| Hannover, 23. Novbr. 1867.

Mein hochverehrter, lieber Freund!

Die „Deutsche Volkszeitung“ mit dem Artikelchen über Ihr Buch, welche ich Ihnen unter Kreuzband sandte, werden Sie, wie auch meinen Brief v. 6. d. Mts, erhalten haben. Jener Artikel war unter der Feder des Herrn Ehrenfried Eichholz so schandbar zugerichtet, daß ich wirklich empört darüber bin, daß man ein K davor gesetzt hat. Während ich zB. von der „naturwissenschaftlichen Methode“ Ihrer Analyse sprach, läßt Ehrenfried Sie die kapitalistische Production naturwissenschaftlich u. historisch entwickeln, überhaupt ist dem Gothaerthum zu Liebe so viel gestrichen, daß „die Consuln“ in höchst komischer Weise zum Vorschein kommen. Der Freihandelshausirbursche ist in einen Taucher verwandelt etc. – Trotz alledem habe ich diese Notiz nebst dem Separat-Abdruck des Engelsschen Artikels, mit Quellenangabe darauf dieser Tage verschickt an: Faucher, Schulze-Delitsch u. Dr. Dühring in Berlin (Letzterer ist Privat-Docent an der Berliner Universität (Nat. Oecon.) u. hat kürzlich einen mäßigen Octavband „gegen die Verkleinerer Carey’s“ veröffentlicht) ferner an Roscher – Leipzig. – Prof. Hildebrandt – Jena. – Rau – Heidelberg. – Die Retour-Recipissen von Roscher, Faucher u. Dühring empfing ich heute u. lege sie Ihnen bei. – Weil ich als Ihr Anhänger hier bekannt bin benutzte ich, wie Sie aus den Scheinen ersehen die Adressen eines Bekannten, welcher in der Nähe eine chemische Fabrik hat u. jetzt auch Ihr Buch studirt. –

| Daß Ihr Buch zu wirken beginnt sehe ich aus dem Programm der morgen stattfindenden Generalversammlung des Allgem. Deutsch. Arbeitervereins, worin 7) „der gesetzliche Maximalarbeitstag u. die englische Fabrikgesetzgebung“ verhandelt von Hofstetten – Berlin u. Geib – Hamburg. –

Von Bürgers weiter noch keine Nachricht. Er ist in Düsseldorf gegen den, von den Lassalleanern unterstützten conservativen Candidaten in der Reichstagswahl durchgefallen. –

Daß Liebknecht seine Reichstagspauken veröffentlicht hat, wissen Sie wohl schon. Viel wichtiger als das scheint mir, daß er sich ernstlich hinter das Studium Ihrer Schriften setzt. Die Opposition gegen den Cäsarismus, wenn nicht vom Standpuncte der gesellschaftlichen Entwicklung, muß nothwendig in kleinliche antipreußische Stänkerei ausarten, die allmählich langweilig wird. – Da Liebk. aus der Vogt-Affaire als Mitglied unserer Parthei bekannt, ist es doch wohl in der Ordnung, daß er sich mit Ihren Lehren bekannt macht u. wo die socialen Fragen im Reichstage zur Sprache kommen, den von ihm so sehr verachteten Wagner u. v. Schweitzer ausschließlich die Vertretung des Proletariats überläßt. – Von seinem Freunde Dr. Heysterbergh hier höre ich, daß Liebkn. solange die Behandlung der socialen Frage für contraindicirt hält, bis die politische im democrat. Sinne gelöst sei. – Heißt das, bis zur Classenherrschaft der Bourgeoisie in Deutschland, so würde die sociale Frage für immer zu vertagen sein. – Übrigens ist diese ganze Differenzirung ja ein nonsense u. scheint mir nur dadurch erklärlich, daß unser Freund sich der Sache nicht bemächtigt hat u. in ziemlich hervorragend süddeutscher Manier, Preußenfresserei | treibt. – Wenn Sie nichts dagegen haben, will ich ihm in nächster Zeit mal in diesem Sinne schreiben. – Theilen Sie meine Ansicht, so wäre es noch besser Sie oder Engels machten ihn mal darauf aufmerksam. Auch für den Erfolg Ihres Buches wäre es von Wichtigkeit, wenn im Reichstage Ihr Standpunct von einem befähigten Schüler vertreten würde. –

Die Fenier also doch heute Morgen gehenkt! Vielleicht auch ein Impuls mehr zur Verschärfung der Gegensätze. –

In der ersten Lesung des „Kapital“ bin ich bis pagina 517 gelangt. In der letzten Zeit war ich vielfach behindert. –

In der Hoffnung, daß es Ihnen u. den lieben Ihrigen wohl ergeht mit herzlichen Grüßen an die Freunde wie immer

der Ihrige
LKugelmann
Dr

Nur einen Gruß lieber Herr Dr. Wie geht es denn Eleanor? bitte grüßen Sie sie herzlich von mir. Mama grüßt herzlich und seien Sie herzlich gegrüßt

von
Ihrem
Fränzchen.

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen dünnem, weißem Papier im Format 268 × 205 mm. Louis Kugelmann hat die ersten zwei Seiten vollständig, die dritte Seite zu zwei Dritteln beschrieben, die vierte Seite ist leer. Franzisca Kugelmann hat den restlichen Teil der dritten Seite beschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Anmerkungen zum Brief

Zu den Beilagen zum Brief siehe Erl.

Widergabe der überlieferten Beilagen:

1. Empfangsbestätigung von Julius Faucher über den Empfang der Rezension von Friedrich Engels: Karl Marx. Das Kapital. Erster Band. Hamburg, Meissner, 1867, 784 Seiten. In: „Die Zukunft“. Berlin. Nr. 254 vom 30. Oktober 1867. Beilage.

Originalhandschrift: RGASPI, Sign. f. 184, op. 1, d. 23, Bl. 1.

Poststempel: „21/11 10-11V“, „Berlin Post-Exp. 10 22 11 67 #*{Sternchen*} 10-11V.“, „B K Hannover Nachts 22 11“. Registrationsnummer: „C 154“, „585“. Archivsignatur des Moskauer Marx-Engels-Instituts (IMĖ): „Rj 17a-b“.

2. Bestätigung von Wilhelm Roscher über den Empfang der Rezension von Friedrich Engels: Karl Marx. Das Kapital. Erster Band. Hamburg, Meissner, 1867, 784 Seiten. In: „Die Zukunft“. Berlin. Nr. 254 vom 30. Oktober 1867. Beilage.

Originalhandschrift: RGASPI, Sign. f. 184, op. 1, d. 23, Bl. 2.

Poststempel: „Leipzig 21 Nov 67 xx?“, „Ausgabe 21 XI IX{3/4}“, „[Hanno]ver Nachts [22] 11“. Registrationsnummer: „69“, „C 24“, „531“.

Archivsignatur des Moskauer Marx-Engels-Instituts (IMĖ): „Rj 20 a-b“.

 

Zitiervorschlag

Louis und Franzisca Kugelmann an Karl Marx in London. Hannover, Samstag, 23. November 1867. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000438. Abgerufen am 19.04.2024.