| Sehr geehrter Herr!

 Siehe Minutes of the General Council, July 13, 1869 (MEGA2 I/21. S. 674 u. S. 1957, Erl. 674. 13-14) und W. Liebknecht an Karl Marx, 7.7.1869.
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Auf Veranlassung Liebknechts wende ich mich an Sie um Sie zu bitten Ihren Einfluß bei den englischen Gewerksgenossenschaften für uns geltend zu machen.

Seit dem Jahre 1863 haben wir Cigarrenarbeiter einen Verein der im Anfange sich auf Leipzig beschränkte später zu einen nationalen und in der letzten Zeit zu einen internationalen um gestaltet wurde. Die Zwecke des Vereins sind dieselben wie die der englischen Trates Unions und es hat derselbe allen andern, auch den von Liebknecht gegründeten, als Muster gedient. Der Verein zählte im vergangenen Jahre 9861 Mitglieder und zahlte über 9000 Reichsthaler Reiseunterstützungen (zum größten Theil an Arbeitseinsteller) ferner ca 6000 reichstaler directe Unterstützung an Strikende, desgleichen 650 reichstaler Sterbegelder, hat seine eigene Zeitung, die, auf je 10 Mitglieder 1 Exemplar gratis vertheilt wird wodurch es uns gelungen ist die Mehrheit, ja wohl fast alle Mitglieder zu Social Demokraten heran zu bilden und so auf die andern Arbeiter einwirkend einen Verband von Gewerksgenossenschaften zu bilden.

Augenblicklich sind wir aber in eine mißliche | Lage gerathen. In Leipzig findet eine Arbeitseinstellung von Mitgliedern des Vereins statt und obgleich wir wöchentlich 1000 reichstaler brauchen um die Strikenden zu unterstützen so sind wir doch im Stande dies auszuhalten um aber zu siegen ist dies ungenügend. Die Leipziger Fabrikanten beschäftigen in verschiedenen kleineren Ortschaften um Leipzig mehr Cigarrenarbeiter als Leipzig selbst und so ist es ihnen möglich den nöthigsten Bedarf zu beschaffen. Die Arbeiter in den betreffenden Commanditen gehören zu uns und sind nur unseres Winkes gewärtig gleichfalls die Arbeit niederzulegen aber hierzu reichen unsere Mittel nicht aus denn schon sieben Wochen hält der Strike an Dr. Schweitzer als Präsident des Arbeiterschafts Verbandes hätte, wenn auch nicht die statutenmäßige so doch die moralische Verpflichtung gehabt für die glückliche Durchführung des Strike thätig zu sein. Es hätte nur eines zündenten Aufrufes von ihm bedurft und wir hätten wöchentlich 1000 reichstaler durch Beiträge anderer Gewerksgenossen erhalten dadurch wären wir stark genug gewesen die Commanditen der von Strike betroffenen Fabrikanten lahm zu legen und hätten vielleicht gegen 3000 reichstaler sparen können. Er hat es nicht gethan und das wird seinen Sturz herbeiführen zumal wenn uns durch Vermittelung der von ihm heim | lich bekämpften „Internationalen Association“ die Hülfe unserer englischen Brüder zu theil wird. Unser Ersuchen geht nun dahin Sie möchten sich im Interesse der ehrlichen Social Demokratie in Deutschland bei den Englischen Trates unions dahin verwenden daß uns von denselben eine Summe von 3000 Rth. auf eine bestimmte Zeit geliehen werde damit wir mit den gehörigen Nachdruck vorgehen können. Soll es etwas helfen muß die Hülfe schnell kommen damit der Geist der Feiernden ein so guter bleibe wie bisher. Von den 460 Strikenden haben in sieben Wochen nur sieben Mann die Arbeit wieder aufgenommen und dies sind Individuen die im Zuchthaus herangebildet worden sind. Von anderen Orten ist auch nicht ein Mann zugereist das ist gewiß ein Zeichen von dem Ernst und der Ehrlichkeit die in den Cigarrenarbeitern wohnt und bürgt somit auch für die pünktliche Rückzahlung. Außerdem besitzen wir, um gemaßregelte Mitglieder dauernt zu unterstützen, eine Genossenschafts Fabrik zu Berlin, die ca 5000 reichstaler Betriebskapital besitzt und somit bietet auch diese Garantie für Erfüllung unserer Verbindlichkeiten.

Nochmals, es würde den internationalen Bestrebungen der Arbeiter nur förderlich sein wenn wir durch Ihre werthe Vermittelung solch eine Anleihe | machen könnten. Daß Sie den besten Willen haben werden für die Sache thätig zu sein davon bin ich fest überzeugt und so richte ich nur noch die Bitte an Sie, doch ja recht schnell zu thun was in Ihren Kräften steht.

Mit vorzüglicher Hochachtung

FWFritzsche
Präsid. d. Allg. Tabak & Cigarrenarbeiter Vereins d. Z. Leipzig
Sternwartestraße
No 11.

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Zeugenbeschreibung

Soweit aus der Fotokopie zu ersehen ist, besteht der Brief aus einem Bogen weißem, leicht vergilbtem, kariertem Papier. Auf allen Seiten scheint der Text der Rückseite durch, was die Lesbarkeit aber nicht sonderlich beeinträchtigt. Fritzsche hat die ersten drei Seiten vollständig, die vierte Seite zur Hälfte beschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Archivsignatur des Moskauer Marx-Engels-Instituts (IMĖ) auf den ersten drei beschriebenen Seiten oben links mit Bleistift: „Rj 135a–c“.

 

Zitiervorschlag

Friedrich Wilhelm Fritzsche an Karl Marx in London. Leipzig, Sonntag, 11. Juli 1869. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0001096. Abgerufen am 19.04.2024.