| Palmerston Buildings,
93, Bishopsgate Street, E.C

London, 5 Nov 1868.

Lieber Marx,

Beigeschlossen finden Sie eine „Zukunft“, worin ich Ihnen den „Hirsch“ angestrichen habe. – Bitte um sofortige Rücksendung der Zeitung nach Durchsicht. –

Solches „Blech“ darf man, kann man den jebildeten Berlinern noch vorschwatzen! – Es ist zu dumm, als daß es Antwort verdient. Der Kerl macht aber geradezu unwahre Angaben, die ans Lügnerische streifen. – Liebknecht sollte ihm einige Zahlen an den Schädel werfen. –

Biscamp hat mir wieder | geschrieben, in der Absicht, mich per Bakunin aufs Glatteis zu führen. Die Korrespondenz ist zum Radschlagen. Er beruft sich auf seinen Doctor, seine größere Anzahl an Lebensjahren. Er schließt:

„Somit Adieu! Vielleicht sehen wir uns doch bei einem Philippi wieder.“

Ich schließe:

„Vielleicht sehen wir uns wieder bei Philippi!“ – Da werden Sie wohl als Römer für die Augusta Vindelicorum ein Caeterum censeo gegen die ‚Schneider‘ losdonnern. Ihren Doktor würden Sie dort in der Tasche halten müssen, denn Sie wissen, daß die graeculi philosophi daselbst schreckliche Hiebe verdauen mußten.

Oh Doctor! Oh, Verehrter, Gelehrter fellow von Marburg | oder Gießen! Venia, Misericordia einem gemeinen fahrenden Schüler, falls er einige altgeschichtliche Böcke geschossen haben sollte. – In meiner Geschäftsbude habe ich gar keine Nachschlagswerke – ich Esel!–

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Noch eins zum Lachen:

Biskamp: „Gestehen will ich, daß mir die erfolgreiche Energie, womit Sie im reiferen Alter noch studiren und lernen, was wir Andere meistens schon in unsrer Jugend (einige auch gar nicht) gelernt haben, daß die Frische ........ mir gefallen haben.“

Ich: „Bis jetzt hatte ich immer geglaubt, daß ich in der Jugend etwas gelernt – am Ende ebenso viel als Sie – und jetzt weiter lerne, immer dazu lerne – ohne aber Doctor zu sein oder es je werden zu wollen. Sie wollen vermerken, daß mir auch das Universitäts-Mandarinenthum zuwider ist. „Ihr Andere meistens“ habt höchstens die bekannten Pensa | gelernt. Ob und was Sie seit Ihrer Jugend dazu gelernt – das zu entdecken habe ich noch nicht genug gelernt. Ein Grund mehr, daß ich weiter lerne, mein Verehrter Doctor wahrscheinlich philosophiae et philologiae, also natürlich homme fini!„Ihr Andere meistens“ „Einige auch gar nicht“ – hier werden Sie sogar homme indéfini oder indéfinissable – wie Sie wollen. Sie sind nicht nur jetzt, sondern scheinen schon vor vielen Jahren – vor etwa 23 – ein so fertiger Mensch gewesen zu sein, daß Sie – ich citire Ihre eigenen Angaben – 3 Jahre in Dorpat als „Lehrer“ hausen konnten, ohne Russisch zu lernen. Sie Doctor philosophiae finitae et philologiae limitatae!

Verzeihung für mein Küchenlatein.

Ich hoffe er wird mich nun in Frieden lassen. – Sie werden fragen: „Wozu sich solche Mühe machen mit ihm?!“ Der hat unterirdische Absichten mit mir, aus irgend welchen Gründen; sagt auch „Unsere Briefe hätten ebensogut in einer beliebigen Zeitung erscheinen können.“ – Mögen Sie nur erscheinen. Der Kerl wollte mich für die Augsburger einschlachten; die Spekulation ist schief gegangen. Nun wird er eklig! –

Er klagt mich an, ihn persönlich beleidigen zu wollen.

Ich: Sie persönlich beleidigen zu wollen kann mir nicht beikommen. Ich habe dazu | keinen Grund: Ich kenne Sie ja gar nicht. Wie Sie selbst es thun, so kann ich auch für mich das volle Recht beanspruchen, meine subjektive Überzeugung bezüglich Ihrer öffentlichen Korrespondententhätigkeit auszusprechen und sage Ihnen daher, daß Sie, wie Bucher, Bauer, Schramm und viele Andere politisch ein jämmerlicher „Abfall“ sind. – Kommen Sie mir zur Abwehr gar mit Ihrem Doctor und Ihren reiferen Jahren! – Vas-tu finir, faceur! –

Na und so weiter!

Ich bin eigentlich der Prügeljunge!

Adieu!

Ihr
Borkheim.

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.

Absender

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen mittelstarkem, weißem Papier im Format 270 × 210 mm und einem Blatt mittelstarkem, weißem Papier im Format 134 × 210 mm. Auf der ersten Seite des Bogens sowie der ersten Seite des Blattes: Ovaler Aufdruck „Schröder & Schÿler & Co Established 1739 Bordeaux.“ oben links, rechts daneben Adressaufdruck „65, Fenchurch Street E.C.“ (gestrichen; darüber roter Stempel mit neuer Anschrift) und Datumszeile. Alle vier Seiten des Bogens hat Borkheim vollständig beschrieben. Die erste Seite des Blattes ist zu drei Vierteln beschrieben, die zweite Seite ist leer. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Anmerkungen zum Brief

Über die Beilage („Beigeschlossen finden Sie eine ‚Zukunft‘ , worin ich Ihnen den ‚Hirsch‘ angestrichen habe.“) siehe Erl.

 

Zitiervorschlag

Sigismund Ludwig Borkheim an Karl Marx in London. London, Donnerstag, 5. November 1868. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000820. Abgerufen am 28.03.2024.