| Manchester 27 April 1867.

Lieber Mohr

Ich habe deine beiden Briefe, den letzten gestern Nachmittag bekommen, & hätte Dir auf den ersten längst geantwortet, wenn ich gewußt hätte wohin. Zuerst business. Deiner Frau, die mir heute Morgen schreibt, schick' ich £ 10.– & ebenso gleich Anfang nächsten Monats an Wheeler die andern £ 10.–. Dies wird Dich in Beziehung auf diesen Punkt einiger Maßen beruhigen, für die Zukunft eröffnet sich nach dem was Du schreibst glücklicher Weise endlich auch eine erfreuliche Aussicht. Es ist mir immer so gewesen als wenn dies verdammte Buch an dem Du solange getragen hast, der Grundkern von allem Deinem Pech war & Du nie herauskommen würdest & könntest solange dies nicht abgeschüttelt. Dies ewig unfertige Ding drückte Dich körperlich, geistig & finanziell zu Boden & ich kann sehr gut begreifen daß Du jetzt nach Abschüttelung dieses Alps Dir wie ein ganz andrer Kerl vorkommst, besonders da die Welt, sobald Du nur erst wieder einmal hinein kommst auch nicht so trübselig aussieht wie vorher. Besonders wenn man einen so famosen Verleger hat wie Meißner zu sein scheint. Übrigens fürchte ich der Schnelldruck wird sich nicht anders machen lassen als wenn Du selbst die ganze Zeit in der Nähe bleibst d.h. auf dem Continent, denn auch Holland wäre für den Zweck noch nahe genug. Ich glaube nicht daß die Gelehrsamkeit der Leipziger Correctoren für Deine Art hinreicht. Meine Broschüre ließ M. auch bei Wigand drucken & was haben die Schisser mir für Zeug da hinein korrigirt. Daß das Buch gleich bei seinem Erscheinen großen Effect machen wird, davon bin ich überzeugt, aber es wird sehr nöthig sein dem Enthusiasmus des wissenschaftlichen Bürgers & Beamten etwas auf die Beine zu | helfen & die kleinen Manöver nicht zu verschmähen. Dafür wird nach dem Erscheinen von Hannover aus Manches geschehen können & auch amicus Siebel der dieser Tage von Madeira, wie er sagt wohl & munter, zurückkehrt, & zwar über England, wird sich mit Vortheil in Bewegung setzen lassen. Dies ist gegenüber dem Literaten Pack nothwendig, von dessen gründlichem Haß gegen uns wir ja Beweise genug haben. Und dann wirken dicke, wissenschaftliche Bücher ohne solche Nachhülfe ja doch nur langsam, mit derselben aber – confer Heracleitos den Dunkeln &sw.– sehr „zündend“. Dies muß aber diesmal um so sichrer & fleißiger geschehn als es sich auch um finanzielle Resultate handelt. Die Gesammelten Aufsätze wird M. dann schon gern nehmen & damit ist wieder Geld & ferner auch ein neuer literarischer Erfolg geschaffen. Die Sachen aus der N. Rh. Z., der 18. Brümaire &sw, werden dem Philister jetzt enorm imponiren, & haben wir auf dieser Basis erst wieder etwas Terrain gewonnen so finden sich auch bald noch allerhand andre einträgliche Geschichten. Diese ganze Wendung der Sache ist mir ungeheuer erfreulich, erstens an sich selbst, zweitens wegen Deiner speciell & Deiner Frau, & drittens weil es wirklich Zeit ist daß sich dies Alles bessert. In 2 Jahren läuft mein Contract mit dem Sau-Gottfried ab, & wie sich die Sachen hier drehen, werden wir Beide schwerlich wünschen ihn zu verlängern; es wäre sogar nicht unmöglich daß schon früher eine Trennung einträte. Ist das der Fall, so muß ich aus dem Commerce ganz heraus; denn jetzt noch ein eignes Geschäft anzufangen, hieße 5–6 Jahre fürchterlich schanzen ohne nennenswerthes Resultat, & dann noch 5–6 Jahre schanzen, um die Früchte der ersten 5 Jahre einzuärnten. Dabei ging ich aber caput. Ich sehne mich nach Nichts mehr als nach Erlösung von diesem hündischen Commerce der mich mit seiner Zeitverschwendung vollständig demoralisirt. Solange ich da drin bin, bin ich zu Nichts fähig, besonders seitdem ich Principal bin ist das viel schlimmer geworden wegen der größeren Verantwortlichkeit. Wenn es nicht wegen der vermehrten Einkünfte wäre, möchte ich wahrhaftig lieber wieder Commis sein. Jedenfalls kommt | mein Kaufmannsleben in wenigen Jahren zu End & dann werden auch die Einnehmen sehr, sehr viel spärlicher fließen, & das hat mir denn immer im Kopf gelegen wie wir es dann mit Dir machen. Wenn das aber so geht wie es sich jetzt anläßt, so wird sich auch das schon arrangiren lassen, selbst wenn nicht die Revolution dazwischen kommt & allen Finanzprojecten ein Ende macht. Geschieht das aber nicht, so behalte ich mir vor, mir zu meiner Erlösung einen Hauptspaß zu machen & ein heitres Buch zu schreiben: Leiden & Freuden der englischen Bourgeoisie.

Auf Meißner's Vorschlag kann ich nicht eingehn. Ein paar Bogen wären rasch zusammengeschmiert, aber etwas Größeres, 6 à 10 Bogen, würden mehr Arbeit erfordern & für den jetzigen Kriegslärm zu spät kommen. Man kann doch nicht Sauereien à la Vogts Studien zusammenschmieren. Außerdem würde die Geschichte mehr oder weniger als ein Parteimanifest angesehen & da müßten wir doch zuerst einen Rath halten. Ich habe aber seit längerer Zeit ein Anti Russicum im Kopf & wenn die Ereignisse mir einen Anhalt bieten so fang ich gleich damit an & schreibe an Meißner. Die Frage bei mir ist nur noch die ob ich das „Nationalitätsprinzip“, oder die „orientalische Frage“ in den Vordergrund stelle.

Daß Bismark bei Dir anklopfen würde hatte ich erwartet, wenn auch nicht die Eile. Es ist bezeichnend für die Denkweise & den Horizont des Kerls daß er alle Leute nach sich beurtheilt. Die Bourgeoisie mag wohl die großen Männer von heute bewundern, sie sieht sich in ihnen widergespiegelt. Alle Eigenschaften wodurch Bonaparte & Bismark Erfolge erreichten sind kaufmännische Eigenschaften: das Verfolgen eines bestimmten Zweckes durch Abwarten & Experimentiren bis der richtige Moment getroffen, die Diplomatie der stets offnen Hinterthür, das Accordiren & Abdingen, das Einstecken von Insulten, wenn das Interesse es erfordert, das: „ne soyons pas larrons“, kurz, überall der Kaufmann. Gottfriend Ermen ist in seiner Weise ein ebenso großer Staatsmann wie Bismark, & wenn man die Schliche dieser großen Männer verfolgt so | wird man immer wieder auf die Manchester Börse versetzt. B. denkt wenn ich nur fortfahre bei Marx anzuklopfen so treffe ich schließlich doch einmal den richtigen Moment & wir machen dann doch ein Geschäftchen zusammen. Der reine Gottfried Ermen.

Daß der Preußenhaß dort so stark ist hätte ich nicht gedacht. Aber wie stimmt das mit dem Resultat der Wahlen? Die Nationalvereins Esel brachten doch die Hälfte durch, & in Kurhessen alle bis auf einen.

Vogt hat sich in der Gartenlaube in Lebensgröße abbilden lassen. Er hat sich in den letzten Jahren noch sehr verschweinert & sieht gut aus.

Simon von Trier hat in den Demokratischen Studien die mir neulich in die Hand fielen, ganz naiv ganze Seiten von Po & Rhein abgeschrieben ohne zu ahnen aus welcher vergifteten Quelle er schöpfte! So hat auch der Leutnant der in Unsere Zeit die militärischen Artikel schreibt, in „Preußen in Waffen“ meine Broschüre stark copirt natürlich ebenfalls ohne Quellen-Angabe.

Rüstow will mit Gewalt preuß. General werden, als ob das so leicht ginge wie bei Garibaldi. In seinem grundschlechten & liederlichen Buch über den Krieg kriecht er in optima forma vor Wilhelm dem Eroberer & dem Prinzen. Daher zieht er nach Berlin.

Ich sah Ernest Jones dieser Tage, er hat von 4 Orten Anfrage sich wählen zu lassen unter der neuen Bill – auch von Manchester. Schimpft gräulich auf die Arbeiter hier, and backs the Prussians at any odds against the French. Ich hoffe dieser Saukrieg geht vorüber, ich sehe nicht ein, was Gutes davon kommen kann. Eine franz. Revolution mit von vornherein gegebner Eroberungsverpflichtung wäre sehr eklig, es scheint fast als wolle Bonaparte sich mit dem Allergeringsten begnügen, ob aber der Herr der Heerscharen dem schönen Wilhelm erlauben wird ihm auch nur dieses Geringste zu gewähren werden wir abwarten müssen.

Grüße den Dr. Kugelmann unbekannter Weise bestens & danke ihm für die Heilige Familie.

Dein
F. E.

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen mittelstarkem, weißem Papier im Format 232 × 181 mm. Wasserzeichen: „A Pirie & Sons“. Prägung: „London Superfine“ und ein Wappenschild. Alle vier Seiten hat Engels vollständig beschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Von Eduard Bernsteins Hand: Nummerierung des Briefes bzw. der beschriebenen Seiten: „441,1“ bis „441,4“ bzw. „10,1“ bis „10,4“ (gestrichen). Redaktionelle Vermerke; eine Streichung.

Von Heinrich Dietz’ Hand: Nummerierung des Briefes: „888“.

Von unbekannter Hand: Vermerke mit Bleistift auf der ersten Seite: „Schuster“ oben links; die Jahresangabe „1867“ oben in der Mitte.

Anmerkungen zum Brief

Engels beantwortet Marx’ Briefe („deine beiden Briefe“) vom 13. und 24. April 1867 (Engels an Marx, 13.4.1867; Engels an Marx, 24.4.1867). Die Antwort von Marx erfolgte am 7. Mai 1867 (Marx an Engels, 7.5.1867).

 

Zitiervorschlag

Friedrich Engels an Karl Marx in Hannover. Manchester, Samstag, 27. April 1867. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000256. Abgerufen am 18.04.2024.