| Mainz 30 Maerz 68

Freunde in London!

 Auf Eure Anfragen im „Vorboten“ mit Datum Februar 68 ] An die Mitglieder der Internationalen Arbeiter-Association. [Gez.:] Robert Shaw, J[ohann] Georg Ecarius. In: Der Vorbote. Genf. Nr. 3, März 1868. S. 43/44. Der Aufruf des Generalrats unterbreitete die Fragen für die Vorbereitung auf den Brüsseler Kongress der IAA im September 1868. Der Fragebogen wurde auf dem Meeting of the General Council January 21, 1868 beschlossen. Siehe MEGA2 I/21. S. 535/536, 1835.
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Auf Eure Anfragen im „Vorboten“ mit Datum Februar 68
erwidre ich im Interesse  Siehe P. Stumpf an Engels, 18.3.1868.
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unseres hier neu gegründeten socialdemokratischen Vereins
(der sich von  Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein (ADAV).
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der Lassalle’schen Clique
losgesagt[)]  Siehe P. Stumpf an Engels, 18.3.1868.
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daß wir begonnen haben, gesund für die sociale Aufgabe zu agitiren
! Wir sind 17 Mann, unterstützt privatim von intelligenten Männern und hoffen von den Demokraten nach & nach die besten für uns zu gewinnen!

Seit Frühjahr 1866 sind hier bei 90,000 Einwohner, 5–6000 Arbeiter weniger beschäftigt als sonst; sie finden auf dem Lande bei ihren Vettern & Basen Unterkunft & treiben Bauern Arbeit. In der Stadt fängt man jetzt immer mehr an sich der Verpflichtung loszusagen den Arbeiter seinen vollen Tag machen zu lassen. | Ich zB. lasse meine Leute in meiner mechanischen Werkstätte seit 2 Jahren nur 9–10 Stunden arbeiten, zahle dann per Stunde einiges mehr, weil ich selbst sonst nicht herauskomme! Die Lager sind gefüllt zu was also anderes machen als laufende Arbeit? Der Lohn ist seit 4 Jahren hier nicht gestiegen! Vorher fehlten oft Arbeiter 6 kr höchstens 7 kr per Stund zahle ich und verwandte Geschäfte. Taglöhner die vor 10 Jahren noch 40 kr p Tag (12 Stunden) bekamen, erhalten jetzt 50 kr. Schuhmacherlöhne werden bei jeder Krise gedrückt heben sich aber dann wieder nur wenig. Schreiner (Moebelfabriken) beziehen schon aus Berlin leichte und sehr billige Möbel die mit Holz beinahe nicht so viel kosten als der Fabrikant vor 4 Jahren für ein gleiches Stück an Arbeitslohn dem Gesellen zahlte. Arbeiter die bleiben müssen oder Familie haben offeriren sich billiger | um ihr Leben zu fristen. – In Eisenbahn Wagenbaufabriken ist der Lohn per Stück zwar festgesetzt, der Arbeiter bekommt davon aber nichts vor Beginn seiner Arbeit gesagt, ja er bekommt am Zahltage willkührlich weniger angesetzt und er muß es sich gefallen lassen oder hungern.

Kleine Meister müssen oft 20–50% unter dem Preise ihr Fabricat verkaufen an Großhändler, um Geld erlösen zu können! 6 Paar geschweifte Stuhlgestelle zB., die sonst f 36 kosten verkief jüngst ein Meister zu f 25– Ein anderer Meister (der auch für Fabriken arbeitet[)] sagte mir daß er seit 14 Tagen nur ein Glas Bier habe trinken können! Eine Masse kleiner Meister die gute Arbeiter waren sind seit den 4–5 Jahren wo sie Sonnenschein ins Freie gelockt, vom Nebel beinahe alle erdrückt. Mit Schmieren & Betrug machen andere die schlechten Zeiten zu erträglichen! Namentlich in | Maas, Gewicht, Arbeitszeit auch in Qualität wo es geht! Statt Poliren – firnißt man nur und alte Gegenstände frisch lakirt gelten als Neue. Statt Messing nimmt man Eisen; Statt Blei nimmt man Zink, der leichter ist!

Da aber selbst damit heutzu Tage eine kleine Kundschaft nicht mehr hinreicht sich menschlich zu ernähren ist diese Art Bedienung nur dem Großen Meister oder Fabrikanten nur noch zugänglich! Der Arbeiter durchschaut dies Treiben und das Streben, der Stolz in seine Arbeit weicht dem nakten Erhaltungstrieb; die Gewissenlosigkeit steckt ihn an & es wird der Erwerb immer mehr ein Kampf auf Leben oder Tod! Die Gleichgültigkeit am allgemeinen Arbeiter Interesse nimmt dabei aber auch zu, kaum daß man die Leute unter den Arbeitern findet die ihren Collegen trauen, ihrer Sache trauen, kaum daß man ihnen noch ihr Klassen Interesse begreiflich machen kann! Anderseits hilft auch die ewige Hoffnung dazu, die Arbeiter immer | noch hoffen zu lassen auf Meister werden oder auf bessere Zeiten als Arbeiter! Die Führer derselben stecken selbst in Noth, kein Blatt kann der Verdächtigung gegen sie sich erwehren denn kein Blatt wagt sich ihrer anzunehmen! Können die Arbeiter jedoch kaum ihre Muttersprache sprechen, ihr Leid zu klagen viel weniger schreiben!

Kooperativ Production ist außer Berlin & Mannheim (jüngsten Datum‘s in Ciggarren) mir keine bekannt. –

Ueber die Congreß Fragen in meinem Nächsten mehr!

Meine Ansicht ist es daß bis hierher und nicht weiter die sociale Zerüttung der Gesellschaft gehen darf!

Die Demokratie ohne Socialismus geht bei uns zu Grabe!

Die Bourgeoisie beginnt jetzt Classenbewußtsein zu fühlen! Wollen sehen was Bismark mit den Feudalen auf der einen & die Proletarier auf der andern Seite dazu sagen!

Besondern Gruß an Freund Ecarius

von Eurem Gesinnungsgenossen
P. Stumpf

Bitte meinen Namen nicht zu gebrauchen & den Brief nach Notiznahme gleich zu vernichten!

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen und einem einem Blatt dünnem, blauem, karierten Papier im Format 446 × 284 mm bzw. 222 × 284 mm. Aufruck „Paul Stumpf, Stadionerhofstrasse Mainz.“ auf der ersten und fünften Seite oben links. Die ersten fünf Seiten hat Stumpf vollständig beschrieben, die letzte Seite ist leer. Eine Passage („Besondern Gruß bis zu vernichten!“) steht am linken Rand der fünften Seite quer niedergeschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Von unbekannter Hand: Nummerierung des Briefes „10.“ mit Bleistift.

 

Zitiervorschlag

Paul Stumpf an den Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation [Karl Marx] in London. Mainz, Montag, 30. März 1868. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000595. Abgerufen am 28.03.2024.