| Genthiner Str. 16.
Berlin, 18. Juli 1868.

Lieber Marx,

Vorgestern sandte ich Ihnen per Kreuzcouvert sämmtliche von Ihnen erhaltene Dokumente mit Ausnahme von 1 & 2 (Inauguraladresse & Statuten) zurück, & fügte der Sendung ein paar Seiten Correktur bei. Meine gezwungene Übersetzung des „lockout“ werden Sie inzwischen wohl corrigirt haben; erst nachträglich fiel mir ein, daß der natürliche Gegensatz zur Arbeitseinstellung eine „Fabrikschließung“ sei, und wenn Sie keine andere Bezeichnung substituirt haben, so werde ich den lockout durchweg demgemäß übersetzen.

Heute schicke ich wieder etwas Correktur ab, und hoffentlich am Montag oder Dienstag den Rest.

Bei dem Kapitel über die Prozesse in Frankreich habe ich, wie Sie sehen werden, jede Anspielung auf & jeden Vergleich mit hier unterdrückt. Das Manteuffel’sche Vereinsgesetz läßt leider an Klarheit nichts zu wünschen übrig, & trifft die Zuwiderhandelnden mit der empfindlichsten & unangenehmsten Strafe, die es giebt, mit Geldbußen bis 50 reichstaler für jeden einzelnen Contraventionsfall. Einzelpersonen können der internationalen zu tausenden beitreten, sobald Vereine es thun, | werden sie polizeilich geschlossen, durch Urtheil des Polizeirichters aufgelöst & die Führer Jeder bis 50 reichstaler bestraft. Wenn die Einzelpersonen sich zu einer Gruppe constituiren, einen Vorsitzenden wählen, Versammlungen abhalten, so verfallen sie ebenfalls dem Vereinsgesetz.

Der einzige Weg, das Gesetz zu umgehen & sich nicht finanziell ruiniren zu lassen, ist folgender.

Sobald eine gehörige Anzahl von Einzelmitgliedern vorhanden ist, wird nicht bloß für diese, sondern ganz allgemein eine öffentliche Versammlung ausgeschrieben. Diese constituirt sich durch leicht zu beeinflussende Wahl eines Bureau. Das Bureau, oder noch besser eine von der Versammlung zu wählende Commission wird von der Versammlung mit einem Auftrage oder mit Aufträgen beehrt, über die es öffentlich den Auftraggebern Rechenschaft zu geben hat. Dies geschieht in einer neuen Versammlung, in welcher dasselbe Manöver wiederholt wird. Und so fort in infinitum. So oft das gewählte Bureau seine Specialaufgabe erfüllt hat, muß es sich auflösen & einem andern Platz machen, welches natürlich aus denselben Personen bestehen kann. Die Aufgabe darf auch nicht darin bestehen, sich in Verbindung & Correspondenz z. B. mit dem Londoner Generalrath zu setzen, sondern muß allgemein auf Untersuchung dieses oder jenen Gegenstandes lauten; wobei es dem gewählten Comité überlassen bleibt, zu correspondiren, mit Wem es grade für nöthig hält. Sollte sich eine | ähnliche Taktik nicht für Frankreich empfehlen?

Die „Zukunft“ wird das Erscheinen der Schrift benutzen, um für die internationale Ass. Propaganda zu machen. Wahrscheinlich in zwei od. 3 Leitartikeln. Der Operationsplan ist – entre nous – folgender. Abschnitt I wird von Ihnen persönlich handeln, d. h. Sie als den wahren Jakob, den eigentlichen Parteiführer in den Vordergrund schieben. Abschnitt II wird Ihre Thätigkeit besprechen – Manifest, Inauguraladresse, Kapital, Genfer Congreßbeschlüsse, soweit sich für letztere das Material in meiner Schrift findet, ˗ und mit dem Unterschied zwischen Bourgeoisökonomie & Arbeiterökonomie schließen. Abschnitt III soll dann der Bourgeoisie grade heraus erklären, die sociale Frage sei ihr jetzt nahe genug auf den Leib gerückt, mit der bisherigen Politik des Achselzuckens & vornehmen Ignorirens gehe es nicht mehr, die Arbeiter fingen an, sich um Sie zu gruppiren, daher müsse die Bourgeoisie jetzt Stellung nehmen, entweder für, oder gegen Sie, & zwar nicht bloß die Bourgeoisie, sondern in erster Linie ihre Organe, die demokratische Presse.

Meine Absicht ist dann, die „Staatsbürgerzeitung“ zu einer Annahme der Herausforderung zu bewegen. Dann muß die „Volkszeitung“ in den sauren Apfel beißen und sich ebenfalls aussprechen, und die Discussion wird allgemein in den Blättern, die von den Arbeitern gelesen werden.

| Schicken Sie mir ein paar Exemplare des Manifestes, welches der Arbeiter-Verein vor einigen Jahren bei Hirschfeld hat drucken lassen; falls Lessner, der den Vertrieb hatte, davon noch Vorrath hat, so könnte ich 1 Dtz oder mehr gebrauchen. Der Preis war damals 4d.

Sollten Sie für die Leitartikel der „Zukunft“ bestimmte suggestions haben & ihr indirect zufließen lassen wollen, so können Sie darauf rechnen, daß sie verwerthet werden.

Die Dühring’sche Schrift ist immer noch nicht von München angekommen, nachdem sie in Leipzig nicht vorräthig gewesen zu sein scheint. Der deutsche Buchhändler-Geschäftsgang ist unendlich langsam.

Dühring erblindete als Auscultator, mußte deshalb die Jurisprudenz aufgeben & fing an Nationalökonomie zu studiren.

Für die Aufnahme in die Association danke ich Ihnen, die Bestellung als Berliner Correspondent ist mir angenehm.

Die kleine Schrift erscheint übrigens grade. À propos für die Generalversammlung des Schweitzer’schen Vereins (Mitte August, Hamburg) und den Arbeiterkongreß in Nürnberg, 5. 6. 7. September. – Letzteren werde ich wahrscheinlich besuchen.

Mit freundschaftlichem Gruß

Ihr
Wm Eichhoff.

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen mittelstarkem, weißem Papier im Format 285 × 220 mm. Alle vier Seiten hat Eichhoff vollständig beschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Von unbekannter Hand: Nummerierung des Briefes „25“.

 

Zitiervorschlag

Wilhelm Eichhoff an Karl Marx in London. Berlin, Samstag, 18. Juli 1868. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000683. Abgerufen am 28.03.2024.