Lower Clapstr. N.E.
Apr. 3. 68.
Lieber Marx,
Die Sendung der Hochzeitskarten Eurer Laura hat uns heute aufs Angenehmste überrascht. Wir hatten gar nicht gewußt, daß das frohe Ereigniß so nahe bevorstand, u. wünschen jetzt dem jungen Paar, wie Dir u. Deiner lieben Frau, von ganzem Herzen Glück dazu.
Laß mich Dir nun
auch endlich Dank sagen für das Zeichen Deines freundlichen
Gedenkens, das Du mir durch das Geschenk Karl Marx:
Das Kapital. Bd. 1. Buch 1. Hamburg 1867.
Siehe Erl. zu Marx an J. Ph.
Becker, zw. 9. u. 15.1.1866.
„1200 Seiten Manuscript“. (MEGA² II/5).
Schließen des ersten Bandes Deines Werkes
„Das Kapital“ gegeben hast, u.
schließe, darum
| bitte ich Dich angelegentlich, aus der
Verspätung dieses Dankes nicht auf eine geringere Wärme u.
Aufrichtigkeit desselben! Ich hatte immer vor, ihn Dir
persönlich abzustatten, aber in den mancherlei Arbeiten u.
Aufregungen, welche diese letzten Monate mir gebracht haben,
bin ich immer nicht dazu gekommen. Laß Dir meinen Dank nun
auch jetzt noch gefallen, u. sei überzeugt, daß, wenn irgend
wer, gewiß ich Einer von den Vielen bin, die den Geist, das
Wissen, u. den staunenswerthen Fleiß, durch die Du Dir in
| diesem Werke ein monumentum aere perennius gesetzt
hast (u. ferner setzen wirst) mit freudiger Anerkennung
bewundern. Du weißt, ich bin nicht Mann vom Fach, (eben nur
Nationalökonom „mit dem Gemüthe“),
u. verlangst darum kein aufs Einzelne eingehendes Urtheil, –
aber ich kann Dir wohl sagen, daß ich aus der Lectüre, oder
ich will lieber sagen: dem Studium, des Buches schon die
mannigfachste Belehrung, den reichsten Genuß geschöpft habe.
Es ist eben ein Buch, das studirt sein will, u. darum ist
der Erfolg vielleicht kein überschneller
| u.
überlauter, aber die Wirkung im Stillen wird dafür um so
tiefer und nachhaltiger sein. Ich weiß, daß am Rhein viele
junge Kaufleute u. Fabrikbesitzer sich für das Buch
begeistern. In diesen Kreisen wird es seinen eigentlichen
Zweck erfüllen, – für den Gelehrten wird es nebenbei als
Quellenwerk unentbehrlich sein. Nochmals herzlichen Dank!
Und, nicht wahr, bei der nächsten Gelegenheit schreibst Du
mir auch Deinen Namen in das Exemplar? –
Unsre Luise hat sich nun auch verlobt. Wenn die | Kinderkrankheit des Verlobens u. Hochzeitmachens einmal einreißt in einem Hause, so hilft nichts dagegen. Die Geschichte muß ihren Lauf nehmen. The matrimonial measles!
Uebrigens hat es
mit der Hochzeit noch gute Wege. Luise ist
noch sehr jung, u. muß noch warten. Ihr Verlobter ist
Heinrich
Wiens, ein Cousin von Katharina
Freiligrath und Eduard Kröker
hatten am 17. Dezember 1867
geheiratet.
Schließen Kätchens Mann, u. auch ein richtiger
OstseePirat, wie sie dem alten Poeten die Töchter
wegkapern.
Mit Deiner
Gesundheit geht es hoffentlich wieder besser. Mit diesem Brief scheint der
Kontakt mit Marx abgebrochen zu sein. Freiligrath
siedelte am 24. Juni 1868 nach Deutschland
über.
Schließen Wir kommen bald
| einmal
hinaus, um uns davon zu überzeugen.
Unterdessen die herzlichsten Grüße an Dich u. Deine Damen von uns Allen!
DeinF. Freiligrath
Zitiervorschlag
Ferdinand Freiligrath an Karl Marx in London. London, Freitag, 3. April 1868. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000602. Abgerufen am 07.07.2022.