| Hannover, 3 Janr. 1868

Mein hochverehrter, lieber Freund!

Der Wunsch Ihnen etwas Erfreuliches mittheilen zu können, ließ mich bis heute zögern Ihnen u. den lieben Ihrigen meine herzlichsten Glückwünsche zum begonnenen Jahre darzubringen. – Heute Abend hatte ich denn auch die Freude den „Staats-Anzeiger für Württemberg“ u. den „Beobachter“ mit den Besprechungen Ihres Buches zu bekommen. – Der begleitende Brief einliegend, abschriftlich.– Diese Blätter erfolgend beigehend unter Kreuzband nebst einem Artikel von Dühring über denselben Gegenstand. Letzteren habe ich aus dem etwas dicken Hefte getrennt, indeß der Vollständigkeit wegen das Titel- u. Rückblatt beigefügt. – Dühring gehört zu den von mir berecipissten. –

Dietzgen in Petersburg sandte ich zu Weihnacht Ihre Photographien. – Seine Antwort hierbei ebenfalls abschriftlich. –

Stumpf schreibt mir unterm 23. vorigen Monats., daß Wertheim in Wiesbaden sich „Das Kapital“ kaufen wolle um es gründlich zu studiren u. dann eine größere Arbeit darüber zu schreiben. – Stumpf giebt mir eine sehr günstige Schilderung von diesem Herrn, den er ganz für unsere Sache zu gewinnen hofft. – Dr. Klein – Mainz werde in den Weihnachtsferien etwas darüber schreiben. – Stumpf selbst hat bereits 10 Stück Ihres Buches verkauft u. wenn er noch 2 placirt hat, so bestellt er das Dutzend Exemplare. – Obgleich auch dieser Freund mich zur Geduld mahnt, so werde ich ihn doch bald wieder interpelliren, was für die süddeutsche Gemüthlichkeit nicht | nachtheilig sein kann. –

Liebknecht, welcher kürzlich auf dem Congreß der Volksparthei in Bamberg mit getagt, ließ mir durch Dr. Heisterbergh, Mitredakteur der hiesigen „Deutsch. Volksztg“ sagen: er habe sich sehr über meine „väterliche Mahnung Nationalöconomie zu oxen“ amüsirt. Es gäbe aber noch andere nützliche Dinge wie dies. – Bezüglich meines Tadels seiner bornirt süddeutsch. Preußenfresserei meldete er mir, daß Engels meine Ansicht theile, daß die jüngsten Ereignisse in sofern ein Fortschritt seien, als sie den Entwicklungsproceß vereinfachen, Marx stimme aber mit ihm überein. – Ich weiß, aus unseren mündlichen Besprechungen, daß letzteres nicht der Fall. – Sollten Sie es nützlich finden Liebkn. zu rectificiren, so diene Ihnen Obiges als Notiz. – Heisterbergh, ein begeisterter Verehrer Liebkn.’s fand es auch komisch, daß ich diesen zum Studium Ihrer Schriften ermahne. Er meint L., der 13 Jahre fortwährend mit Ihnen verkehrt habe, wisse das Alles außerdem u.s.w. – Ich hielt es zweckmäßig diesem Jüngling in schonender Weise anzudeuten, wie es ein großer Irrthum sei, Liebkn. = Marx zu setzen. – Ich fürchte, wenn es mit dem bramabarsiren nicht mehr gethan, wenn es wirklich an die Discussion concreter Fragen geht, werden wir Kummer an Liebkn. erleben, es sei denn, daß Sie oder Engels ihn scharf auf Stange nähmen, was aber ohne eigene gründliche Studien auch zu nichts führen kann, denn er muß doch den Feudalen u. Lassaleanern in der Behandlung specieller Classeninteressen durch positives Wissen gewachsen sein u. kann doch nicht stets | auf Instructionen warten. –

Der neue fatale Ausbruch Ihres Übels bestärkt mich in der Vermuthung, daß es Furunkeln sind, auch die loca affectionis. Ich wiederhole meinen früheren Rath, unverzüglich einen ergiebigen Lanzettstich durch die ganze Dicke der Haut machen zu lassen, sobald die Furunkeln sich zeigen. – Der Proceß wird um Wochen abgekürzt u. der Schmerz ist sogleich beseitigt. – Der Schmerz des Einstichs ist ganz unbedeutend. – ++

Sagen Sie Ihrer lieben Frau Gemahlin meinen herzlichsten Dank für ihren freundlichen, reizenden Brief und daß ich erwarte sie werde, wenn sie nicht „gnädig“ sein wolle, doch auch nicht ungnädig sein. –

An Engels schicke ich auch Exemplare von „Beobachter“ u. „Staatsanzeiger“ . –

Bald, recht bald, hoffe ich von Ihnen zu hören, besonders wie es mit Ihrem Befinden geht.

Meine Frau u. Fränzchen senden Ihnen u. den lieben Ihrigen herzliche Grüße u. Glückwünsche u. ich bitte Sie auch ferner Ihre freundliche Gesinnung zu bewahren

Ihrem
treu ergebenen
LKugelmann
Dr

Wir freuen uns alle auf die Aussicht Ihre liebe Fr. Gemahlin bald bei uns zu sehen. –

Glauben Sie an Krieg?

++ Dr. L. Kugelmann täuscht sich wenn er glaubt, in Engand wisse man nicht zwischen anthrax (Karb.) u. Furunkel zu unterscheiden. Außerdem ist das subjektive feeling bei den Beiden ganz verschieden.

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen mittelstarkem, weißem Papier im Format 287 × 214 mm. Prägung: „Dr. L. Kglm.“. Die ersten drei Seiten hat Kugelmann vollständig beschrieben, die vierte Seite ist leer. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Von Marx’ Hand mit schwarzer Tinte: Zuordnungszeichen „++“ neben der Passage „Der neue ... ganz unbedeutend.–“ und der Vermerk dazu auf der dritten Seite oben: „++ Dr. L. Kglm täuscht sich ... ganz verschieden.“

Von unbekannter Hand: Nummerierung des Briefes bzw. der beschriebenen Seiten mit Bleistift: „40a“ bis „40c“.

Anmerkungen zum Brief

Marx beantwortet den Brief am 11. Januar 1868 (Marx an L. Kugelmann, 11.1.1868).

Marx übersendet den Brief Kugelmanns nach dessen Erhalt an Engels. Engels schickt ihn am 10. Januar 1868 zurück (Engels an Marx, 10.1.1868: „Inl. Liebknecht, Kugelmann & Siebel zurück“).

Zur überlieferten Beilage („Der begleitende Brief einliegend, abschriftlich.“):

Adolf Friedrich Seubert an Louis Kugelmann, 1. Januar 1868.

H: IISG, Marx-Engels-Nachlass, Sign. R 116/O 29.

Die zweite Beilage („Seine Antwort hierbei ebenfalls abschriftlich“) ist nicht überliefert.

 

Zitiervorschlag

Louis Kugelmann an Karl Marx in London. Hannover, Freitag, 3. Januar 1868. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000506. Abgerufen am 24.04.2024.