| 20 Rennwick str
care H. Hellmers
New-York City
20 april 1869

Lieber freund,

die arbeiter-bewegung geht hier unverkennbar rüstig vorwärts. Innerhalb der Trades-Union zeigt sich das bedürfnis, eine stärkere centralisation ein zu führen, um etwas durch setzen zu können. In der workingmen’s union, welche bestimmt ist, alle Trade’s Unions der stadt und umgegend auf zu nehmen (obgleich noch weit davon entfernt, alle zu umfassen) ist ein neuer plan beantragt, nach welchem die selbstständigkeit der einzelnen Trade’s-Unions zu gunsten des central-körpers beschränkt wird. – In einer außerordentlich stark besuchten massen-versammlung vor 3 wochen handelte es sich darum, die drucker zu unterstützen, welche eine höhere preis-skala angenommen hatten und bei dem meisten anwendern ihre forderung durchgesetzt hatten, während der meister, bei dem die arbeiten der stadt New-York gefertigt | werden, sich nicht gefügt hatte. Alle redner betonten die nothwendigkeit, eigne kandidaten bei allen wahlen durch zu bringen und beide parteien ab zu schütteln. Leider wird gerade in der organisirung der politischen thätigkeit mehr gezaudert, als recht ist. Sylvis, der präsident der Nat. Lab. Union dringt zwar bei allen anlässen auf politische wirksamkeit am stimmkasten, doch ist er so verrannt in seine geld-theorie, daß er der arbeiterpartei dadurch anhänger entzieht. Eine stärkere hervorhebung des 8stundengesetzes mit scharfen strafen und seine ausdehnung auf privat-arbeiten wäre eine viel glücklichere agitations-maßregel, als die emfehlung, mehr papiergeld zu schaffen und den zinsfuß durch staatsanordnung auf 3% herab zu setzen. Sie werden in einem schriftstück der Workingmens Union, welches ich ihnen sende (es wurde in der massen-versamlung der anstreicher, worüber ich bericht der Sun sende, vertheilt) eine hindeutung auf solche | eingriffe in die privat-freiheit finden.

Liebknechts verherrlichungen der Amerikanischen verfassung und der Republikanischen partei sollten endlich aufhören. Wenn sie ihm schreiben, deuten sie ihm doch kurz an, daß die hiesigen zustände kein beweis für die vortrefflichkeit einer bourgeois-republik sind. Senator Sprague sagte neulich, daß in keinem lande das volk so wenig einfluß auf die regierung habe, als hier. Und was ausbeutung und bedrückung von arbeitern an betrift, so macht sich frechheit und grausamkeit nirgends so breit als hier, wo der einwanderer, besonders der Deutsche, ihnen gar zu leicht als beute anheim fällt. Das hauptbureau zur beschaffung billiger arbeit ist das arbeits-nachweisungs-bureau in Castle-Garden, dem landungsplatz der einwanderer. Die Irländer sind durch ihr nationales gemeingefühl viel mehr geschützt, da sie leichter beistand von ihren | landsleuten erhalten. Der deutsche kapitalist hält es aber für selbstverständlich, daß ein "Grüner" so elend als möglich bezahlt werde. Es wäre wohl nützlich, denke ich, wenn die deutschen auswanderer vor dem bureau in Castle Garden, dessen verdienste gerade die deutschen zeitungen sehr oft rühmen, gewarnt würden und ihnen der rath gegeben würde, so schnell als möglich, einer deutschen gewerks-genossenschaft bei zu treten.

Die deutsche zeitung (Arbeiter-Union), die ein dr. Adolf Douai jetzt redigirt, soll sehr bald zu einer täglichen werden. Vogt wühlt gegen die jetzige leitung des blattes und fängt an, unter den leitern der deutschen bewegung einfluß zu gewinnen. Besten gruß!

Sgfrd Meyer

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.

Absender

Zeugenbeschreibung

Soweit aus der Fotokopie zu ersehen ist, besteht der Brief aus einem Bogen weißem Papier. Meyer hat die ersten drei Seiten vollständig, die vierte zu drei Vierteln beschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Archivsignatur des Moskauer Marx-Engels-Instituts (IMĖ) auf allen beschriebenen Seiten oben links: „Rj 67a–d“.

 

Zitiervorschlag

Sigfrid Meyer an Karl Marx in London. New York, Dienstag, 20. April 1869. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0001011. Abgerufen am 20.04.2024.