| 1, Modena Villas, Maitland Park.
Mein lieber Herr Kugelmann,
Sie können nicht ahnen welch’ große Freude u. Überraschung Sie uns gestern
bereitet haben u. ich weiß wirklich nicht wie ich Ihnen für all Ihre
Freundschaft u. Theilnahme danken soll und nun gar noch für das letzte sichtbare
Zeichen Ihres Andenkens, Siehe S.
L. Borkheim an Marx, 23.12.1867 und
Erl.
und J.
Marx an Engels, 23.12.1867.
Schließen den göttlichen Vater
Zeus,
der nun bei uns die Stelle des „Christkindchens“ vertritt. Unser diesjähriges
Weihnachtsfest ist wieder ein sehr getrübtes, da mein armer Mann von neuem an seinem alten Leiden krank
darniederliegt. Es haben sich wieder 2 Ausbrüche gezeigt, von denen der eine
bedeutend u. an peinlicher Stelle ist, so daß Karl zum Liegen auf einer Seite
gezwungen ist. Hoffentlich werden
| wir bald Herr über die Krankheit u. Sie
werden im nächsten Briefe nicht mehr den interimistischen Privat-Secretair
erblicken.
Wir saßen gestern Abend Alle zusammen in den untern Räumen des Hauses, nach
englischer Einrichtung dem Küchenrevier von dem alle „creature comforts“ für die
höheren Regionen ausgehn, beschäftigt den christmas pudding mit gewissenhafter
Gründlichkeit zu präpariren. Da wurden Rosinen gekernt (eine sehr eklige,
klebrige Arbeit) Mandeln, Orangen- u. Zitronenschalen fein zerschnitten,
Nierenfett zu Atomen zerhackt u. aus dem ganzen Mischmasch mit Eiern u. Mehl ein
sonderbares potpourri geknetet; da auf einmal klingelt es, ein Wagen hält vor
der Thür, geheimnisvolle Tritte gehn auf u. ab, ein Geflüster, ein Rauschen
zieht durch das Haus; endlich ertönt
| es von oben „eine große Statue ist
angekommen“. Wenn es geheißen hätte „Feuer, Feuer, es brennt“ die Siehe Erl. zu Marx an Engels,
13.2.1867.
Schließen „Fenians“ sind da, so hätten wir nicht bestürzter,
verwirrter heraufstürzen können, u. Siehe J.
Marx an Engels, 23.12.1867 und
Erl.
Schließen da stand er da in
seiner kolossalen Herrlichkeit in seiner idealen Reinheit der alte
Jupiter tonans, unversehrt, unbeschädigt (eine kleine Kante am piédestal
ist etwas abgebröckelt) vor unsern starrenden, entzückten Augen!! In der
Zwischenzeit u. nachdem die Verwirrung sich etwas gelegt hatte lasen wir dann
Ihre L.
Kugelmann an Marx, 19.12.1867. Kugelmanns
Brief an Jenny Marx, geschrieben vermutlich ebenfalls am 19. Dezember
1867 (siehe S.
L. Borkheim an Marx, 23.12.1867,
„Einliegend ein Brief ...“, ist nicht überliefert (L. Kugelmann an J. Marx, vermutlich
19.12.1867).
Schließen uns durch Borkheim übersandten freundlichen
Begleitschreiben u. nachdem wir Ihrer in herzlichster
Dankbarkeit gedacht, begannen gleich die Debatten, wo wohl die würdigste Nische
aufzufinden sei für den neuen Die Bibel. Das
Neue Testament. Evangelium des Matthäus 6, 9–10: „So sollt ihr beten:
Unser Vater im Himmel, dein Name werde geheiligt, dein Reich komme, dein
Wille geschehe wie im Himmel, so auf der Erde.“
Schließen „lieben Gott der da ist
im Himmel u. auf Erden“.
| Über
diese große Frage sind wir noch zu keinem Resultat gekommen u. es wird noch
mancher Versuch gemacht werden ehe das stolze
Haupt seinen Ehrenposten finden wird.
Auch für Ihr großes Interesse u. Ihre rastlosen Bemühungen für Karls Karl Marx. Das Kapital. Bd. 1.
Buch 1. Hamburg 1867.
Schließen Buch danke ich Ihnen herzlich.
Es scheint, daß die Deutschen ihren Beifall am liebsten in Stillschweigen u.
gänzlichem Verstummen ausdrücken. Sie haben alle den Nölern tüchtig auf die
Beine geholfen.
Sie können mir glauben, lieber Herr Kugelmann, daß wohl selten ein Buch unter
schwierigeren Umständen geschrieben worden ist u. ich könnte wohl eine geheime
Geschichte dazu schreiben die viel unendlich viel stille Sorgen u. Angst u.
Qualen aufdecken würde. Wenn die Arbeiter eine Ahnung von der Aufopfrung hätten,
die nöthig war dies Werk, das nur für sie u. in ihrem Interesse geschrieben
| ist, zu vollenden, so würden sie vielleicht etwas mehr Interesse zeigen.
Siehe J.
Marx an Engels, 23.12.1867 „Die
Lassallianer waren ...“ und Erl.
Schließen Die Lassallianer scheinen sich am schnellsten des
Buchs accaparirt zu haben, um es gehörig zu verballhornen. Schadet aber nichts. –
Nun noch am Schluß muß ich ein Hühnchen mit Ihnen pflücken. Warum reden Sie mich
so formell sogar mit „gnädig“ an, mich einen so alten Veteranen, ein so
bemoostes Haupt in der Bewegung, solchen ehrlichen Mit-Läufer u. Mit-Bummler?
Ich
hätte Sie u. Ihre liebe Gertrud und Franzisca Kugelmann.
Schließen Frau u. Fränzchen, von denen mein Mann
nicht aufhören kann, so viel Liebes u. Gutes zu sagen, so gerne diesen Sommer
besucht, sogern Deutschland nach 11 Jahren einmal wieder gesehn.
| Ich war
in dem letzten Jahr viel leidend u. habe auch leider in der letzten Zeit viel
von meinem „Glauben“, meinem Lebensmuth eingebüßt. Es ward mir oft schwer mich
aufrecht zu halten. Da
Jenny (Tochter),
Laura und
Eleanor Marx
befanden sich auf Einladung von Ana
Virginia und François
Lafargue in Bordeaux und zur Kur in Royan ab 21. Juli
bis 10. September 1867. Siehe Marx
an L. Kugelmann, 13. Juli 1867 „Die
Reise meiner Frau ...“, Marx
an Engels, 20.7.1867 „Der alte Lafargue
...“, Jenny
Marx (Tochter) an Marx, Ende Juli 1867,
Marx
an Engels, 24.8.1867 „Die Kinder ...“
und Jenny Marx (Tochter) an Jenny Marx (Frau), geschrieben vor dem
10. September 1867 (RGASPI, Sign. f. 7, d. 10/4).
Schließen meine Mädchen aber eine große
Reise machten – sie waren zu den Eltern Lafargue’s nach Bordeaux
eingeladen – so ließ sich meine Rutschfahrt nicht gleichzeitig ausführen
u. ich habe nun also die schöne Hoffnung für das nächste Jahr vor mir.
Karl sendet Ihrer Frau u. Ihnen die herzlichsten Grüße, denen sich die Mädchen aufrichtig anschließen u. ich reiche Ihnen und Ihrer lieben Frau aus der Ferne die Hand
IhreJenny Marx
nicht gnädig u. nicht von Gottes Gnaden.
Zeugenbeschreibung und Überlieferung
Zeugenbeschreibung
Der Brief besteht aus einem Bogen und einem Blatt festem, weißem Papier im Format 224 × 180 und 112 × 180 mm. Prägung: eine Krone. Alle sechs Seiten hat Jenny Marx vollständig beschrieben. Die letzten Worte „nicht von Gottes Gnaden.“ stehen, quer geschrieben, am linken Rand der sechsten Seite. Schreibmaterial: schwarze Tinte.
Von Kugelmanns Hand: auf der ersten Seite oben in der Mitte mit schwarzer Tinte der Vermerk: „A an Marx 3/1 68.“; auf der ersten und der fünften Seite mit Tinte oben rechts das Datum: „24/12 1868“ bzw. „24/12 68“.
Von unbekannter Hand: Nummerierung des Blattes bzw. des Bogens: „13“ bis „16“.
Archivsignatur auf der ersten Seite oben rechts: „MF I 77“ (gestrichen).
Datierung in der Erstveröffentlichung: 24. Dezember 1867.
Drucke
Anmerkungen zum Brief
Die Datierung stützt sich auf den Zusammenhang des vorliegenden Briefes mit dem Brief von Sigismund Ludwig Borkheim an Marx vom 23. Dezember mit der Mitteilung über die Weitersendung der Jupiter-Büste (siehe S. L. Borkheim an Marx, 23.12.1867). Da Jenny Marx im vorliegenden Brief schreibt, daß das Geschenk „gestern Abend“ angekommen sei, wird der vorliegende Brief mit 24. Dezember 1867 datiert. Jenny Marx beantwortet Kugelmanns Briefe an Marx und an sie selbst (nicht überliefert) vom 19. Dezember 1867 (siehe L. Kugelmann an Marx, 19.12.1867 und S. L. Borkheim an Marx, 23.12.1867). Kugelmann beantwortete den vorliegenden Brief mit einem Brief an Marx vom 3. Januar 1868. Marx bedankte sich bei Kugelmann für das Geschenk der Büste in seinem Brief vom 11. Januar 1868.
Zitiervorschlag
Jenny Marx an Louis Kugelmann in Hannover. London, Dienstag, 24. Dezember 1867. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000499. Abgerufen am 18.04.2024.