| An den Generalrath der Internationalen
Arbeiter-Association
i/London
Abtheilung Deutschland. Zu Händen des
Herrn Carl Marx.

Vor einigen Wochen gelangte unter der Adresse Vorschuss- & Consumverein Lugau ein Buch betitelt „Die Internationale Arbeiterassociation“ von Wilhelm Eichhoff in Berlin in unsere Hände. Unsere schon früher durch mehrere Aufsätze im Democratischen Wochenblatte erregte Aufmerksamkeit auf die Principien dieser Association wurde durch den Inhalt des Buches eine noch viel intensivere. Wir überzeugten uns, daß hier ebenfalls ein günstiges Terrain zur weiteren Ausbreitung dieser Association vorhanden sei und daß eine Betheiligung der hiesigen Arbeiter, namentlich Seitens der zahlreichen Kohlenarbeiter nicht nur im Allgemeinen, sondern auch für die Betreffenden selbst von großem Vortheil sein werde. Nach einem deshalb von dem Mitunterzeichneten Wilhelm Jungnickel, Vorsitzender des Bergarbeiter-Comite’s Abtheilung Lugau, Würschnitz & Oelsnitz in einer Comite-Sitzung unter Hinweis auf die durch die Internationale Arbeiterassociation bereits erzielten Erfolge, gestellten Antrags, erklärte sich das Comite einstimmig für den Anschluß und beauftragte die beiden Unterzeichneten bezüglich des Anschlusses Erkundigung einzuziehen und seiner Zeit Bericht darüber zu erstatten.

Soviel uns nun bekannt ist, besitzt die Internationale Association in Sachsen noch keine Mitglieder und da in dem erhaltenen Buch auch etwas über die Art und Weise des Anschlusses speciell nicht gesagt ist, jedoch fanden, daß namentlich in Frankreich zahlreiche Gruppen direct mit dem Generalrath corresspondiren, so wenden wir mit unserer Anfrage uns ebenfalls direct an den Generalrath und werden falls nicht andere Weisung ertheilt wird auch fernerhin direct mit demselben corresspondiren.

| Es ergeht daher an den geehrten Generalrath der Internationalen Arbeiterassociation in London das ergebenste Ersuchen: „uns mitzutheilen wie und auf welche Weise der Anschluß zu erfolgen habe und namentlich zu bemerken ob das, von sämmtlichen Kohlenarbeitern zur Vertretung ihrer Intressen gewählte Comite den Anschluß zu erklären hat oder ob sämmmtliche Kohlenarbeiter direct sich an den Anschluß betheiligen sollen;“ alle uns hierauf bezüglichen, so wie überhaupt über unsere„ Verhältnisse gestellten Fragen, werden wir ebenso gern, wie genau der Wahrheit gemäß, beantworten.

Zu einiger Aufklärung über unsere Verhältnisse fügen wir vorläufig noch Folgendes bei.

In Frühjahr 1865 tauchte unter den Kohlenarbeitern und zwar sowohl in dem Revier Lugau & Umgegend; als auch in dem nur zwei Meilen entfernten Zwickauer Revier der Wunsch nach einem allgemeinen Knappschafts- resp. Kassenverband auf; Veranlassung hierzu ist diese: Es hat hier nämlich jedes Steinkohlenwerk, gleichviel ob Actien- oder Privatunternehmen eine eigne Kasse zu der jeder Arbeiter 10 bis 12 d. von jedem Thaler verdientes Lohn zu steuern hat, während es den Werkbesitzern vollständig freigestellt ist, einen Beitrag hierzu zu geben. Die aus dieser Casse dem Arbeiter in Krankheitsfällen gewährte Unterstützung ist an und für sich sehr ungenügend, im Fall des Invalidwerdens jedoch keineswegs zur Lebensfristung hinlänglich, in letzterem Fall kann sogar die Unterstützung den unter Controle der Beamten stehenden Invaliden bei deren geringsten Versehen gänzlich entzogen werden. Die bezüglich dieser Casse bestehenden Statuten sind auf jedem Werk wieder besondere; Jeder der Arbeit haben will muß je nach Verhältniss seines Alters ein Einkaufsgeld von 1 reichstaler bis 40 Thaler geben, das im günstigsten Fall binnen einem halben Jahr bezahlt sein muß, wird nun ein Arbeiter außer Arbeit gesetzt oder geht freiwillig ab, so ist er in beiden Fällen seines Steuer- und Ein- | kaufgeldes verlustig und muß sich auf einem andern Werke von Neuem einkaufen. Noch schlimmer sind die älteren Kohlenarbeiter daran, die bei passender Gelegenheit verabschiedet werden und auf einem andern Werke nicht wieder angenommen werden und somit dem tiefsten Elend Preisgegeben werden. In Folge dieser Manipulation, die älteren Arbeiter immer abzudanken und nur jüngere wieder anzunehmen, erklärt es sich auch, daß die meisten dieser Kassen ein bedeutendes Vermögen aufzuweisen haben, von denen einige über 100,000 Thaler. In den Statuten ist nun die Bestimmung getroffen, daß die Werke die Casse zum Betriebe benutzen können, sowie, daß dieselbe nicht eher zur Vertheilung gelangen kann, bis die Gesellschaft sich aufgelöst hat, daß dies aber nur dann geschieht, wenn kein Arbeiter mehr da ist, versteht sich von selbst; die etwaigen Invaliden werden mit einer Entschädigungssumme (vielleicht 100 Th.) abgefunden.

Man gelangte hier nun zu der Einsicht, daß allen diesen Uebelständen gründlich abzuhelfen nur das eine Mittel gäbe, daß sich sämmtliche Kassen zu einer einzigen vereinen, dieselbe gesetzlich confirmirt und unter Controle der Arbeiter selbst gestellt werde. In Folge mehrer Kohlenarbeiterversammlungen wurden zwei Comites gewählt, das eine Abtheilung Lugau, Würschnitz & Oelsnitz mit 1400 Unterschriften, das andere, Zwickau, beide Gerichtsbezirke mit 7 000 Unterschriften. Beide Comites haben gemeinsam einen Präsidenten, der mit Ausführung der gemachten Beschlüsse beauftragt ist. Trotz dreijährigen Kampfes ist bis jetzt noch kein Resultat erlangt und der von dem Präsidenten eingeschlagene Weg der Petition an das Ministerium, um mittels Gesetzgebung die widerstrebenden Werksbesitzer zu veranlassen sich der Kassenvereinigung zu unterziehen, bringt in uns die Ueberzeugung, daß von dorther ebensowenig Hülfe für uns zu erwarten ist, wie wo anders, daß die Ar | beiter nur durch sich selbst zu einem Ziele gelangen können und wiederum nur durch die Vereinigung aller Arbeiter der Erde.

Hat Lugau, wenn auch nur mit ca 2000 Mann sich der Internationalen Arbeiter-Association angeschlossen, und somit in dieser Beziehung den andern vorangegangen ist, so sind wir doch der Ueberzeugung, daß Zwickau mit 7000 und Potschappel mit ebensoviel Mann baldigst nachfolgen werden.

Bezüglich des erwähnten Präsidenten, der seinen Sitz in Zwickau hat, sei noch bemerkt, daß derselbe ein principieller Gegner jeder politisch-socialen Agitation ist, sein Horizont erstreckt sich eben nur bis an das Königl. Sächsische Ministerium.

Für Herrn Schriftsteller Karl Marx sei noch erwähnt daß Lugau im 19. Wahlbezirk liegt und den ihm befreundeten Herrn Wilhelm Liebknecht in Leipzig als Vertreter in den Norddeutschen Reichstag gewählt hat

Indem wir schließlich bitten dieses Schreiben nicht critisch beurtheilen zu wollen, indem die Schreiber ganz einfache Arbeiter sind, der eine ein Ziegelbrenner der andere ein Kohlenarbeiter

zeichnen wir mit Hochachtung ergebenst

Lugau, den 15. Novbr. 1868.

Gustav Adolph Bachmann
Karl Wilhelm Jungnickel

Adresse:
An Adolph Bachmann
Vorsteher des Vorschuss- &
Consumvereins zu
Lugau
b/Chemnitz
in
Sachsen.

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Absender

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen mittelstarkem, blauem Papier im Format 453 × 287 mm. Alle vier Seiten hat Bachmann vollständig beschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Von unbekannter Hand: Vermerk mit Bleistift auf der ersten Seite oben links: „10“.

 

Zitiervorschlag

Adolph Bachmann an Karl Marx in London. Lugau, Sonntag, 15. November 1868. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000835. Abgerufen am 20.04.2024.