| Hannover, 16. Dcbr. 1867

Lieber Engels!

Ich bekenne mich zum Empfange Ihres Geehrt. v. 12. u. 13 cts, nebst beigehender Sendung, welche letztere ich Ihnen gutgebracht.Es thut mir leid, daß Unpäßlichkeit Sie an der Effectuirung meiner Ordres behinderte. – Wenn Sie indeß gefälligst berücksichtigen wollen, daß Sie in Ihrer Zuschrift vom 8/22 Novbr etc selbst die Nothwendigkeit urgiren, diese Art Artikel in großen Quantitäten à 15–20 und möglichst gleichzeitig an den Markt zu bringen, daß Sie mir zugleich ausgedehnte Offerten machten; so werden Sie begreifen, daß es mich einigermaßen für die Erfüllung darauf hin eingegangener Lieferungs-Verpflichtungen beunruhigen konnte, meine Bestellungen nicht einmal durch eine Antwort berücksichtigt zu sehen. – Der große Ruf, welchen Sie, und mit Recht, in dieser Productionssphäre genießen, ließ mich, bei der Dringlichkeit Ihrer Vorstellungen annehmen, daß Sie wohl schon auf Lager gearbeitet hätten. – Indeß erwarte ich, daß die Qualität Ihrer Erzeugnisse das Versäumniß gut machen wird. Trotz der Zartheit des Gewebes sind die Artikel griffig u. kernig. Ihrer ferneren Zusendungen gewärtig etc. –

Sie sehen, lieber Freund, daß der Styl“ des „lausigen | Commerces“, mir noch nicht ganz abhanden gekommen ist. –

Die Copien der Artikel gehen noch heute Abend ab. Es versteht sich, daß ich die Originale bewahre; auch die früheren. – Ich habe gebeten mir die NNo, worin dieselben erscheinen mitzutheilen. Ich werde dann von jeder verschiedene Exemplare kommen lassen u. für Abdruck, namentlich des „thatsächlichen“ in norddeutschen Blättern weiter sorgen. –

In der „Zkft“ v. 12. d.M. weist Marx die Herren Wortführer des „Social-Democrat“ wegen ihres Plagiarismus zurecht. Bravo! Ich glaube nämlich aus den kurzen kritischen Bemerkungen die Löwenklaue mit Bestimmtheit diagnosticiren zu dürfen. –

Einliegend die eigenhändige Versicherung von Max Wirth, daß er Ihren Zkfts-Artikel empfangen hat. – Haben Sie die Güte, dieselbe an M. zu schicken. – „Legts zu den Übrigen“. –

Ferner beigelegte nat. öcon. Anschauung interessirt Sie vielleicht. –

Hauptzweck meines „Heutigen“ ist, Ihnen mein Erstaunen auszusprechen, daß Sie gelehrter Mediciner sich tagelang mit einer Neuralgie plagen. – Warum nicht sofort eine kleine Subcutan-Injection, die augenblicklich hilft, wenn nicht zufällig Idiosyncrasie gegen Opiate. – Rp Morph. acet. gr. X. Acid. acet. gr ii Aq. destill. ∋vß. mds. Zu Subcutan-Injectionen. – Davon 5 bis 8 Tropfen injicirt beseitigt den Schmerz momentan. – Neulich habe ich einer Frau die seit 24 Stunden in Folge von Lumbago (Hexenschuß | Muskelrheumatismus) keine Bewegung u. den Versuch dazu nur unter heftigsten Schmerzen machen konnte, durch diese einfache Methode innerhalb einer Minute, ohne Rückkehr des Übels, hergestellt. – Celer, cito et jucunde! –

Der Nothstand in Preußen regt allerlei Betrachtungen in der Preße über sociale u. russische Verhältnisse an, die beachtenswerth sind. So heute in einem guten leader der Zkft. Sie sollten das Blatt regelmäßig lesen. –

Wie kömmt ein Freund von Ihnen (Moore) dazu in Dührinken deutsch lernen zu wollen? – Warum nicht in Hannover?

Hat Bürgers Ihnen geantwortet? Soll ich ihm noch einmal zu Leibe gehen, da er meinen Brief noch nicht beantwortet hat?

Für heute Lebewohl, lieber Freund!

Von Herzen Gute Besserung.

Der Ihrige
K.

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Absender

Briefkontext

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen mittelstarkem, weißem Papier im Format 285 × 215 mm. Prägung: „Dr. L. Kglm.“ Kugelmann hat die ersten zwei Seiten vollständig, die dritte Seite zu vier Fünfteln beschrieben, die vierte Seite ist leer. Im Freiraum im unteren Teil der dritten Seite befand sich der aufgeklebte Zeitungsausschnitt mit der am Seitenrand quer stehenden Notiz von Kugelmanns Hand: „Neue Hannov. Anzeiger (? 12) Dcbr 1867“ (siehe die Beilage zum Brief), der später herausgeschnitten wurde. Der dadurch entstandene Textverlust konnte rekonstruiert werden. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Anmerkungen zum Brief

Kugelmann beantwortet Engels’ Briefe vom 12. und 13. Dezember 1867 (siehe Engels an L. Kugelmann, 12.12.1867 und 13.12.1867).

Eine Beilage zum Brief („Einliegend die eigenhändige Versicherung“ und Erl.) ist nicht überliefert, die andere („beigelegte nat. öcon. Anschauung“) siehe hier:

Wiedergabe einer Beilage:

Zeitungsausschnitt aus den „Neuen Hannoverschen Anzeigen“, vermutlich vom 12. Dezember 1867 (Originalhandschrift: IISG, Marx-Engels-Nachlass, Sign. L 2824/L V 269. Fotosign. 3328<c>.): Für National-Oeconomen als Notiz die Worte eines alten Arbeiters aus dem Oldenburgischen, wie alles Unglück und der schlechte Verdienst in unseren Tagen von „der Mäßigkeit“ (d. h. der Mäßigkeit- und Enthaltsamkeitsvereine) herstamme. „Gewiß van de Mäßigkeit, det globen Se man! Früher, da gungen die Buure in’ Weerthshus und drunken Branwien; denn haer die Weerthe ‘n Verdienst. Dann worden se hitzig un flogen Finster un Stöhle un Dische intwei – dann herr’n de Gläscher und de Dischler wat to dohn. – Dann flogen se sik Löcker in ‘n Kopp – denn verdeente de Docter wat. Naher, denn gung’t in Saken (kam es zur Klage), denn kregen de Affkaten wat to leben. Aberst nu? wat is’t nu up Stä? (auf der Stelle, gegenwärtig). Nu steckt se de Fööt an’n Aben (Ofen) und les’t in de Böcker; so weert jo wull noch luter Pastoren, un all de Verdeenst von de Annere, de fallt weg.“

 

Zitiervorschlag

Louis Kugelmann an Friedrich Engels in Manchester. Hannover, Montag, 16. Dezember 1867. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000484. Abgerufen am 20.04.2024.