| Hoboken N. J. Box 101 31 juli 69
Lieber freund!
ihr lang ersehnter Marx an S. Meyer, 4.7.1868
Schließen brief
brachte mir eine unangenehme überraschung, die Siehe Vollmacht im Namen des
Generalrats der IAA für Friedrich Adolf
Sorge (Beilage zu Marx an Sigfrid Meyer, 4.7.1868).
Schließen vollmacht für Sorge. Ich
wenigstens hatte nur an oberflächliche
empfehlungsschreiben
für Chicago gedacht; J. Phil. Becker hat wol
auch sein theil zu diesem schritt des generalrats gethan. S. ist noch der alte
in jeder beziehung; der
kom-klub in
N-Y besteht mehr als 10 jahre und enthielt (wie der name nicht
verheimlicht) spießbürger oder gar noch schlimmere leutchen. Ich höre jetzt die
toten (Fritz Jacobi, Kamm) sehr rühmen glaube aber nicht mehr. Statt
irgend
etwas in dieser zeit zu thun, haben sie überall mißtrauen hervorgerufen und uns
(ich meine vorläufig Aug. Vogt und mich) die
wirksamkeit erschwert. S. liegt die
atheistische agitation sehr in den gliedern, er ist präsident der freien
gemeinde in Hoboken und seit einigen monaten auch einer Amerikanischen geheimen
Loge von ungläubigen
Secularisten:
– Deshalb ist von einem misbrauch der vollmacht kaum die rede,
er wird und kann gar nichts thun; aber ich bedauere lebhaft, daß seine eitelkeit
dieses schriftstück ausbeuten kann. Was Becker im Vorboten über eine erklärung der Socialen Partei zu gunsten der
I. A. A. schreibt, beruht nicht auf strenger
wahrheit; eine adreße nach Genf ist abgeschikt, auch geld gesammelt; aber für
die I. A. A hatte sich nur der kom-klub erklärt, der sehr sanft schläft. Die
Sociale Partei (jetzt etwa den Lassalliten in Deutschland vergleichbar) wird
bald sterben; das treibende motiv der meisten ist weniger gewinnsucht, als
eitelkeit; ausnahmen bilden Conrad Carl aus
Nürnberg
schneider und Ad. S. Wydler aus der Schweiz,
kaufmann; lezterer ist soeben in die nähe von Baltimore Md gegangen. Vogt hat schon vor 4 monaten sehr klar gesehen,
aber in seiner griesgrämigkeit (die schlechten zeiten treffen ihn sehr hart)
mich im klareren sehen zu unterstützen versäumt. Er hat mit S offen gebrochen, ich wohne noch bei ihm und
werde auch äußerlich freundschaftlich mit ihm zu verkehren fortfahren; unsere
differenzen sind in der
Socialen
Partei sehr oft zu tage getreten und er
ist höchst erbittert auf mich, freilich ohne es offen zu zeigen. Sein einfluß in
N-Y ist noch zu mächtig, als daß es gerathen wäre, ihm offnen krieg zu erklären;
doch wird er bewacht. Der arbeiterkongreß 21 sept in N-Y, an welchem er theil
nehmen sollte, kann aber wol nur von der Soc Part beschickt werden, wenn sie zu
der National Labor Union zugelassen ist; ich
glaube nicht, daß er schon schritte gethan hat und hüte mich ihn zu erinnern.
Ich werde Jessup selbständig aufsuchen; ich
denke, im Englischen jetzt weit genug zu sein. – Schreiben sie nur unbesorgt
unter der alten adresse; auch, wenn ich fortzöge, würden die briefe sicher
ankommen. – V.
W. Weber ist
wieder sehr lebendig, spionirt überall, correspondirt fleißig nach Deutschland,
schimpft überall auf Karl
Marx und Liebknecht, und geht jetzt munter
mit der Republ. oder bondholder-partei, von welcher er wein-bestellungen oder
gar ein ämtchen erwartet. Er ist jetzt eng verbunden mit einem gewissen
Lucker (präsident des Schneider-Vereins
und vice-präsident der Workingsmen Assembly (Jessup 1st
präsident)
dieser war auch der Soc Part bei – ist nun aber wieder mit glanz aus getreten. –
Siehe Karl Marx: Herr Vogt. London 1860. S.
183-185.
Schließen Froschmäuslerkrieg! – Der boden in N-Y ist sehr ungünstig;
corruption unter den Deutschen ganz unglaublich! die kapital-sklaverei auch im
äußern benehmen der freien Amerikaner ganz unverkennbar; die arbeits-zustände
viel gräulicher, als sie sie in Engl schildern. Schneider u schuster besonders
tief gesunken; jedes vertrauen auf besserung der zustände verschwunden, weil das
allgemeine vorurteil eine revolution in Amerika für unmöglich hält und betrüger
an allen ecken und enden auftauchen. Schon um die corruption fort zu fegen, wird
hier eine revolution nötig sein, welche vielleicht der kapitalmacht noch zu gute
kommt. – Ich bedauere, so wenig gelegenheit zu haben, mich im lande, besonders
im Westen um zu sehen; von individuellem eigentum eines selbst wirtschaftenden
bauern kann kaum mehr die rede sein; die leute welche eine leidliche scholle
landes erhalten wollen, müssen sie von agenten der eisenbahn-kompagnien
erstehen. Vielleicht verschaft mir Wydler
eine bergmann stellung in der nähe von Baltimore, so daß ich selbst gelegenheit
habe, in das innere getriebe der ackerbau-zustände einen blik zu werfen. Das
kapital arbeitet hier in bezug auf zwischen und kleinhandel z.b. in der
unerbittlichsten, rücksichtslosesten art; massenhafte vernichtung der
lebens
| mittel, um die preise zu halten, ist ganz gewöhnlich. Jede kirche
veranstaltet jährlich eine „fair“, worin allerlei gegenstände verkauft werden.
Jährlicher reingewinn mehrere 1000 dollars, vielleicht weniger als die hälfte
des ganzen umsatzes. Woher? Dennoch cooperative-stores (consum-vereine) bisher
hier noch ohne erfolge, trotzdem alle zeitungen besonders Tribune, darauf herum
reiten. – Selbst in der National Labor Union müssen die schufte die leitung in
händen haben; ich hoffe wenig von dem arbeiter congreß in bezug auf die
kandidaten-aufstellung. Sam. F. Cary
(congreßman von Ohio, gewählt auf die arbeiter platform) hörte ich am 3ten juli;
windmacher, ohne alle kenntnisse, aber bejubelt und als künftiger Präsident sich
gebahrend. – Die Deutschen Trades-Unions viel schlechter, als die Englischen, in
welchen die Irländer, trotz ihrer theilweise unangenehmen eigenschaften, sich
durch klassen-bewußtsein und eine gewisse humanität auszeichnen. Der Deutsche
will nicht proletarier sein, glaubt nicht an
besserung und lebt dumpf dahin, entweder nach oben d. h. nach den
fleischtöpfen
sehnsüchtig blickend und durch verrath sie manchmal erreichend oder sich geduldig der sklaverei fügend und dabei gegen
die herren meister kriechend und wedelnd, um mit der zeit einen dollar in der
woche mehr zu erhalten. – Die „Arbeiter-Union“ das neue blatt behagt einigen arbeitern ganz gut –
das ist genug! –
Von Liebknechts verbindungen mit N.-Y. schrieb ich meines wissens nichts, ich meinte die personen von denen der correspondent aus London für das Demokr Wochenbl die nachrichten über die V. St. erhalten hat.
Besten dank für ihre nachrichten
über die beurteilungen des Karl Marx: Das Kapital. Bd. 1. Buch
1. Hamburg 1867. Siehe Erl. zu Marx an
J. Ph. Becker, zw. 9. u. 15.1.1866. „1200 Seiten
Manuscript“. (MEGA² II/5).
Schließen werkes. Vergessen sie nicht
mir gelegentlich zu schreiben, wenn es in den Hildebrandtschen jahrbüchern beurtheilt ist. Die
abhandlungen von Rodbertus über Römische
agrar-verhältnisse möchte ich auch gern in der fortsetzung lesen. – Dührings schmierbücher kenne ich von Berlin her;
in einem briefe vom 4 october 65 schreibt er mir in erwiderung auf eine
interpellation „Wenn ich überhaupt hätte auf mehr persönlichkeiten eingehen
wollen, so hätte ich doch wol noch eher in Frankreich die namen derjenigen
suchen müssen, welche als eine geistvolle und gesundere vertretungen der
socialen bestrebungen gelten können. Louis
Blanc
Schließen Louis Blank ist meiner ansicht nach wichtiger, als
Rodbertus und Marx, für die sie sogar originalität in anspruch nehmen. Außerdem
bringt es mein philosophischer standpunkt mit sich, die erzeugnisse der modernen
sophistik oder sogenannten dialektik schon um ihres mangels an
wissenschaftlichem gehalt, an solidität und ehrlichkeit willen zurük zu weisen“.
– Natürlich hatte der Eugen
Dühring
Schließen schreibe-bengel noch niemals etwas von Rodb u Marx
gelesen. – Um antibürgerliches werde ich mir mühe geben; vorläufig einmal an
Dana und Pillsbury (von der
Revolution)
schreiben. Viel wird kaum erschienen sein und wol mehr raisonnement als
thatsache. Hier gedeiht nichts, was nur entfernt mit wissenschaft zu thun hat
und ich sehe kaum ein wie durch angriffe gegen Vermutlich ist Henry Charles Carey gemeint (?).
Schließen Carey geld zu machen
gewesen wäre. Im Süden ist vielleicht (!) etwas geschehen, freilich dort das
material gefehlt hat.
Was ich speziell für unsere
aufgabe halte, ist eine enge verbindung mit einflußreichen leuten der National Labor Union; ich denke, im winter
eine trade-union unter den deutschen lehrern zusammen zu bringen; wenn auch nur
zu dem zwek, in das getriebe besseren einblik zu erhalten. Vielleicht gelingt es
uns auch, mit einem selbstständigen verein, der natürlich der I. A. A. sogleich beitreten würde (Sorge möglichst aus dem spiel zu
lassen, werde ich bestrebt sein) in die Nat. Lab. Union aufgenommen zu werden.
Carl wird in einem sich bildenden
verein der für große geschäfte arbeitenden schneider nach kräften arbeiten; so
werden wir gewiß vorwärts kommen, wenn auch sehr langsam. – Dann wird es die
nächste aufgabe sein, auf die anfänge einer statistik unter den vereinen hin zu
arbeiten. – Für höchst bedeutend in bezug auf proletarische bewegung halte ich
die farbigen, welche jetzt schon zum theil den Republikanern den rücken kehren,
weil sie die ausbeutung durch das kapital klar einsehen. Die üblen gewohnheiten
der kriechenden höflichkeit werden sie ablegen, sobald arbeiter anfangen werden,
mit ihnen sich eins zu fühlen. Welche aufgabe für deutsche arbeiter! und gerade
diese buchstabiren der regel nach mit gg. = gute
groschen.
Schließen gg.
Zitiervorschlag
Sigfrid Meyer an Karl Marx in London. Hoboken, Freitag, 31. Juli 1868. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000698. Abgerufen am 09.02.2023.