| Hannover, 11. Octob. 1866

Hochverehrter Freund!

Abgesehen von dem heute empfangenen, war der letzte Brief, welcher von Ihnen in meine Hände gelangte, der ab Margate v. 6. April ct. Einige Tage zuvor hatte Ihre werthe Frau Gemahlin die Freundlichkeit, mich über Ihr Befinden zu beruhigen und Ihre Photographie, die Sie von Margate gesandt hatten, beizufügen. – Am 15/25 April antwortete ich Ihnen und dankte Ihrer lieben Frau für ihre Güte. – Ihrem Wunsche gemäß, Ihnen von Zeit zu Zeit Einiges über hiesige Verhältnisse zu berichten, schrieb ich Ihnen wieder am 6 Juli. Der Brief enthielt nichts von Bedeutung. – Am Schluß bat ich, mir zu sagen, ob Sie meinen Brief von April erhalten u. ob Sie Ihrem Plane gemäß diesen Sommer hierherkämen, weil ich meine Erholungsreise danach einrichten wollte. – Außer Ihrem heute erhaltenen Schreiben, habe ich kein Lebenszeichen von Ihnen erblickt. – Aus Ihrem Schweigen schloß ich, daß Sie keine Lust zum Schreiben hätten, oder daß die Briefe verloren gegangen wären, oder daß diese oder Ihre Antwort unterschlagen worden sei. – Vom 19. Aug. bis | 20. Septbr. war ich verreist. – Ich hatte die Absicht mich, durch eine mir befreundete Familie in London, nach Ihnen erkundigen zu lassen, was aber bis heute unterblieb. –

Der von Ihnen erwähnte Brief ist also nicht in meinen Besitz gelangt, ist nach genauer Erkundigung bei meinen zuverlässigen Dienstmädchen, auch nicht während meiner Abwesenheit hier angekommen.

Sein Sie überzeugt, daß ich vollkommen die Ehre zu würdigen weiß, welche Sie dadurch mir erzeigen, daß Sie mich zum Vertrauten Ihrer Sorgen machen u. wie könnte ich von Ihnen voraussetzen, daß (eventuell) Sie mich für Verhältnisse verantwortlich machen würden, die als in unseren gesellschaftlichen Mißständen basirend, Niemand besser kennt, als Sie? An meinem guten Willen dürfen Sie nie zweifeln. –

Haben Sie nun die Güte, lieber Freund, mir den Inhalt jenes verlorenen Briefes, nochmals mitzutheilen, wenn es noch an der Zeit ist. Kann ich Ihnen nützen so geschieht es, wo nicht, so sage ich's Ihnen offen. –

Niemand kann mehr wie ich von der Nothwendigkeit der Vollendung Ihres Werkes überzeugt sein. –

Um diesen Brief nicht aufzuhalten theile ich Ihnen nur noch mit, daß der Pr. Staatsanz. vor etwa 8 Tagen die Nachricht brachte, Liebknecht, | wahrscheinlich irriger Weise voraussetzend, daß die Amnestie auch seine Ausweisung aus Preußen aufgehoben habe, sei nach Berlin gekommen, wo er eine Rede im Buchdruckergehülfenverein gehalten habe. Als er letzteres Local verließ wurde er verhaftet. – Das ist Alles, was ich bis jetzt darüber weiß.

Jedenfalls darf ich wohl umgehend Antwort von Ihnen erwarten.

Der Ihrige
LKugelmann
Dr

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen mittelstarkem, weißem Papier im Format 285 × 216 mm. Prägung: „Dr. L. Kugelmann“. Die ersten zwei Seiten hat Kugelmann vollständig beschrieben, die dritte zur Hälfte, die vierte Seite ist leer. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Von unbekannter Hand: Nummerierung des Briefes bzw. der beschriebenen Seiten: „25a“ bis „25c“.

Anmerkungen zum Brief

Kugelmann beantwortet Marx’ Brief vom 9. Oktober 1866 (Marx an L. Kugelmann, 9.10.1866). Marx antwortete ihm am 13. Oktober 1866 (Marx an L. Kugelmann, 13.10.1866).

 

Zitiervorschlag

Louis Kugelmann an Karl Marx in London. Hannover, Donnerstag, 11. Oktober 1866. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000184. Abgerufen am 19.04.2024.