| Hannover, 30. Novbr. 1867.

Lieber Engels!

Meinen Brief v. 25. d.M. werden Sie empfangen haben. – Einliegend die Copie eines heute empfangenen Briefes, der mich sehr erfreut hat. – Oberstlieutenant Seubert in Ludwigsburg bei Stuttgart war ein hochstehender Beamter des würtemberg. Kriegsministeriums bis die preußische Aera in Stuttgart einen Wechsel in diesem Departement hervorrief, der König v. Würtemb. ist ihm sehr zugethan, auch wurden ihm wiederholt diplomatische Missionen anvertraut. – Er soll ein geschätzter Schriftsteller sein u. früher auch Belletristisches, Reisebeschreibungen u. dergleichen geschrieben haben. – S. ist mir persönlich nicht bekannt, ich hatte aber Gelegenheit einer Tochter von ihm, als Arzt, wesentliche Dienste zu leisten, für die er mich so sehr seiner Dankbarkeit versicherte, daß ich ihm vor einigen Tagen schrieb u. umgehend einliegenden Brief erhielt. – Um die Antwort besser beurtheilen zu können, sende ich Ihnen auch die Abschrift meines Briefes an S. – Ich glaube mich versichert halten zu dürfen, daß S. alles in seinen Kräften aufbieten wird mir gefällig zu sein. – Wahrscheinlich entscheiden Sie sich nach dem ausgesprochenen Vorschlage auch für den schwäbischen Merkur u. Beobachter, wünschen Sie indeß auch „Das Gewerbeblatt für Würtemb.“, weil mit dem Staatsanzeiger verbunden, so schicken Sie nur, es ist ein Abmachen u. besser als wenn ich dem Herrn Oberstlieut. später noch einmal käme, was ihm vielleicht lästig werden könnte. – Sie verzeihen mir nun wohl, lieber Engels, die Bemerkung, daß es sehr indicirt ist die Artikel so abzufassen, daß dieselben gleich, ohne Umredaction, gedruckt werden | können. – Ex ungue leonem. Die „Europäer“ schöpfen Verdacht u. legen den Artikel zum schätzbaren Material, oder es bleibt bei der, wirklich vorhandenen guten Absicht, der Umredaction u. es wird wieder nicht gedruckt. Bezeichnen Sie mir gefälligst die einzelnen Artikel für welches Blatt dieselben bestimmt. Ihre Originale behalte ich hier u. sende die Copien ein, damit Niemand die Quelle ahnen kann. –

Büchner schrieb ich zugleich mit Ihnen u. gab ihm Ihre u. Marx’ Adresse. – Liebknecht purrte ich schon während seines Berliner Aufenthalts an etwas für das Buch zu thun u. mir über gethane Schritte Mittheilung zu machen, zur Übersichtlichkeit u. Erleichterung des Verfahrens, er scheint damals aber vollständig von der Production von Mehrpauken absorbirt gewesen zu sein, wie ihn jetzt die Reproduction derselben auf erweiterter Stufenleiter, sich selbst beschwatzender Schwatz, beschäftigt. Wenigstens hat er in den kurzen Notizen, die ich von ihm erhielt, mich nur um Besorgung von Briefen etc ersucht, mir ein Quantum seiner Pauken geschickt, was ich ihm selbstverständlich nicht verdenke, hat aber über MarxBuch keine Sylbe erwähnt. – Allerdings hat er die Aufnahme Ihres Artikels in der „Zukunft“ vermittelt. –

Ich habe nun auch andere Anfragen an Bekannte um Vermittlung bei der Preße ergehen lassen u. berichte Ihnen, wenn ich günstige Antwort erhalte. –

Haben Sie die Affaire Schulze-Siebenmark in der „Zukunft“ No 276 (24/11) 280 (29/11) 281 (30/11) unter „Local-Nachrichten“ wohl verfolgt? Ich meine die eignete sich sehr um in einem Correspondenz-Artikel darauf hinzuweisen, daß dies kein vereinzelter Fall ist, daß man in „Kapital“ u. Engels „Lage der arb. Class.“ reichliche ähnliche Fälle findet, daß dies überhaupt nur eine | besondere, gerade etwas anstößige, weil außergewöhnliche Form von Erpreßung von Mehrwerth ist. – Es wäre auch gut die Arbeiter darauf hinzuweisen selbst diese Angelegenheit zu untersuchen u. sie zu einer Classenfrage zu erheben. – Der Deputirte „Des Vereins zur Hebung der Erwerbsthätigkeit des weiblichen Geschlechts“, jedenfalls ein „Europäer“ wird den Fall verbürgerlichen. – Ich glaube die „Zukunft“ würde eine solche Correspondenz, besonders von Ihnen gern drucken. –

Nun, lieber Engels, noch ein Bekenntniß! Es beschwert mein Gewissen, daß ich zwar immer rathe, aber sehr wenig thate. – Sie müssen mir das aber wirklich verzeihen. – Ich beherrsche das Gebiet der polit. Oecon. so wenig, daß ich nicht den Muth habe die Feder dafür zu ergreifen. – Ein Artikel, den Sie leicht hinwerfen ist, bei der Fremdartigkeit des Stoffes für mich eine Arbeit, zu der ich, bei meiner absorbirenden Berufsthätigkeit u. bei der Zeitzerstückelung, die der ärztliche Beruf mit sich bringt, mich nicht sammeln kann. – Ich hoffe Sie u. Marx nehmen es mir nicht übel u. sind überzeugt, daß, was irgend wie im Bereiche meiner Möglichkeit liegt, auf’s Freudigste geleistet wird. – Bitte sagen Sie mir etwas hierüber, wenn Sie diesen melodramatischen Erguß auch belächeln sollten. –

Für heute adieu, lieber Freund, schicken Sie mir bald die Sachen für Würtemberg, für Zusendung von Exemplaren, worin dieselben gedruckt, an Marx, werde ich sorgen. –

Mit herzlichen Grüßen an Sie u. Marx

Der Ihrige
LKugelmann
Dr

Einliegend, die im vorigen Briefe erwähnten Recipissen. –

Halten Sie Zuschriften an beliebige Andre durch meine Vermittlung sicherer, so verfügen Sie. –

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Absender

Briefkontext

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen dünnem, weißem Papier im Format 270 × 205 mm. Prägung: „Dr. L. Kglm.“ Kugelmann hat die ersten drei Seiten vollständig beschrieben, die vierte Seite ist leer. Der Text auf der zweiten Seite („können. – Ex ungue leonem ... überhaupt nur eine“) ist quer geschrieben. Die letzte Passage („Halten Sie Zuschriften an beliebige Andre durch meine Vermittlung sicherer, so verfügen Sie. –“) steht quer geschrieben am linken Rand der dritten Seite. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Von Louis Kugelmanns Hand: Randanstreichung mit schwarzer Tinte („Bezeichnen Sie mir gefl. die einzelnen Artikel für welches Blatt dieselben bestimmt. Ihre Originale behalte ich hier u. sende die Copie ein, damit Niemand die Quelle ahnen kann.–“).

Anmerkungen zum Brief

Engels übersandte den Brief an Marx am 6. Dezember 1867 (Engels an Marx, 6.12.1867) und erhielt ihn mit Marx’ Brief vom 7. Dezember 1867 (Marx an Engels, 7.12.1867) zurück). Engels antwortete Kugelmann am 12. Dezember 1867 (Engels an L. Kugelmann, 12.12.1867).

Wiedergabe der überlieferten Beilagen zum Brief („Einliegend die Copie eines heute empfangenen Briefes“ und „die Abschrift meines Briefes an S.“):

1. Adolf Friedrich Seubert an Louis Kugelmann, 28. November 1867. In der Handschrift von Gertrud Kugelmann. Originalhandschrift: IISG, (Kleine Korrespondenz. Kugelmann.) Erstveröffentlichung: Dlubek, Skambraks: „Das Kapital“ von Karl Marx in der deutschen Arbeiterbewegung (1967). S. 127–129.

2. Louis Kugelmann an Adolf Friedrich Seubert, 27. November 1867. In der Handschrift von Gertrud Kugelmann. Originalhandschrift: IISG, (Kleine Korrespondez. Kugelmann.) Fotosign. 3330a-b. Erstveröffentlichung: Dlubek, Skambraks: „Das Kapital“ von Karl Marx in der deutschen Arbeiterbewegung (1967). S. 126/127.

Die weiteren Beilagen („Einliegend, die im vorigen Briefe erwähnten Recipissen.“ und Erl.) sind nicht überliefert.

 

Zitiervorschlag

Louis Kugelmann an Friedrich Engels in Manchester. Hannover, Samstag, 30. November 1867. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000457. Abgerufen am 18.04.2024.