| Geehrter Herr Marx!

Bereits vor einigen Wochen gestattete ich mir, wegen des internationalen Vereins für Buchbinder und verwandte Geschäftszweige  E. Werner an Marx, 12.4.1869.
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an Sie zu schreiben
und mir Ihren gefälligen Rath über die Agitation für denselben in Brittannien oder, falls die Buchbinder dort schon organisirt sind, über die Anbahnung eines Verkehrs mit denselben zu erbitten.

Da ich bis jetzt noch ohne Ihre Antwort bin und der Verlust dieses Briefes nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit liegt, das mir geschenkte Vertrauen mich zu regster agitatorischer Thätigkeit verpflichtet, ich auch hierzu jetzt noch, da die Verwaltungsgeschäfte des Vereins noch nicht so umfangreich sind, die beste Zeit habe, so bin ich so frei, hiermit meine Bitte zu wiederholen, indem ich Sie zugleich ersuche, mir gefälligst die Adressen der Bureaus des internationalen Arbeiterbundes der nichtdeutschen Länder des Continents mitzutheilen, damit ich durch deren Vermittelung mit meinen Berufsgenossen Verbindungen anknüpfen kann.

Eine ausgedehnte internationale Verbindung wird für den Buchbinderverein das wirksamste Mittel gegen Hineintragen des ekelhaften Partheihaders, welcher gegenwärtig die deutschen Arbeiter in vier feindliche Lager spaltet, sein, deshalb halte ich es, soviel man mir dies auch bestreitet, für gerathen, bei der Agitation auf das Ausland dasselbe Augenmerk zu richten, wie auf Deutschland. Zudem glaube ich, die bereits bestehende Trennung meiner Collegen in Gewerkschaften nach Schweitzer’schem und Hirsch-Duncker’schem Musterstatut, die jedoch noch nicht viel Anhänger gewonnen haben, dadurch aufzuheben und zwar in aller Güte, daß ich ihnen die hohe Bedeutung eines internationalen | Verbandes durch die That vor Augen führe.

Ebenso hoffe ich, die Mitglieder des Vereins mit der Zeit der internationalen Arbeiterassociation zuzuführen, wie dies bereits mit einer Anzahl der hiesigen geschehen ist.

Ich darf aus diesen Gründen wohl der baldigsten Erfüllung meiner Bitte entgegensehen.

Zugleich gestatte [ich] mir, Ihnen mitzutheilen, daß sich hier eine Section des internationalen Arbeiterbundes constituirt hat, dem Mitglieder aus dem Cigarrenarbeiterverein, Allgem. Deutsch. Arb. Ver., Arbeiterbildungsver., Buchdruckerverbande und internat. Buchbinderverein gehören und die monatlich zwei Zusammenkünfte hält. Der hiesigen Polizeigewalt dürfen wir es natürlich nicht so auf die Zähne binden, sondern gehen kneipen. Daß die Mitgliederzahl bald eine viel stärkere wird, dafür bürgen uns die hiesigen Verhältnisse. So Mancher Arbeiter wäre froh, sich an der Bewegung zu betheiligen, allein auf der einen Seite schreckt ihn der Fanatismus und das terroristische Gebahren der Lassalleaner und deren Götzendienst mit Schweitzer, Mende und Hatzfeldt zurück, auf der anderen kann ihm die Lauheit der  5. Vereinstag der Arbeitervereine in Nürnberg 5./7. September 1868.
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Nürnberger Majorität
in socialen Fragen und deren Cocettiren mit der Bourgeoisie, wenn auch politisch-radicalen, socialistisch ziemlich zopfig, keineswegs genügen, so daß Viele unser Vorgehen mit Freuden begrüßen. So sind schon eine Anzahl Buchbinder dafür gewonnen und werden noch viele hinzukommen, wie sich in den letzten Tagen einer der intifferentesten Berufsstände gefunden hat, der mit der Zeit für die Sache wesentlich nützen kann.

Es hat nämlich eine Anzahl hiesiger Dienstmänner und Packträger, die es müde waren, sich von den Unternehmern ausbeuten zu lassen, beschlossen, eine Handarbeiter-Genossenschaft zum selbstständigen Betriebe des Packträgergeschäftes zu gründen und wird diese am dritten Pfingstfeiertage ihre Thätigkeit | beginnen. Der Vorsitzende dieser Genossenschaft hat sich nun bereits bereit erklärt, nicht nur selbst zur Section zu treten, sondern auch seine Leute dafür zu gewinnen.

So kommt eine Berufsklasse nach der andern und wir dürfen sicher hoffen, ohne besondere Agitation bald in Leipzig Herr der Bewegung zu sein.

 Laut Die I. Internationale in Deutschland (1964). S. 352: Brief von Ernst Werner an J. Ph. Becker, 12. April 1869.
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Herrn Becker habe [ich] bereits die nöthigen Mittheilungen gemacht.

Soll jedoch das wahre Ziel erreicht werden, so ist es nothwendig, daß die Mitglieder gehörig gebildet werden, daß die einseitige Erziehung des „Social-Democrat“ etc. beseitigt werde und dazu bedürfen wir guter Schriften.

Ich ersuche Sie daher Namens der Mitglieder, uns eine kleine Anzahl sowohl Ihrer Producte ( Karl Marx: Das Kapital. Bd. 1. Buch 1. Hamburg 1867. Siehe Erl. zu Marx an J. Ph. Becker, zw. 9. u. 15.1.1866: „1200 Seiten Manuscript“. (MEGA2 II/5).
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Capital
etc.) sowie andere gute Sachen zu schicken, damit solche verkauft werden können und werden Sie baldigst den Betrag erhalten.

Ihrer freundlichen Erwiderung sehe ich in Bälde entgegen

& begrüße Sie

achtungsvoll
Ernst Werner

Leipzig d. 28./5 1869.

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Zeugenbeschreibung

Soweit aus der Fotokopie zu ersehen ist, besteht der Brief aus einem Bogen bläulichem Papier. Werner hat die ersten zwei Seiten vollständig, die dritte zur Hälfte beschrieben; die vierte Seite ist leer. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Archivsignatur des Moskauer Marx-Engels-Instituts (IMĖ) auf allen beschriebenen Seiten oben links: „Rj 121a–c“.

Von unbekannter Hand: Datumsvermerk mit Bleistift oben rechts auf der ersten Seite: „28/5 1869“.

 

Zitiervorschlag

Ernst Werner an Karl Marx in London. Leipzig, Freitag, 28. Mai 1869. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0001047. Abgerufen am 28.03.2024.