| Funchal. 8/12 67

Lieber Marx!

Vergangenen Mai war ich in Deiner Wohnung. Ich sah Deine liebe Frau u. Dein jüngstes Töchterchen. Als ich das Mädchen vor dem sah, spielte es noch kriechend auf dem Fußteppich. Die Zeit vergeht rasch. Ich hatte im Mai alle Segel aufgespannt und hoffte guten Tagen entgegen zu segeln. Der Wind schlug um. Kaum war ich in Deutschland angekommen, da wurde ich abgetakelt und lag unnütz und unfähig, ein Wrack, im langweiligen wupperthaler Hafen. Viel hoffte ich zu thun! Ich schrieb Dir ja auch, daß ich mich freute ein wenig für Dein Buch wirken zu können. Meine Krankheit hat fast Alles verhindert. Die Vorreden, die Meißner | mir schickte, habe ich zwar möglichst passend versandt; ich konnte aber nur zu wenigen Begleitbriefe schreiben und da hat, der Gewohnheit gemäß, mancher Redacteur „das Circular“ ungelesen bei Seite gelegt. Mehrere Abdrücke und sogar Auszüge sind mir doch zu Gesicht gekommen.

Daß ich von Meißner kein Exempl. erhalten, war nicht Meißner’s Schuld, ich schrieb ihm, ich sei krank und müsse Barmen verlassen und gab ihm andere Adresse er sollte das für mich Bestimmte Rittershaus senden. Engels hat mich falsch verstanden. Ich bat Engels mir ein Buch zu kaufen, da ich das in Barmen versäumt hatte. Nun hat Deine Freundlichkeit mir geholfen! Ich sage Dir herzlichsten Dank für Dein Geschenk. In Deutschland konnte ich das Werk nur durchblättern, jetzt studire | ich es und finde mich trefflich darin zu recht. Daß die Herren, die jahrelang nichts als Phrase genossen und nichts als Phrase gespuckt haben diese gesunde, kräftige Kost nicht recht wohlschmeckend finden, ist leicht erklärlich. Die Vernünftigeren unter ihnen werden aber doch herankommen. Die ersten 60 Seiten haben mir auch mehrere Seufzer gekostet. Dann merkte ich, daß ich wieder denken lernte, daß es Logik in der Welt giebt und daß die Sache sonnenklar und hell ist, wenn man die Augen aufmacht.

Via Africa werden Dir im Laufe der Zeit mehrere Art. von Engels u. kleinere Notizen von mir zukommen. Ich konnte die Zeitungen zum Theil weder an Dich noch an Meißner direct senden lassen und so an mich gehend, „muß | der lange Weg ihr Säumen entschuldigen“.

Was durch mich von hier aus geschehen kann, geschieht. Ich habe Engels jetzt noch mehrere Zeitungen angegeben, die er oder ich, beglücken müssen.

Herzliche Grüße den Deinen!

In Treuen
Dein
Carl Siebel

Die Schiffe gehn jeden 10ten u. 24ten des Monats von Liverpool. Meine Adr. ist

Via Liverpool
Mr Carl Siebel
Funchal
Madeira
das genügt.

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Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Absender

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen mittelstarkem, graublauem Papier im Format 268 × 210 mm. Alle vier Seiten hat Siebel vollständig beschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Die Passage „ich“ bis „senden.“ ist Einfügungszeichen „#“ quer am linken und unteren Rand der zweiten Seite geschrieben . (Siehe Variante)

Archivsignatur des Moskauer Marx-Engels-Instituts (IMĖ): „Rj 21<a–d>“.

 

Zitiervorschlag

Carl Siebel an Karl Marx in London. Funchal, Sonntag, 8. Dezember 1867. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000472. Abgerufen am 19.04.2024.