| Lieber Freund!

Du hast mir dadurch, daß Du nach Liverpool kamst, eine große Freude gemacht. Es liegt mir daran von Dir nicht ganz vergessen zu sein. Von den meisten Menschen ist mir das Wurst. Ich danke Dir aufrichtig u. herzlich.

Wir hatten eine sehr schlechte Reise. Sonntag früh fiel ich, kaum 5 Min. auf dem Schiff, circa 15 Fuß tief in den Zwischenraum. Man hatte im Speisesalon eine Luke im Fußboden geöffnet, und ich fuhr hinab. Man zog mich mit Mühe wohlbehalten wieder herauf – ich hätte Hals u Bein brechen können – aber wozu dann alle die umständlichen tuberculosen Vorbereitungen? Meine Hochachtung für Muhamed, Calwin und – Moleschott ist durch diesen Fall bedeutend gestiegen.

Auf See hatten wir ekelhaften Sturm zu bestehn. Wir kamen statt Sonntag früh erst Dienstag Mittag in Funchal an. Unser Gepäck war von oben bis unten | durchseewässert; meine Frau hatte kein trocknes Kleid, ich kein trocknes Hemd. Nun sind wir in Madeira gerade in die Regenzeit gekommen. Es gießt vom Himmel, dabei allerdings 15–16o Reaumur. Sonst ist Alles gut. – –

Deinen Art. habe ich wörtlich copirt und an die Rhein u Ruhrzeitung in Duisburg geschickt. Das Interesse für derartiges ist dort durch einen Dr Lange früher sehr erregt worden. Für Barmen war die Arbeit zu lang. Ich habe selbst für Barmen eine Notiz geschrieben und abgeschickt. (Das heißt Alles geht mit dem Schiff das auch diesen Brief mitnimmt)

Wahrscheinlich kann ich für Mannheim noch eine Arbeit brauchen.

Dann, wo wohnen die Deutschen die Marx angreift? Ein Artikelchen im Blättchen ihres Städtchens, das die Frau Gemahlin auch liest, ruft ihre ganze Wuth und Kampflust wach, | während sonst die ganze deutsche Presse sie nicht im Mittagsschläfchen zu stören vermag. Vielleicht kann man das benutzen!

Dann – Meißner wird gut thun mit freundlichem Briefe ein Exemplar an Dr Lange – Sohn des bonner Professors – früher Lehrer in Duisburg – jetzt gemaßregelt, vermögend, irgendwo Schriftsteller und Buchhändler in Süddeutschland – zu senden. Lange schrieb eine Geschichte des Materialismus (curios christlich germanisch und Alles in Einem) und war Einer der Vielen, die gerne Lassalle’s Erbschaft angetreten hätten. Er ist aber trotz alledem ein sehr gescheidter und sehr eitler Mensch und wenn er über ein Buch schreibt, wird er für das Buch Interesse erregen.

Dann – liegt Euch etwas an der Kölnischen Zeitung? Vielleicht kann ich Meißner eine Adresse u die Weise angeben – damit die Kölner eine Kritik bringt. Der alte Kruse liebt sonst das Gold des Schweigens. – –

Abdrücke schicke ich Dir, sobald ich sie erhalte.

Grüße Gumbert.

Dein
Sbl

Meine Frau läßt Dich herzlich
grüßen! (extra Befehl)

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen mittelstarkem, weißem Papier im Format 269 × 209 mm. Siebel hat die ersten drei Seiten vollständig beschrieben, die vierte Seite ist leer. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Von unbekannter Hand: auf der ersten Seite oben rechts mit Bleistift die Datierung: „13 Dec 1867“.

Datierung in der Erstveröffentlichung: ca. 13. November 1867.

Anmerkungen zum Brief

Zur Datierung: Der vorliegende Brief ist der erste Brief Siebels an Engels von Funchal aus. Siebel verließ Liverpool am Sonntag, 10. November 1867 (siehe C. Siebel an Engels, 3.11.1867, Engels an Marx, 10.11.1867 und C. Siebel an Marx, 8.12.1867), und ist „Dienstag Mittag“, d.h. am 19. November 1867, in Funchal angekommen. In seinem zweiten Brief an Engels, geschrieben offensichtlich vor dem 8. Dezember 1867 (C. Siebel an Engels, vor 8.12.1867), schreibt Siebel, daß beider Briefe wohl „auf hoher See ein ander vorbeigefitscht“ sind (siehe C. Siebel an Engels, vor 8.12.1867). Engels hat seinen Brief an Siebel vermutlich mit dem von Liverpool am 24. November 1867 auslaufenden Schiff auf die Reise geschickt (siehe C. Siebel an Marx , 8.12.1867). Siebel dürfte den Brief deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach spätestens am Samstag, 23. November 1867 verfaßt haben.

Engels übersandte den Brief an Marx am 12. Dezember 1867. Siehe Engels an Marx, 12.12.1867 und Erl.

 

Zitiervorschlag

Carl Siebel an Friedrich Engels in Manchester. Funchal, spätestens Samstag, 23. November 1867. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000439. Abgerufen am 19.04.2024.