| 7/2 68

Lieber Marx

Erst heute konnte ich wieder zu Hess (mit Dronke) gehen, um Weiteres zu vernehmen. Zunächst puncto Artikel für Intérêt Public. Das Blatt hat noch nicht vorangemacht, und wird auch vielleicht nicht voran machen, deßhalb will er, Hess, sich nun doch damit an Courrier Français wenden, womit er jedoch nicht eilt, weil er, wenn einmal mit einem ersten Artikel losgegangen, dann auch rasch einen zweiten u.s.w. drauf folgen lassen will, wozu es ihm aber jetzt noch an Zeit gebricht.

Im Gespräch über Taine als Kritiker, den er persönlich kennt, fiel ihm plötzlich (ενρηκα ⌈) ein Besserer ein, der Beste von Allen, nämlich Littré, Uebersetzer von Strauss, und von wegen seiner „La philosophie positive, revue dirigée par Littré & Wyrouboff“ besonders von Werth. Ein- respe dreistimmig waren u. sind wir der Meinung, Du sollest zwar auch an Taine aber jedenfalls an Littré eine copy des Buchs richten, u. zwar mit Begleitschreiben, wie üblich in solchen Fällen. An diplomatischen Artigkeiten und Gewürzen kann es Dir dazu nicht fehlen. Taine ist bekanntlich Verfasser einer geschätzten Geschichte der englischen Litteratur, neben seiner Vertrautheit mit der deutschen Wissenschaft und Methode; voilà donc de quoi l’enguirlander. Für Littré könntest Du aus seiner obigen Revue die betreffenden Blumen sammeln, erscheint bei H. Baillière, 249 Regent street Lond. Ich mache Dich auf das letzte Heft No 4, janvier-février 1868 aufmerksam, enthaltend unter Andern einen Art. v. Littré über Civilisation en Angleterre, Th. Buckle, dann L’Economie politique et la science sociale par E. de Roberty, Kritik des jüngsten Buchs von Carey, Principles on social science glaub ich. | Da wär also, behufs Kritik, ein Organ sammt Organist, vorausgesetzt daß Herr von Roberty deutsch versteht (was, quoad sufficiency in concreto, zu bezweiflen) oder daß Littré mit der Materie so vertraut ist, um sich dran geben zu können u. zu wollen, was auch noch nicht ausgemacht ist. Du kannst ihm ja sagen, daß Du Dir für Deinen Lucifer einen Uebersetzer wünschest, wie der Strauss das Schwein gehabt hat Einen für seinen Jesus zu finden, diplomatisch gesprochen.

Der Littré als Philolog ist ja so eine Art von Gebrüder Grim; das gäb ja auch diplomatische Blumen an die Hand. Aber auch dieser Reclus ist nicht zu vergeßen, mit seiner Coopération, das in Arbeiterkreisen am Meisten verbreitete Organ; zudem hat man ihm ja auch ein Exemplar versprochen. Summa: wir 3 Weisen sind der Meinung, daß Du nicht zuviel thust, wenn Du an jene 3 Weisen in folio Exemplare mit diplomatischen Noten richtest. Als Botschafter steh ich zu Diensten. Am Besten wär es, Du könntest Dich mit Lafargue dran geben um eine französ. Ausgabe zu schreiben; dann hättest Du Umarbeitung des Materials einerseits, Beibehaltung der Methode andrerseits, selbst in der Hand, spartest die Revision – und behieltest das Temporale; aber da hast Du den II. Band noch auf dem Leibe, und, davon abgesehen, vielleicht auch keine besondere Lust zu einer Ruminationsarbeit, u. dem Lafargue stehn die Finger vielleicht auch nicht zu einer so weitschichtigen Arbeit, vielleicht eher wenn er verheirathet wäre. Da fällt mir ein householdword vom alten Stempelfiskal Rosbach ein. Als mein Bruder mit seiner Nichte Bechele’s Lenchen auf Freiersfüßen stand, besprach man bei Thee in Bechele’s den Zeitpunkt der Verheirathung; weiblicherseits sprach man für Verschiebung, weil das Lenchen noch zu jung, noch zu schwach etc etc sey. „Papperlapa, sagte der alte Stempler, eine kurze Lieb’ u. eine lange Bratwurst, das ist am Besten, u. auch stärkend, nicht wahr Lehnchen?“ Lehnchen wurde roth, die Damen auch secundum ordinem, aber bald darauf war die Heirath vollzogen u. das Lehnchen wurde stark zusehens der Augen. Und als Schwartz nun um des Stemplers Betty frie, wurde jener Satz ohne viel Federlesens sofort angewendet, u. mit bestem Erfolg.

Dronke bleibt wenigstens noch 8 Tage hier, empfängt Briefe unter meiner Adresse, auch unter der seiner Frau in Liverpool, der alten, (Adresse nämlich), welche, (die Frau nämlich) mit Dick hier war. Wir unterhandeln nämlich, unter Dronke’s Incognito, mit der Gelva Kupferkompagnie wegen der discomfiture.

⌈ Dieses sein freudiges ενρηκα zeigte, daß er wirklich behülflich ist, den besten Mann als Uebersetzer ausfindig zu machen, unbeeinflußt von persönlicher Spekulation.

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Blatt mittelstarkem, blaugrauem, liniertem Papier im Format 210 × 265 mm. Beide Seiten hat Schily vollständig beschrieben; eine Passage („Dieses ... Spekulation“) ist mit einem Einfügungszeichen (⌈) versehen und befindet sich am linken Rand der ersten Seite, die letzte Passage („Dronke ... discomfiture.“) steht am linken Rand der zweiten Seite, beide sind quer niedergeschrieben. Der Abschluss des Briefes fehlt. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

 

Zitiervorschlag

Victor Schily an Karl Marx in London. Paris, Freitag, 7. Februar 1868 (Fragment). In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000548. Abgerufen am 19.04.2024.