| London. 11 Jan. 1868.

Lieber Kugelmann,

D'abord meine besten happy new years für Ihre liebe Frau, Fränzchen u. Sie selbst. Und dann my best thanks für den Jupiter u. die Thätigkeit u. das Interesse, womit Sie Propaganda machen u. die deutsche Presse am Narrenseil führen. Wie unser leider zu früh verstorbener Freund Weerth sang:

„Es giebt nichts Schönres auf der Welt
Als seine Feinde zu beissen,
Als über alle die plumpen Gesellen
Seine schlechten Witze zu reissen!“

Mit allem Respekt für Ihre medizinische Autorität, schätzen Sie doch die engl., deutsch. u. fzs. Aerzte, die ich hier abwechselnd consultirt habe u. consultire, zu gering, wenn Sie glauben, daß selbige Anthrax (Karbunkel) nicht vom furuncle unterscheiden können, namentlich hier in England – dem Land des Karbunkels, der eigentlich eine Proletariatskrankheit ist! Und wenns nicht die Aerzte unterschieden, würde der Kranke, der wie ich beide Sorten von Ungethümen kennt, es thun, da der subjektive Eindruck sehr verschieden, obgleich, so viel ich weiß, noch keinem Arzt bisher gelungen, die beiden Sachen theoretisch genau zu trennen. Es ist erst seit einigen Jahren, daß mich dieß Zeug verfolgt. Früher mir durchaus unbekannt. In dem Augenblick, wo ich Ihnen schreibe, bin ich noch nicht ganz hergestellt u. noch nicht wieder arbeitsfähig! Wieder viele Wochen verloren, nicht einmal pour le roi de Prusse!

| Aus der Kritik des Herrn Dühring spricht vor allem – Angst! Es wäre mir lieb, wenn Sie mir Dührings Buch „Gegen die Verkleinerer Carey's“, ditto von Thünen's: „Der isolirte Staat mit Bezug auf die Landwirthschaft“ od. so ähnlich besorgen könnten (zugleich mit Preisquotation). Hier dauern derartige Bestellungen zu lang.

Endlich muß ich Sie bitten mir about 12 Copies meines Photogramms (nur das fullfaced) zuschicken zu wollen. About ein Dutzend Freunde quälen mich darum.

Einliegend für Mrs. Kugelmann die Photogramme meiner ältesten Tochter, Jenny, u. der Eleanor, welche Fränzchen bestens grüssen läßt.

Ad vocem Liebknecht: Lassen Sie Ihn nur a little while le petit grand homme spielen. Tout s'arrangera pour le mieux dans le meilleur des mondes possibles.

Ich hätte nun noch allerlei persönliche Anecdota zu erzählen. Ich verspare das aber für nächstesmal, wenn mich die schreibende Haltung nicht mehr stören wird.

Salut

Ihr
KMarx.

Einer meiner hiesigen Freunde, der mit der Phrenologie sich viel zu schaffen macht, erklärte gestern über das Photogramm Ihrer Frau: Viel Witz! Sie sehn, die Phrenologie ist keine so bodenlose Kunst, wie Hegel wähnte.

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen dünnem, weißem, schwach liniertem Papier im Format 270 × 210 mm. Marx hat die erste und dritte Seite vollständig beschrieben, die zweite und vierte Seite sind leer. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Von Kugelmanns Hand: Vermerk auf der vierten Seite : „a. 17.18/1 cop.“. Siehe L. Kugelmann an Marx, 17. u. 18.1.1868 (s. „Anmerkungen zum Brief“).

Von unbekannter Hand: Anstreichungen mit Blaustift.

Anmerkungen zum Brief

Marx beantwortet den Brief Kugelmanns vom 3. Januar 1868 (L. Kugelmann an Marx, 3.1.1868).

Kugelmanns Antwort erfolgt am 17. und 18. Januar 1868 (L. Kugelmann an Marx, 17. u. 18.1.1868).

Die Beilagen („Einliegend für Mrs. Kugelmann die Photogramme meiner ältesten Tochter, Jenny, u. der Eleanor“) sind überliefert. Siehe RGASPI, Sign. f. 384, op. 1, d. 58 und 103. Siehe Erl.

 

Zitiervorschlag

Karl Marx an Louis Kugelmann in Hannover. London, Samstag, 11. Januar 1868. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000521. Abgerufen am 20.04.2024.