| Hannover, 17. Juli 1869
Mein hochverehrter, lieber Freund!
Kurz nachdem ich Ihnen zuletzt geschrieben, hatte
Engels die Freundlichkeit sich meiner zu
erinnern und mir sein u. Wilhelm Wolff.
Schließen Lupus Bild zu
schicken. – Er eröffnete mir die erfreuliche Perspective, daß er vielleicht Marx reiste von Anfang September bis 11. Oktober
nach Deutschland, wo er auf der Hinreise u. a. Karl Philips in Aachen,
Paul Stumpf in Mainz, Joseph Dietzgen in Siegburg besuchte, und am
17.
oder 18. September in Hannover bei Kugelmanns
eintraf. Etwa am 7. Oktober erfolgte die Rückreise nach London über
Hamburg, um seinen Verleger Otto Meißner zu treffen. Siehe Marx
an Engels, 25.9.1869 und Marx Chronik
(1934).
Schließen während Ihrer Anwesenheit in Deutschland, wenn ich ihm unsern Aufenthalt
anzeigte, mit uns zusammen sein würde. –
Siehe Marx an L. Kugelmann,
15.7.1869.
Schließen Ihr heute empfangener
Brief hat mich in Besorgniß u. Unruhe
versetzt. – Nach Ihrer früheren Mittheilung durfte ich die Hoffnung hegen, daß
der hauptsächlichste Theil Ihres u. Ihrer lieben Jenny Besuches uns zugedacht wäre u. daran läßt mich Ihr letztes
Schreiben zweifeln. Ich weiß, daß an alle dem meine fatale Krankheit etc. schuld
ist, die mich zwingt, Ihre ursprünglichen Reisepläne zu durchkreuzen, ein
Umstand der mich halb unglücklich macht. Wie Sie aus L.
Kugelmann an Engels,
13.7.1869.
Schließen meinem Briefe an Engels ersehen können habe ich
meinen Plan, nach Helgoland zu gehen, aufgegeben u. mich endgültig für Karlsbad
entschieden, wohin ich Mitte August abzureisen u. Mitte
September wieder hier zu sein gedenke. – Da ich mit
Bestimmheit Gallensteine zu haben glaube, so fürchte ich, dies Übel noch weiter
einreißen zu lassen, das für die Folge vielfache Gefahren herbeiführen kann. –
Helgoland wäre mir, namentlich wegen meines Hamburger Zusammenseins mit Ihnen,
erwünschter gewesen, aber nach meiner u. geschätzter Collegen Überzeugung, muß
ich doch Karlsbad vorziehen.
| 2 Ihre öfteren Klagen über Leberbeschwerden
lassen mich hoffen, Sie werden mich von vorn herein dorthin begleiten, um mit
mir eine richtige Cur dort durchzumachen. – Lassen Sie sich durch mein Beispiel
warnen u. erschöpfen Sie Ihre herculische Gesundheit nicht erst so weit, daß Sie
nur durch heroïsche Mittel sich wieder einigermaßen regeneriren können. Will
Fräulein Jenny uns begleiten, so wollen wir uns gemeinsam bemühen, daß der
Aufenthalt in Karlsbad ihr auch ohne Mühlbrunnen u. Sprudel einigermaßen
genießbar werde. – Die Lage Karlsbads und seine Umgebung soll außerordentlich
anziehend u. angenehm sein, so daß unsere liebenswürdige Begleiterin durch
fleißige Bewegung in schöner frischer Luft auch für sich Erfrischung in
physischer Beziehung finden wird. – Ich breche hier dieses Thema ab, um nicht in
den Ton des
Badeschriftstellers
zu verfallen. – Bitte lieber Freund überlegen Sie sich diesen Vorschlag allen Ernstes, dann aber kommen Sie nicht im Septbr.,
sondern so zeitig, daß wir zusammen Mitte August von
hier abreisen können. – Nach vollendeter Cur, werde ich von dem Vortheile, daß
wir hier keine
Habeas
corpus-Acte besitzen profitiren u. Sie
beide nolens volens wieder mit hierher nehmen, denn von den
uns einmal für Hannover zugesicherten 4 Wochen erlasse ich Ihnen auch nicht
eine Stunde. – Sie sollen hier dann recht hübsch gepflegt werden, damit
Sie nicht zu sehr durch Karlsbad „entleibt“ im Lande des Roastbeef u. Porter
wieder erscheinen. – Sollte es, wie ich nochmals wiederhole,
| 3 Ihrem lieben
Töchterlein genehmer sein, uns hier in Hannover wieder zu erwarten, so wird
meine Frau sich glücklich schätzen, sich um
so länger einer so lieben u. so sehnlich gewünschten Gesellschaft erfreuen zu
können. –
Sollten Sie mir den unkritischen Einwand machen wollen, Sie könnten Ihre Arbeiten nicht so lange unterbrechen, so bemerke ich im Voraus, daß Sie mit verbesserter Gesundheit auch intensiver u. frischer schaffen können (s. Marx loco citato über Extensität u. Intensität der Arbeit) und daß es besser ist zur Vermeidung langer Unterbrechungen durch Krankheit, kurze Unterbrechungen für deren Verhinderung zu machen. –
Lassen Sie mich, lieber Freund, um nicht noch zu all den Fatalitäten, die Hämorrhoïden u. Gallensteine mir überhaupt seit länger als 20 Jahren u. speciell in diesem Jahre, schon bereitet haben, noch die neue Calamität bitter beklagen, daß mir dadurch die große Freude Ihres lieben Besuches beeinträchtigt wird. –
Meine Frau ist heute auf 14 Tage mit Fränzchen zu ihren Verwandten nach Bielefeld gereist, sonst würde sie sicher mitgeschrieben haben. –
Die frühere Der
am 11. August 1869 anonym in der demokratischen Tageszeitung „Die Zukunft“ erschienene
Artikel „Karl
Marx“ war die erste von Engels verfasste biographische Skizze
über Marx (Siehe Friedrich Engels:
Karl Marx. Eine biographische Skizze. (MEGA2 I/21. S. 77–82).
Schließen Biographie hat
Engels schon seit einigen Tagen wieder
in Händen, sobald ich die neue habe, wird meine Frau dieselbe copiren, damit ich diese Abschrift dann nach
Berlin schicken kann. –
Was hat denn Ihrer Laura gefehlt? Sie müssen mir über solche Vorkommniße nicht so allgemein schreiben, damit ich mir eine ordentliche Vorstellung davon machen kann. –
| 4
Siehe W.
Bracke an Marx, 11.11.1869.
Schließen Bracke
jr in Braunschweig (ein wohlhabender
junger Kaufmann) erbat sich jüngst von mir Ihre Adresse um
von der Internationalen Unterstützung der anti-Schweitzerschen Agitation (pecuniäre nämlich) zu erlangen. – Ich
gab ihm die Adresse, suchte aber seine, anscheinend großen Hoffnung sehr
abzukühlen. –
Marx hielt sich von Donnerstag, den 8. Juli bis
Montag, den 12. Juli 1869 bei Laura und Paul Lafargue in Paris
auf.
Schließen Konnte Ihr Besuch in Paris
Ihnen nicht große Unannehmlichkeiten bereiten?
Grüßen Sie Ihre Damen herzlich und geben Sie mir recht, recht bald eine Antwort, wie diese sehnlichst erwartet
Ihrtreu ergebener
L. Kugelmann
Dr
Zeugenbeschreibung und Überlieferung
Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.
Zeugenbeschreibung
Soweit aus der Fotokopie zu ersehen ist, besteht der Brief aus einem Bogen weißem, jetzt leicht vergilbtem Papier. Prägung: „Dr. L. Kglm.“. Kugelmann hat die vierte, erste und zweite Seite vollständig, die dritte Seite zur Hälfte beschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.
Von unbekannter Hand: Nummerierung der beschriebenen Seite mit Bleistift: „64a–d“
Zitiervorschlag
Louis Kugelmann an Karl Marx in London. Hannover, Samstag, 17. Juli 1869. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0001109. Abgerufen am 19.04.2024.