterstreichungen im Exzerpttext gehen häufig auf Hervorhebungen zurück, die sich schon im Buch befinden. Marx setzt in seinen Exzerpttexten zudem einige Unterstreichungen und Ausrufezeichen. Sofern sich diese nicht in der Quelle befinden, sondern genuin von Marx eingefügt wurden, wird dies in den Erläuterungen mitgeteilt.

17Wie Foster in seinem Vorwort feststellt, werden im vorliegenden Buch die Schuldenbilanzen und die Unterschiede der Währungen oder Wechselkurse zwischen England und Irland behandelt. Im ersten Kapitel erörtert Foster die „General Nature and Effects of the Balance of Debt“ und Marx exzerpiert auszugsweise die Definitionen von „balance of trade“, „balance of debt“ und dem Überschuss der Exporte über die Importe (S. 37). Fosters weist in diesem Abschnitt auf Henry Thorntons „An Enquiry into the Nature and Effects of the Paper Credit of Great Britain“ (London 1802) hin. Marx exzerpierte diese Schrift 1851 in Londoner Heft VI (MEGA² IV/7. S. 506–527), aber das nun aus Foster notierte Zitat daraus übertrug er damals nicht. Bei der Einschätzung von Fosters Buch im Brief an Engels vom 1. März 1869 datierte Marx Blakes 1810 erschienene Schrift fälschlicherweise auf das Jahr 1802 und verwechselte dies möglicherweise mit Thorntons Schrift aus diesem Jahr. Über die gesamten Exzerpte hinweg richten sich Marx’ Kommentare zumeist gegen Fosters „currency principle“, das heißt die von ihm vertretene Fassung der Quantitätstheorie des Geldes. Gleich zu Beginn exzerpiert Marx die Aussage, dass, bei gleicher Zirkulationsgeschwindigkeit, je mehr Zirkulationsmittel („circulating medium“) es in einem Land gäbe, „the less value any given portion of it must obviously become“ und bezeichnet diesen Zusammenhang als „der Humesche etc Unsinn“ (S. 37). Bei seiner Untersuchung der Beziehung zwischen der Handelsbilanz und dem Wechselkurs beschreibt Foster eine Korrespondenz zwischen Edelmetall- und Warenexporten. Nachdem Marx diese Ansichten unterstreicht und zusammenfasst, verwirft er Fosters Ideen: „Seine Meinung ist, daß specie exported must be bought back to fill the void caused in the circulating medium by the specie export. Dieß ist die echte Currency Scheisse!“ (S. 38.)

18Foster führte die Aufwertung des irischen Wechselkurses gegenüber dem Londoner auf die übermäßige Ausgabe von inkonvertiblen irischen Banknoten zurück, aber laut Marx zeige Fosters Erklärung des Handels zwischen England und Indien, „[w]ie sich alle facts verdrehn, im Kopf der currency principle Besessnen“ (S. 38). Marx führt aus: „Also obgleich beständig (constantly) silver poured into India from Europe for 100 years, the whole 18. century, trotz des beständigen Wachsens der Quantität von Silber in India, bleibt der relative Werth of silver verglichen mit Waaren […] niedriger in Europa. Und dieß führt Foster dafür als Beweis, daß mit der increase of the quantity of the precious metals their value must sink and that of commodities rise!“ (S. 38/39.) Daher stellt Marx ironisch fest, dass Foster eine Theorie bewiesen hat, die seinem „currency principle“ entgegengesetzt ist und er „mit Indien das Gegentheil von dem zeigt, was er zeigen will“ (S. 39). Außerdem beschimpft Marx das Foster’sche Währungsprinzip gleich drei Mal als „Eselsfuß“ (zwei Mal S. 39 u. S. 49). Im Zusammenhang mit seiner Kritik an John Ramsay McCulloch, dem Marx vorwirft, Fosters Argument „kopirt“ (S. 39), aber dabei die England-Kritik Fosters unterschlagen zu haben, konzentriert sich Marx auf Fosters Kritik an den irischen abwesenden Grundbesitzern („Absentees“), die meist in England lebten und sich auf die wirtschaftliche Entwicklung Irlands schädlich auswirkten. Wenig später bringt Marx auch seine Sympathie für Irland zum Ausdruck: „Und warum soll Irland den Engländern mehr zahlen als es ihnen schuldet?“ (S. 40.) In einer wieder gestrichenen Stelle spricht er auch von der „[s]auenglische[n] Regierung in Irland“, welche die Iren „aus eigner Tasche zu zahlen“ haben (S. 40).

19In relativ langen Kommentaren entwickelt Marx seine Kritik an Fosters „currency principle delusions of International Commerce“ (S. 40) weiter. Ein erster Kritikpunkt betrifft die Beziehung zwischen Zirkulationsmitteln und der Produktion. Foster behauptet, dass eine Knappheit an Zirkulationsmitteln eine ungewünschte Steigerung der Produktion hervorrufe, doch Marx wendet ein, dass dies theorieimmanent unlogisch sei: „Warum, in dieser Lausetheorie, sollte die scarcity of the circulating medium, statt an increase, not rather cause a decrease of production? The produce being decreased to a certain point, the relative scarcity of the circulating medium would be converted into sufficiency or even abundance.“ (S. 40.) Marx nimmt hier die umgekehrte Kausalität an: Wenn der Produktionsumfang abnimmt, verwandelt sich die Knappheit an Zirkulationsmitteln in einen Überfluss daran.

20Zweitens kritisiert Marx Fosters Ausführungen, dass ein englisches Darlehen („loan“) an Irland die irischen Exporte verringern oder die irischen Importe erhöhen würde. Ein englischer „loan“, so Foster, verursache eine Steigerung der Zirkulationsmittel in Irland, was nicht im irischen Interesse sei, da Foster unterstellt, dass mit steigenden Zirkulationsmitteln ein Anreiz zur Produktion in Irland wegfalle. Da ein englischer „loan“ die Zirkulationsmittel in Irland entwerte und daher keinen Gegenwert in Irland finde, kehre er wieder nach England im Austausch gegen englische Waren zurück. Marx wendet unter anderem ein, dass die Wirkungsweise von Auslandskrediten nichts mit „the state of the circulating medium, its expansion or contraction“ (S. 40) zu tun haben.

21Außerdem sei Fosters Angst „sehr überflüssig“. Denn soweit der „loan“ den Zahlungen an irische abwesende Grundbesitzer in England entspricht, führt Marx in längeren Kommentaren aus, behalte Irland sein Surplusprodukt und verkaufe es entweder in Irland oder tausche es gegen ein Äquivalent mit England, so dass England dann die Rente auszahle. Übersteigt der englische „loan“ an Irland die Zahlungen an irische abwesende Grundbesitzer in England, werde Irland Schuldner für die Zinsen auf das Darlehen. Überdies bemerkt Marx: „Die Creation dieses surplusproduce ist erzwungen durch die Existenz der Rente, due to the landlords. Sie ist nicht erzwungen, kein Geschöpf des absenteeism dieser landlords. Das produce will exist, ganz unabhängig von der balance of indebtedness zwischen England und Irland.“ (S. 40.) In einem eigenen Kommentar unterscheidet Marx verschiedene Formen, die der englische „loan“ annehmen kann (die Form von Bullion, die Form von Waren für den produktiven Konsum und die Form von Waren, die in Konkurrenz zur irischen Industrie stehen), die sich unterschiedlich auf die Entwicklung der irischen Wirtschaft auswirken (S. 40/41). Nach Marx müsste die Currency-Schule, der er Foster zurechnet, konsequenterweise behaupten „that no new demand springing up – no new effective demand = monied demand, – can increase production, hence capital, but can only depreciate the existing currency“ (S. 41). Da Marx der Currency-Schule kritisch gegenübersteht, ist davon auszugehen, dass er selbst diesen Zusammenhang nicht geteilt hat. Auch behauptet Marx, dass ein englischer Kredit in Form von Waren für den produktiven Konsum in Irland „will develop Irish production“ (S. 40).

22Drittens kritisiert Marx, dass Foster den Außenhandel nur als eine spezielle Beziehung zwischen England und Irland betrachtet, nicht von einem allgemeinen Standpunkt aus (S. 40/41), und schließlich viertens, dass Foster versucht, seine Theorie des nominalen Wechselkurses mit Fakten zu verifizieren, aber darin scheitert: „alle facts des Kerls haben nichts mit seiner Theorie zu thun.“ (S. 41.)

23Im zweiten Kapitel untersucht Foster die „Operation of the Balance of Debt upon Exchanges“. Wie bemerkt, exzerpiert Marx ein Zitat von Petty zur Unterscheidung zwischen realen und nominalen Wechselkursen (S. 42/43). An dieser Stelle beobachtet er bei Foster „wenigstens eine Konsequenz, welche die modernen currency men nicht zu ziehn wagten“ (S. 43). So wie Marx im Brief an Engels vom 1. März 1869 betonte, dass bereits bei Foster die Ricardo’sche Geldtheorie vollständig entwickelt sei, sieht er auch im Exzerpt schon bei Foster „verbotenus“ (S. 43) die spätere Theorie von Lord Overstone gegeben, das „currency principle“ auf die Ausgabe von Banknoten anzuwenden.

24Im dritten Kapitel erörtert Foster „Causes Unconnected with the Balance of Debt Regulating the Nominal Rates of Exchanges“. Hier äußert sich Marx ironisch zu Fosters Behauptung, dass das Handelsgefälle zwischen der Türkei und England dazu führt, dass Bullion verschickt wird: „Warum wird hiedurch nicht enforced sending out of more commodities, by enhancement in the value of gold, nach Fosters fancy?“ (S. 45.) Darüber hinaus untersucht Foster im vierten Kapitel „Causes and Effects of the Exchange between Great Britain and Ireland“ die Entwertung von Banknoten anhand von statistischen Daten, wie die des im oben erwähnten Berichts des „Irisch Currency Committee“ von 1804. Marx exzerpiert unkommentiert die sechs von Foster angeführten Belege: „1) A high and permanent excess of the market price, above the mint price of bullion“, „2) An open discount upon paper, as compared with coin“, „3) Exchange unfavourable to the country when computed in Banknotes“, „4) The entire disappearance of the smaller coin“, „5) An Exchange between the different parts of the same country whose circulating media are different“, „6) Near agreement of these different tests of depreciation“ (S. 45/46).

25Im fünften Kapitel befasst sich Foster mit einem „General Remedy for Unfavourable Exchanges“. Marx macht hier wieder eine abfällige Bemerkung über Fosters Quantitätstheorie des Geldes: „Die Beispiele die Foster immer giebt, wie reduction of currency by enhancing the cost of it (thereby sinking the price of commodities, and enforcing exports) zeigen nichts als wie vorgefaßte Theorie den Kopf umnebelt und die Thatsachen verdunkelt.“ (S. 50.) Das erste Beispiel, das Foster anführt, ist das eines Bankiers aus Edinburgh namens Mansfield. In der Beziehung zwischen der übermäßigen Ausgabe von Banknoten und dem Wechselkurs stellt Marx ein „quid pro quo in Mansfield’s Kopf“ (S. 50) fest, nachdem er die Ansichten dieses Bankiers zusammenfasst. „Er sollte dabei beweisen, daß der ungünstige Wechselkurs Effect des overissue. Jezt will er beweis, daß die contraction of issue effect des günstigen Wechselkurses! He proves neither the one nor the other.“ (S. 50.) Nach Marx wird auch das zweite Beispiel eines irischen Bankdirektors namens Colville von Foster im Sinne des „currency principle“ interpretiert (S. 50).

26Aus dem letzten Kapitel „Application of the Remedy in Ireland“ exzerpiert Marx nur kurz und hält zum Beispiel fest: „The Bank of Ireland does not possess a control over the circulating medium of the country.“ (S. 51.) Aus den acht statistischen Dokumenten des Anhangs exzerpiert Marx nur aus dem siebten „A Calculation to show why the Exchange should be about 1% higher in London than in Dublin, and why the Exchange in Dublin should be considered as the true Exchange“ (S. 51).

Charles Lyell: Principles of Geology

27Charles Lyell: Principles of Geology; or, the Modern Changes of the Earth and its Inhabitants Considered as Illustrative of Geology. 7. Ed., Entirely Rev. London 1847. (S. [52].)

28Der schottische Geologe Charles Lyell (1797–1875) war zwischen 1834 und 1836 sowie 1849 Präsident der Geological Society of London und unternahm geologische Forschungsreisen nach England, Frankreich, Italien und Nordamerika. Er begründete eine gegen die Katastrophentheorie von Georges Cuvier und William Buckland gerichtete, auf dem Prinzip des sogenannten Aktualismus oder Uniformitarismus beruhende Theorie der geologischen Entwicklung. Lyell stützte sich auf empirische Befunde vulkanischer Erscheinungen in der Auvergne, bei Neapel und auf Sizilien und gelangte so zu der Auffassung, dass geologische Veränderungen schrittweise und über große Zeiträume hinweg erfolgen würden. Unter der Voraussetzung, dass die geologischen Prozesse früher genauso abgelaufen seien wie heute, könne die Vergangenheit aus der Gegenwart erklärt werden. Dieses theoretische Konzept des sogenannten Aktualismus wird von ihm in seinem dreibändigen Werk „Principles of Geology, Being an Attempt to Explain the Former Changes of the Earth’s Surface, by Reference to Causes Now in Operation“ (London 1830–1833) entwickelt (siehe MEGA² IV/26. App. S. 709).

29Wie Marx in der Überschrift zu seiner kurzen Notiz zu Lyell angibt, las er die siebte Auflage der „Principles of Geology“ von 1847. Die erste Ausgabe des ersten Bandes erschien 1830, der zweite Band 1832 und der dritte Band 1833. Es wurde dann über einen Zeitraum von 45 Jahren elf Mal überarbeitet, bis die zwölfte Ausgabe im Jahr 1875 veröffentlicht wurde. Im Jahr 1864 notierte Marx in seinen bibliographischen Notizen zu den Katalogen Londoner Buchhändlern den Titel des vorliegenden Buchs gleich zwei Mal (MEGA² IV/18. S. 24.30 u. 28.9). Engels bezog sich in seinen Briefen an Marx vom 8. April und 20. Mai 1863 auf ein anderes Buch von Lyell „The Geological Evidences of the Antiquity of Man. With Remarks on Theories of the Origin of Species by Variation“ (London 1863) (MEGA² III/12. Br. 226.44–54 u. 240.25–34), das sich auch in Marx’ Bibliothek befand (MEGA² IV/32. Nr. 812). Außerdem interessierten sich Marx und Engels in den 1860er Jahren für die damaligen Debatten in der Geologie und diskutierten in den Briefen vom 7., 10. und 13. August 1866 sowie vom 2., 3. und 5. Oktober 1866 Pierre Trémaux’ Schrift „Origine et transformations de l’homme et des autres êtres“ (Paris 1865) und insbesondere seine Beziehung zu Cuvier und Darwin (alle Briefe in MEGAdigital). Marx fertigte 1878 umfangreiche Auszüge aus der dritten Auflage von Joseph Beete Jukes’ Schrift „The Student’s Manual of Geology“ (Edinburgh 1872) an, in dem das vorliegende Buch von Lyell häufig erwähnt wird (MEGA² IV/26. S. 139–679).

30Möglicherweise wurde über Lyell und seine „Principles of Geology“ auch während des Besuches von Marx bei dem Geologen John Roche Dakyns in Yorkshire im Juni 1869 gesprochen. Vom 25. Mai bis zum 14. Juni 1869 hielten sich Marx und seine Tochter Eleanor bei Engels in Manchester auf. Marx berichtete im Brief an seine Tochter Jenny vom 10. Juni 1869 ausführlich über eine geologische Exkursion durch Yorkshire. Möglicherweise entstand die vorliegende Notiz im Zusammenhang mit dieser Exkursion. Der Zeitungsausschnitt aus der „Daily News“ vom 20. Mai 1869 auf S. [0] des vorliegenden Hefts spricht für eine Benutzung des Hefts kurz vor Marx’ Abreise nach Manchester. Marx könnte das Buch von Lyell in Vor- oder Nachbereitung der Exkursion gelesen haben.

31Im vorliegenden Werk definiert Lyell die Geologie als „the science which investigates the successive changes that have taken place in the organic and inorganic kingdoms of nature: it inquires into the causes of these changes, and the influence which they have exerted in modifying the surface and external structure of our planet.“ (Lyell, Bd. 1, S. 1.) Mit „the causes“ sind hier verschiedene Kräfte gemeint, die Veränderungen an der Erdoberfläche bewirken, wie zum Beispiel Regen, Wind, fließendes Wasser und Erdbeben. Zum Prinzip des sogenannten Aktualismus erklärt Lyell, dass die Kräfte, die jetzt auf und in der Oberfläche der Erde wirken, in gleicher Weise und in gleichem Maße mit denen übereinstimmen können, die in früheren Epochen geologische Revolutionen bewirkt haben. (Ebenda, S. V.) In den Bänden zwei und drei versucht Lyell, diese Hypothese des Aktualismus anhand von geologisch beschriebenen Phänomenen zu illustrieren. (Ebenda, S. VI.)

32Das Besondere an der vorliegenden Notiz ist, dass es sich nicht um ein Exzerpt, sondern um eine kurze Zusammenfassung des gesamten Werks handelt, das 51 Kapitel auf 750 Seiten in drei Bänden umfasst. Unter Berufung auf die Fälle des Deltas des italienischen Flusses Po im fünfzehnten Kapitel sowie Sussex und Brighton im zwanzigsten Kapitel fasst Marx in eigenen Worten und mit Ergänzungen Passagen über steigende Meeresspiegel und Landgewinnung zusammen. Laut seiner Zusammenfassung lässt sich Folgendes „raisonniren“: „Es ist der Entwicklungsgang des Menschen von in der See gelegnem Land immer mehr sich nach dem Flachland\Fest[land] zu retiriren […]“. Und als eine Tatsache, die nicht nur in England, sondern auf der ganzen Welt bestätigt werden kann, fasst Marx zusammen: „entweder, wie bei Brighton, Land in See verwandelt und dann derselbe Ort neu erbaut weiter ab ins Land hinein, oder frühre See in Land verwandelt, und daher die Stadt (wie häufig am Podelta) etc tiefer ins Land hineingeschoben, d.h. weiter entfernt von ihrer ursprünglichen Lage an der See.“ (S. [52].)

Otto Hausner: Vergleichende Statistik von Europa

33Otto Hausner: Vergleichende Statistik von Europa. Bd. 2. Lemberg 1865. (S. [60]–[117].)

34Otto Hausner (1827–1890) war ein österreichischer Politiker. Nachdem er 1848 an den Revolutionen in Wien und Berlin teilnahm, verwaltete er seine Güter und beschäftigte sich mit Statistik und Kunstgeschichte. 1870 wurde er Mitglied des Lemberger Bezirksrats, 1873 Landtagsabgeordneter im Österreichischen Reichsrat und 1878 Abgeordneter im Österreichischen Reichsrat. Im vorliegenden Buch versammelte Hausner eine Vielzahl von Statistiken in tabellarischer Form über die europäischen Länder und Regionen. Seine Angaben umspannen etwa das 18. Jahrhundert bis 1865, beziehen sich aber hauptsächlich auf die 1850er und 1860er Jahre. Er versuchte, andere statistische Schriften zu kritisieren, wie zum Beispiel Georg Friedrich Kolbs „Handbuch der vergleichenden Statistik der Völkerzustands- und Staatenkunde“ (Zürich 1857). Er verzichtete auf „die von Kolb, Kuhn und Anderen befolgte geografische Methode, die einzelnen Staaten nach einander als Basis der verschiedenen Zahlenangaben zu betrachten“, und machte „die einzelnen Faktoren der Grösse und Macht, des Wohlstandes und der Bildung bis zu ihren kleinsten Verzweigungen zur Grundlage […], um welche die den einzelnen Staaten zukommenden Angaben gruppirt werden.“ (Hausner, S. I.)

35Marx exzerpierte das vorliegende Buch nach dem März 1869, aber es gibt kaum Anhaltspunkte, anhand derer der genaue Zeitpunkt näher bestimmbar wäre. Wahrscheinlich wurde Marx auf das Buch durch Sigismund Ludwig Borkheim aufmerksam, der am 14. November 1868 gegenüber Marx erwähnte, Hausners Bände zu studieren: „Einige Untersuchungen, die ich heute Morgen bei mir angestellt mit der Statistik (Hausner 2 B.) Quetelet 1 Bd quarto, setzen mich bereits in den Stand, die Rekrutirung 4 per Mille in Rußland vergleichsweise zu beleuchten.“ In der Folge lieh Marx sich die Bände aus, wie aus Borkheims Brief an Marx vom 1. April 1870 hervorgeht: „Bitte mir den Hausner 2 Bände mitzubringen; ich brauche ihn auf einige Tage.“ Marx verfügte also über die beiden Bände des vorliegenden Werks als Leihgabe von Borkheim, und die Exzerpte sind wahrscheinlich zwischen März 1869 und spätestens April 1870 entstanden.

36Die vorliegenden Exzerpte sind mit 57 Manuskriptseiten die umfangreichsten des vorliegenden Hefts. Marx exzerpiert vor allem Tabellen mit verschiedenen volkwirtschaftlichen Angaben für verschiedene europäische Länder. Die beiden Bände des Werks von Hausner umfassen etwa 1000 Seiten und bestehen aus fünf Kapiteln: Der erste Band enthält die drei Kapitel „Räumliche Verhältnisse“, „Bevölkerungsverhältnisse“ und „Politische Verhältnisse“, der zweite Band die Kapitel „Volkswirtschaftliche Verhältnisse“ und „Intellectuelle und moralische Beziehungen“. Marx exzerpiert nur aus dem vierten Kapitel „Volkswirtschaftliche Verhältnisse“. Er hält sich dabei nicht streng an die Kapitelüberschriften in Hausners Buch, sondern ordnet die Auszüge auf seine eigene Art an. Zunächst erstellt er eine ganz eigene Gliederung von 1) bis 6) mit Statistiken, die er aus unterschiedlichen Abschnitten des vierten Kapitels „Volkswirtschaftliche Verhältnisse“ entnimmt. Die vier Abschnitte des vierten Kapitels „Volkswirtschaftliche Verhältnisse“ sind bei Hausner „1. Landwirthschaft“, „2. Bergbau“, „3. Industrie“ und „4. Handel und Verkehr“. Marx exzerpiert zunächst aus dem ersten Abschnitt Landwirtschaft, und zwar erst aus dem Unterpunkt „E. Verteilung des Grundbesitzes“, kehrt aber in der Mitte seines Exzerpts zum Unterpunkt „D. Bodenwerth“ zurück. Danach exzerpiert er aus dem dritten Abschnitt Industrie aus dem Unterpunkt „E. Industrielle Bevölkerung“ zum Beispiel über das Verhältnis der industriellen Bevölkerung zur Totalbevölkerung, kehrt dann zum Anfang des ersten Abschnitts Landwirtschaft zurück und exzerpiert wieder bis „D. Bodenwerth“ und anschließend bis zum Ende „F. Wert des industriellen Production“ des dritten Abschnitts Industrie. Erst in der Folge orientiert er sich stärker an der Abfolge der Abschnitte im Buch, sich dabei aber auch nicht streng an Hausners Gliederung haltend. Aus dem vierten Abschnitt „Handel und Verkehr“ des vierten Kapitels exzerpiert er nicht. Darüber hinaus weist Marx in seinen Exzerpten kein einziges Mal eine Seite bei Hausner nach, weshalb vermutet werden kann, dass Marx nicht unbedingt beabsichtigte, später aus seinen Exzerpten zu zitieren, sondern er sich eher einen Überblick über die „Volkswirtschaftlichen Verhältnisse“ Europas verschaffen wollte.

37Auch kommentiert Marx gelegentlich die Ungenauigkeiten und Fehler der Statistik von Hausner, der allerdings selbst häufig auf die Mängel seiner Daten hinweist. Marx gibt zunächst zu bedenken, „daß Hausner unter Großbritannien, Irland und Malta einschließt“ (S. [60]). Und bevor er die Passagen exzerpiert, in denen Hausner die „Verteilung des Grundbesitzes“ in verschiedenen Ländern vergleicht, fasst er Hausners Hinweise auf seine Berechnungsmethode zusammen: Die Zahlen über die Verteilung des Grundbesitzes seien „wenig werth, weil nicht nur in dem einen Land blosse Baugründe eingerechnet (wie in Bezug auf England z.B. hier geschieht); ferner in dem einen die Zahl der Besitzungen, im andren (wie Oestreich z.B.) Die Besitzer selbst, deren Zahl immer bedeutend kleiner ist. Alle folgenden, darauf beruhenden Vergleichungen daher auch nur cum grano salis zu nehmen.“ (S. [60].) Weil sie auf jenen Angaben über die Verteilung des Grundbesitzes basiert, weist Marx darauf hin, dass das Verhältnis der Zahl der Grundbesitzer zum Flächenraum „essentiellement falsch“ (S. [61]) ist. Diese Einschätzungen halten Marx indes nicht davon ab, die entsprechenden Statistiken zu exzerpieren. An mehreren Stellen übernimmt er auch die Informationen und neuen Angaben (S. [99], [102] u. [103]), die Hausner am Ende seines Buchs in dem Abschnitt „Berichtigungen von Druckfehlern und Irrthümern und Zusätze neuer Angaben“ mitteilt.

38Hausner teilt die Länder nach der Größe ihres Grundbesitzes in drei Kategorien (groß, mittel und klein) ein, insbesondere was das Verhältnis der Großgrundbesitzer zu den Kleingrundbesitzern betrifft, aber für Großbritannien kommentiert Marx „ganz falsch!“ (S. [62]). Auch Hausners andere Statistiken, wie zum „Bodenwerth“ und dem Verhältnis der agrikolen Bevölkerung zur Totalbevölkerung, sind alle durch eine Einteilung in drei Kategorien (groß, mittel und klein) gekennzeichnet.

39Aus dem ersten Abschnitt „Landwirtschaft“ notiert sich Marx Angaben in tabellarischer Form über die „Ausdehnung des Bodenanbaus“, die „Vertheilung der angebauten Bodenfläche“ und das „Verhältniß des Ackerlands zur Gesammtoberfläche“. Darüber hinaus exzerpiert er Statistiken über Bodenerzeugnisse wie zum Beispiel Getreide und Reis, deren Wert und deren Ein- und Ausfuhr sowie das Verhältnis beider. Marx notiert Angaben zu siebzehn Bodenerzeugnissen, wobei „a) Getreide“ und „k) Oel“ noch einmal in weitere Unterpunkte – sieben Getreide- und drei Ölsorten – unterteilt sind. Er hält bezüglich des durchschnittlichen Jahreserzeugnisses von Getreide fest, „daß bei den folgenden Rubriken Haussner (1865) Venetien immer noch zu Oestreich zählt“ (S. [79]), denn mit dem Frieden von Wien war Venetien 1866 an Italien gefallen. Außerdem bemerkt Marx über das Verhältnis der Getreideproduktion zur Einwohnerzahl: „Hausner sagt selbst, daß diese Tabelle nichts taugt.“ (S. [80].) Bezüglich des Verhältnisses des Gerstenanbaus zum Gesamtgetreidebau weist Marx darauf hin, dass Hausner nur von „Kleindeutschland (Deutschland minus Preussen u. Oestreich)“ (S. [82]) spricht.

40Marx exzerpiert dann Statistiken über die Tierproduktion wie Pferde und Rinder, einschließlich der Tieranzahl pro Flächeneinheit und des Verhältnisses zur Einwohnerzahl. In diesen Exzerpten setzt Marx die einzige Randanstreichung der vorliegenden Exzerpte für den folgenden Satz: „In U. Kingd. 15 × mehr Rinder als in Norway, 11 × mehr als in Rußland.“ (S. [95].) Das Thema der Rinderhaltung in England und die daraus resultierenden Krankheiten bei den Tieren behandeln auch einige der Marx’schen Exzerpte im Heft „London. 1868“ (siehe Entstehung und Überlieferung zu „London. 1868“). Auch im „Großheft 1865/1866“ der „Hefte zur Agrikultur“ exzerpierte Marx aus mehreren Büchern über Tierhaltung und -zucht in der englischen Landwirtschaft (siehe MEGA² IV/18).

41Wie erwähnt, exzerpiert Marx auch aus dem Abschnitt Bergbau, aus dem er unter anderem Angaben zum Abbau von sechszehn Bergbauerzeugnissen entnimmt. Hausner gab selbst an, dass es sich bei der Statistik über den „Werth der Eisenproduction“ nur um grobe Angaben handeln würde, was Marx mit dem Ausdruck „Sehr ungenaue Ziffern!“ (S. [107]) festhält. Schließlich exzerpiert er Hausners Statistiken vom Anfang des dritten Abschnitt Industrie bis zum Ende „F. Totalwerth der industriellen Production“ (S. [117]). Er hält zum Beispiel fest, dass es 1861 in ganz Europa 129 849 stehende Dampfmaschinen gab, von denen sich 94 000 in Großbritannien befanden (S. [112]). Die Zahl der Fabrikarbeiter in Großbritannien gab Hausner mit rund 3,5 Millionen an (S. [115]).

42Marx’ Unterstreichungen im Exzerpttext gehen häufig auf Hervorhebungen in der Quelle zurück. Die langen Tabellen, die Marx aus Hausner in sein Heft überträgt, hat er, um Platz auf der Seite zu sparen, im Manuskript häufig in zwei oder drei nebeneinander stehende Teile geteilt. Zu diesem Zweck hat Marx den Tabellenkopf über den verschiedenen Teilen wiederholt. In der Darbietung des Edierten Texts wird die Marx’sche abweichende Tabellenaufteilung nicht reproduziert, sondern die Teile werden wieder zu einer Tabelle zusammengefasst, weshalb auf die Wiedergabe der wiederholten Tabellenköpfe verzichtet wird.

43Marx hat nicht diese Exzerpte nicht weiterverwendet.

Michael Thomas Sadler: Ireland; its Evils, and their Remedies

44Michael Thomas Sadler: Ireland; its Evils, and their Remedies: Being a Refutation of the Errors of the Emigration Committee and Others, Touching that Country. To which is Prefixed, a Synopsis of an Original Treatise about to be Published on the Law of Population; Developing the Real Principle on which it is Universally Regulated. 2. Ed. London 1829. (S. [118]–[130].)

45Michael Thomas Sadler (1780–1835) war ein englischer Ökonom und zwischen 1829 und 1832 Mitglied der Tories im britischen Parlament. Als Politiker setzte er sich für die katholische Emanzipation und eine Parlamentsreform ein. Außerdem leitete er als Sozialreformer und Philanthrop eine Parlamentskommission, die sich für die gesetzliche Begrenzung der Fabrikarbeitszeit für Jugendliche unter 18 Jahren auf zehn Stunden am Tag einsetzte. Bekanntheit erlangte er dadurch, dass er als einer der ersten Gegner der Bevölkerungstheorie von Thomas Robert Malthus auftrat. Zur gleichen Zeit wie seine Fabrikreformen begann Sadler, Malthus’ Bevölkerungstheorie zu kritisieren und sein Hauptwerk „The Law of Population: A Treatise, in Six Books“ (London 1830) vorzubereiten. Obwohl das vorliegende Buch dem „Law of Population“ vorausging, betrachtete Sadler es als Teil dieses großen Projekts. Er kritisierte hier den von Wilmot Horton vorgeschlagenen Auswanderungsplan nach Kanada als Maßnahme zur Bekämpfung der Armut in Irland und versuchte, stattdessen die Einführung von Armengesetzen zu rechtfertigen (siehe Yanagisawa Tetsuya: Radical Tory’s Views of Malthus: M. Sadler’s The Law of Population. In: The Kagawa University Economic Review. 2002 [auf Japanisch]). Unmittelbar nach seiner Veröffentlichung stieß das vorliegende Buch bei John Ramsay McCulloch und anderen auf heftige Kritik, und nach dem Erscheinen von „The Law of Population“ wurde die Bevölkerungskontroverse neu entfacht. Sadler wurde insbesondere durch Thomas Babington Macaulay in der „Edinburgh Review“ kritisiert und schrieb selbst eine Replik; auch Archibald Alison und andere schottische Konservative verteidigten Sadler im „Blackwoods Edinburgh Magazine“. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde auch die Statistik ernsthaft in die Sozialwissenschaften eingeführt und Alison und Sadler, aber auch politische Ökonomen wie John Ramsay McCulloch und Richard Jones versuchten, die Malthus’sche Bevölkerungstheorie mit Hilfe von Statistiken zu widerlegen. Zugleich muten sowohl das vorliegende Buch als auch „The Law of Population“ theologisch an; Worte wie „Gott“ und „Vorsehung“ werden häufig verwendet. Sadlers versuchte also, Malthus sowohl mit statistischen Angaben als auch von einem christlichen Standpunkt aus anzugreifen.

46Marx kannte Sadler schon seit seiner Reise im Sommer 1845 nach Manchester und exzerpierte „The Law of Population“ in Manchester Heft 2, den englischen Text dabei großenteils ins Deutsche übertragend (MEGA² IV/4. S. 101–118). Sein Interesse war offensichtlich dadurch geweckt worden, dass Engels in seinem Buch „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ die Tätigkeit der Parlamentskommission, die von Sadler geleitet wurde, positiv bewertet hatte (siehe MEGA² IV/4. App. S. 616). Aus diesen Exzerpten (MEGA² IV/4. S. 104) zitierte Marx später in Heft IV der „Ökonomischen Manuskripte 1861–1863“ im Kontext der Theorie des relativen Mehrwerts: „Das mathematische Prinzip, daß das Ganze der Summe seiner Theile gleich ist, wird falsch, auf unsren Gegenstand angewandt. Regarding labour, the great pillar of human existence, it may be said, daß das ganze Product der combinirten Anstrengung unendlich alles exceeds, was individuelle und disconnected efforts möglicher Weise erfüllen könnten. (p. 84. Michael Thomas Sadler, The Law of Population. t. I)“ (MEGA² II/3. S. 234). Besonders interessant ist, dass Marx dieses Sadler-Zitat, erweitert durch weitere Sätze aus seinem Manchester-Exzerpt, in der französischen Ausgabe des „Kapital“ in einer Fußnote anführte (MEGA² II/7. S. 282). In den ersten beiden Ausgaben des „Kapital“ hatte Marx Sadler noch nicht zitiert. Die weiteren Sätze, die Marx in dieser Fußnote der französischen Ausgabe des „Kapital“ auf Französisch wiedergab, lauten in seinen Exzerpten in Manchester Heft II: „Combinirte Arbeit producirt Resultate, welche individual exertion niemals bewirken kann. Wie die Menschheit daher in Zahl zunimmt, werden die Producte ihrer vereinigten Industrie bei weitem überschreiten den Betrag einer rein arithmetischen Addition calculirt on such an increase. […] In den mechanischen Künsten wie in den pursuits of science kann ein Mann mehr in einem Tag vollenden als ein einzelnes isolirtes Individuum in seinem ganzen Leben.“ (MEGA² IV/4. S. 103/104.) In der französischen Ausgabe zitierte Marx auch aus dem vorliegenden Buch, so dass sich behaupten lässt, dass Marx während der Vorbereitung der französischen Ausgabe des „Kapital“ begann, Sadler höher zu schätzen.

47Marx exzerpierte das vorliegende Buch wahrscheinlich nach dem Oktober oder November 1869, aber es gibt kaum Anhaltspunkte, anhand derer das genaue Datum näher bestimmbar wäre. Marx beschäftigte sich zu dieser Zeit eingehender mit Irland, auch wegen der neuen Intensität des nationalen Befreiungskampfes in Irland. (Siehe zum Beispiel Marx an Engels, 1. März 1869.) Im Oktober/November 1869 las er sehr viel über die Geschichte Irlands und legte unter anderem das Heft „Hibernica 1869ff.“ an (es wird in MEGA² IV/21 veröffentlicht). In ihren Briefen diskutierten Marx und Engels zwischen 1867 und 1870 häufig über Irland. Auch Engels beschäftigte sich im Oktober/November 1869 mit der Irlandfrage, in Vorbereitung auf sein geplantes Werk einer „Geschichte Irlands“. Er suchte nach den Schriften von Arthur Young „A Tour in Ireland“ (London 1780) und Edward Wakefield „An Account of Ireland, Statistical and Political“ (London 1812), wie er Marx am 22. und 24. Oktober 1869 wissen ließ: „Den Wakefield habe ich glücklich hier in meiner Subscription Library entdeckt – d.h. im Katalog, in der Wirklichkeit war er nicht zu finden. […] Überhaupt finde ich daß eine ganze Menge der Sachen die ich hier habe, besonders für die Zeit von 1500–1800 sehr brauchbar & einige sehr wichtig sind, so daß wenn Wakefield sich findet & Young aufgetrieben wird, ich fast nur noch ganz moderne Sachen brauchen werde. Sadler ist auch hier.“ (Engels an Marx, 24. Oktober 1869.) Vermutlich bezog sich Engels hier auf das vorliegende Irland-Buch von Sadler, und es ist möglich, dass auch Marx durch diesen Brief darauf aufmerksam wurde oder sich veranlasst sah, das Werk ebenfalls zu studieren. Möglicherweise exzerpierte Marx das vorliegende Buch also nach dem 24. Oktober 1869.

48Für seine Exzerpte zieht Marx die zweite Auflage von Sadlers Werk heran, das aus etwa 460 Seiten in fünfzehn Kapiteln besteht. Er übernimmt nicht Sadlers Kapiteleinteilung, sondern exzerpiert zunächst ohne eine nähere Unterteilung in Überschriften. Wahrscheinlich zu einem späteren Zeitpunkt hat er dann Stichpunkte, die zwar an den Text angelehnt, in dieser Form aber von ihm stammen, mit Rot- und Blaustift unterstrichen. Diese Stichworte werden in der Darbietung des Edierten Texts als Überschrift gewertet. Sie lauten: „Absenteeship“, „Emigration“, „Clearing“, „Agrarian and Public Outrages in Ireland“, „Large and small farms“ und „Ecclesiastical Confiscation as means of relief for Ireland“.

49Marx exzerpiert fast gleichmäßig aus dem gesamten Buch, wobei sich seine einzigen Kommentare auf Passagen des fünften und siebten Kapitels konzentrieren. Die Unterstreichungen im Exzerpttext gehen häufig auf Hervorhebungen in der Quelle zurück. Marx fügt seinem Exzerpttext auffällig viele Unterstreichungen und Randanstreichungen hinzu. Sofern sich die Unterstreichungen nicht in der Quelle befinden, sondern genuin von Marx eingefügt wurden, wird dies in den Erläuterungen mitgeteilt. Viele der Unterstreichungen und Randanstreichungen wurden mit Blau- und Rotstift, eine mit Grünstift angefertigt, was darauf hindeutet, dass sie wahrscheinlich nicht während des Exzerpierens, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, möglicherweise während der Vorbereitung der französischen Ausgabe des „Kapital“ entstanden sind. Möglicherweise lassen die vielen Randanstreichungen und Unterstreichungen mit den Farbstiften die Annahme zu, dass Marx die Exzerpte bereits nach dem 24. Oktober 1869 erstellt und sie dann später erneut durchgesehen hat. Auf S. [0] des vorliegenden Hefts notiert Marx das Datum vom 24. Mai 1872. Möglicherweise beschäftigte er sich zu dieser Zeit erneut mit Sadler.

50In seiner etwa 40-seitigen Einleitung kritisiert Sadler das Bevölkerungsprinzip von Malthus und stellt ihr sein eigenes Gesetz entgegen. Das von Marx exzerpierte Sadler’sche Gesetz besagt, dass die Rate des Bevölkerungswachstums sich invers zur Bevölkerungsdichte verhält: „The fecundity of human beings is, caeteris paribus, in the inverse ratio of the condensation of their numbers; and … the variation in that fecundity is effectuated, not by the wretchedness and misery, but by the happiness and the prosperity of the species.“ (S. [118].) Im ersten Kapitel erörtert Sadler den Zustand der irischen Bevölkerung, um Malthus’ Bevölkerungsprinzip zu kritisieren. Marx exzerpiert insbesondere die Statistik „Synoptical View of the Estimated Population of Ireland“ über die Bevölkerungsentwicklung in Irland zwischen 1672 und 1821. Sadler argumentiert, dass nur ein kleiner Teil der in England unter dem Vorwand des Malthus’schen Bevölkerungsprinzips gesammelten Spende für Lebensmittel in Irland ausgegeben wurde. In den Kapiteln 2 bis 4 analysiert Sadler anhand statistischer Daten das Verhältnis zwischen Bevölkerung und Produktion in Irland, insbesondere den Import und Export von Getreide. Marx exzerpiert die von Sadler wiedergegebenen Zitate über Irland von Autoren wie Edward Wakefield, William Petty, Arthur Dobbs, Arthur Young und Jonathan Swift. Wie bereits erwähnt, sind es unter anderem die Schriften von Wakefield und Young, auf die sich der Briefwechsel mit Engels bezieht. Außerdem exzerpiert Marx aus John Fosters Rede im britischen Unterhaus aus dem Jahr 1800, dass Irland sich schneller entwickelt als der Rest von Europa, und schreibt, mit Blaustift unterstreichend: „Besserung der Zustände während der kurzen Periode von 1782–1797.“ (S. [122].)

51Sadler untersucht im fünften Kapitel „Causes that Have Retarded the Further Improvement of Ireland“ hauptsächlich den Absentismus irischer Grundeigentümer („Absenteeship“), aber Marx schafft seine eigene Überschrift „Absenteeship“ (S. [122]) in Kombination mit Argumenten aus Sadlers sechstem Kapitel. Wo Sadler den Absentismus in der Zeit von Elisabeth und James I. beschreibt, fasst Marx in eigenen Worten zusammen: „Mit diesen confiscations, die stets die Sache in Hand of English proprietors brachten, beginnt Absenteeism, obgleich residency always Bedingung der investiture.“ (S. [122].) Und wo Sadler argumentiert, dass die irischen Bauern durch „Underletting, Exorbitant rents, clearings, &c.“ (Sadler, S. IV) verarmen, kommentiert Marx: „Und wie wenig das principle of population damit zu thun hat.“ (S. [123].) Hier betont Marx also, dass der Pauperismus in Irland nicht als Bestätigung für die Bevölkerungstheorie von Malthus anzusehen ist. Sadler erörtert dann im achten Kapitel die Auswanderungspolitik, die als Abhilfe für die Not in Irland vorgeschlagen wurde. Marx setzt wieder seine eigene Überschrift „Emigration“ und exzerpiert Sadlers Kritik an Malthus. Zu einer Passage, in der Sadler den freien Arbeiter der modernen Gesellschaft mit dem Sklaven im antiken Rom und im modernen Barbados vergleicht, gibt Marx seinen längsten theoretischen Kommentar des vorliegenden Exzerpts ab: „Der bloss historische Charakter des s.g. Populationsgesetzes zeigt sich am besten wenn man die moderne kapitalistische Gesellschaft vergleicht, sei es mit der antiken Welt, sei es mit modernen Sklavenstaaten. Was hier ‚redundant‘ ist, ist die freie Bevölkerung, während die arbeitende Sklavenbevölkerung nie genügt. Bei uns umgekehrt. Die Lohnarbeiter werden ‚redundant‘ erklärt (die Arbeitsbienen), niemals die Drohnen.“ (S. [124].) Hier bestätigt Marx den historischen Charakter seiner eigenen, im ersten Band des „Kapital“ formulierten Theorie der relativen Überbevölkerung: Erst in der modernen kapitalistischen Gesellschaft werden die Lohnarbeiter als „die Arbeitsbienen“, das heißt als die direkten Produzenten, überflüssig.

52Im achten Kapitel diskutiert Sadler die zweite als Abhilfe für die Not in Irland vorgeschlagene Politik, das „Clearing“. Marx exzerpiert von Sadler wiedergegebene Zitate aus Schriften von Thomas More und Frederick Morton Eden. Seine eigene Überschrift „Clearing“ erstellt er möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt mit Blaustift. Er rekonstruiert auch Sadlers Erörterung im vierten Abschnitt des achten Kapitels der Ursachen für die ständige Empörung und Rebellion in Irland. Wahrscheinlich später unterstreicht Marx doppelt das Stichwort „Agrarian and Public Outrages in Ireland“ mit Rot- und Blaustift und markiert dies so als seine eigene Überschrift. Marx exzerpiert auch Sadlers Beschreibung der Unterdrückung der Grundbesitzer und der Zusammenlegung von Agrarland sowie die Aussage, dass der in Irland verbreitete „Hass gegen den Protestantismus und Gvt.“ (S. [125]) daher rühre, dass beide, Protestantismus und die Regierung, von irischen Großgrundbesitzern unterstützt würden. Seine Exzerpte aus dem fünften und den folgenden Abschnitten des achten Kapitels bei Sadler unterstreicht Marx wahrscheinlich später mit Rot- und Blaustift zu seiner eigenen Überschrift „Large and small farms“ (S. [126]). Marx exzerpiert hier hauptsächlich Statistiken und Berichte über die Größe und Anzahl des Ackerlands sowie die Anzahl der Bevölkerung in jeder Region und Provinz.

53Im zehnten Kapitel erörtert Sadler eine weitere Politik zur Verbesserung der irischen Verhältnisse, die Enteignung von Kircheneigentum („Ecclesiastical confiscation“) (S. [127]). Wahrscheinlich später unterstreicht Marx das Stichwort „Ecclesiastical Confiscation as means of relief for Ireland“ mit Rot- und Blaustift und macht es auf diese Weise zu einer eigenen Überschrift. Seine restlichen Exzerpte bis zum Ende des Buchs bleiben ohne Überschrift. Hier exzerpiert Marx aus Sadlers chronologischer Darstellung (vom 14. bis zum 17. Jahrhundert) der Enteignungen von kirchlichem Eigentum und Armengesetze. Als entschiedener Anhänger der Armengesetze und Korngesetze diskutiert Sadler den Pauperismus in England und Frankreich im Kontext seiner Kritik an Malthus und seiner Verteidigung der „Corn laws“ zum Schutz der irischen Landwirtschaft. Marx exzerpiert diese Ausführungen zusammen mit verschiedenen Berichten und Statistiken.

54Marx hat die vorliegenden Exzerpte in der französischen Ausgabe des „Kapital“ im 25. Kapitel „Loi générale de l’accumulation capitaliste“ im fünften Unterpunkt „Illustration de la loi générale de l’accumulation capitaliste“ unter „f) Irlande“ verwendet. Marx verschärfte in der französischen Ausgabe des „Kapital“ seine Kritik an Thomas Robert Malthus (siehe MEGA² II/7. S. 18*) und fasste Sadlers „Ireland“ in einer Fußnote wie folgt zusammen: „L’Irlande étant traitée comme la terre promise du «principe de population», M. Th. Sadler, avant de publier son Traité de la population, lança contre Malthus son fameux livre: Ireland, its Evils and their Remedies, 2e éd. Lond, 1829, où il prouve par la statistique comparée des différentes provinces de l’Irlande et des divers districts de ces provinces que la misère y est partout, non en raison directe de la densité de population, comme le veut Malthus, mais, au contraire, en raison inverse.“ (MEGA² II/7. S. 622.37–42.) Die Kapitalakkumulation in Irland und der damit einhergehende absolute Bevölkerungsrückgang schienen auf den ersten Blick die Bevölkerungstheorie von Malthus zu bestätigen, aber für Marx veranschaulichte dieser Zusammenhang seine eigene Theorie der relativen Überbevölkerung. Außerdem wurde laut Sadler das Elend in Irland nicht durch eine Abnahme der Bevölkerungsdichte beseitigt, wie die Malthusianer behaupteten, sondern ganz im Gegenteil. Es ist wichtig zu bemerken, dass dieses Gesetz der kapitalistischen Akkumulation in Irland in der französischen Ausgabe des „Kapital“ noch stärker betont wird. Marx hat nicht nur das vorliegende Exzerpt, sondern zum Beispiel auch Auszüge aus dem „Report of the Relief Officer on the Wages of the Agricultural Labourers in Ireland“ (1870) in den Haupttext eingearbeitet, der in der zweiten Ausgabe des „Kapital“ nur in Fußnoten enthalten war. (Siehe Marx an Engels, 14. April 1870.) Die Illustration des allgemeinen Gesetzes der kapitalistischen Akkumulation in Irland hat Marx mithilfe von Sadlers Statistik angereichert.

Zeugenbeschreibung

    • H Originalhandschrift: IISG, Marx-Engels-Nachlass, Sign. B 114/B 106.
    • Beschreibstoff: Schreibheft aus weißem Papier, 135 Seiten.
    • Zustand: Gut erhalten.
    • Schreiber: Marx.
    • Schreibmaterial: Schwarze Tinte, Blaustift, Rotstift, Grünstift.
    • Paginierung: S. 1 bis 51 und S. 132 von Marx paginiert.
    • Vermerke fremder Hand: Archivstempel IISG, Sign. B 106; Signaturvermerk mit Bleistift: DU und DU0.

Zitiervorschlag

Sumida, Soichiro; Graßmann, Timm: Entstehung und Überlieferung zu „Heft II. 1869“. Exzerpte aus Werken von Friedrich Ernst Feller/Carl Gustav Odermann, John Leslie Foster, Charles Lyell, Otto Hausner und Michael Thomas Sadler sowie ein Zeitungsausschnitt. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital, hg. v. der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://megadigital.bbaw.de/exzerpte/intro.xql?id=M0001261. Abgerufen am 19.03.2024.