| Dienstag.
Lieber Mohr!
Marx’ Brief an Wilhelm Liebknecht (Marx an W. Liebknecht, vor 8.10.1867), geschrieben
vor dem 8. Oktober 1867 (siehe Marx
an Engels, 4.10.1867 „Zeilen Liebknechts“), ist nicht
überliefert. Vermutlich schrieb Marx über die Übersendung der Exemplare des ersten
Bandes des „Kapital“ an
Liebknecht und Guido Weiß durch Otto Meißner . Siehe W. Liebknecht an Marx, vor
30.9.1867
und O.
Meißner an Marx, 7.10.1867 sowie Engels
an Marx, 8.10.1867.
Schließen Deinen Brief erhalten. Dank. Möglicherweise beabsichtigte
Marx eine Besprechung des ersten Bandes des „Kapital“ in der „Zukunft“ zu veröffentlichen. Siehe W.
Liebknecht an Marx, vor 30.9.1867.
Schließen Mit Weiß habe ich noch
nicht sprechen können, da ich gestern durch einen
Reichstagsschnupfen (schlechte Luft, was begreiflich) zum Hausarrest verurtheilt war.
Liebknecht bezieht sich auf die
bevorstehende Debatte über den Gesetzentwurf, „betreffend Coalitionen von Arbeitern
und
Arbeitgebern“.
Der Antrag zur Vorberatung dieses Gesetzentwurfes im Norddeutschen Reichstag wurde von
Hermann Schulze-Delitzsch auf der
7. Sitzung vom 24. September 1867 gestellt. Die Debatten über diese Frage fanden am
14., 15. und 19. Oktober 1867 statt. In der Generaldebatte über diesen Gesetzentwurf
am 19. Oktober 1867 hatte Johann Baptist von
Schweitzer das Ersuchen gestellt, das Gesetz anzunehmen. Liebknecht hatte
seine Unterstützung unter Hinweis auf seine grundsätzliche Gegnerschaft gegen den
Norddeutschen Bund versagt.
(Siehe
Stenographische Berichte über
die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes. I. Legislatur-Periode. –
Session 1867. Bd. 1. S. 68, 389–424 und 524/525; Der erste socialdemokratische
Arbeiterschutzgesetzentwurf in Deutschland. In: Documente des Socialismus. Bd. 1.
Berlin 1902. S. 178–185.)
Schließen Schweitzer, dem ich hier eine Mine grabe, hat einen
sozialistisch-bismarckischen Antrag eingebracht, den wir natürlich nicht unterstützen
können. Bismarck soll nicht
Gelegenheit gegeben werden, die Vorsehung der Arbeiter zu spielen, und sein
Polizeisystem noch auszudehnen und zu verschärfen. Ich werde in der Debatte für das Sozialistische gegen das
Bismarkische und gegen den ganzen Antrag sprechen.
In der Debatte vom 19. Oktober 1867 zum
Gesetz über Koalitionen von Arbeitern und Arbeitgebern
beantragte
der Arzt Peter Adolf Reincke, der im August
1867 im Wahlkreis Düsseldorf 1 (Lennep) in den Norddeutschen Reichstag gewählt und im
November 1867 aus dem ADAV ausgeschlossen wurde (siehe Wilhelm Heinz Schröder:
Sozialdemokratische Parlamentarier in den deutschen Reichs- und Landtagen 1867–1933.
Biographien – Chronik – Wahldokumentation. Ein Handbuch. Düsseldorf 1995.
S. 98), nicht nur eine Ergänzung zu § 2 des Gesetzentwurfes betreffend die
Kinderarbeit (siehe Engels an Marx, 22.10.1867 „Paragraphen
zum Schutz der Fabrikkinder“ und
Erl.),
sondern begründete auch die Notwendigkeit einer Kommission zur Untersuchung der
Arbeiterverhältnisse: „… die Engländer haben in ihrer Gesetzgebung das Recht, daß das
Haus Commissarien ernennt, um sich von der Lage der arbeitenden Klassen überhaupt zu
unterrichten. … Nun liegt es mir allerdings fern, Sie mit Klagen über diese Lage zu
unterhalten, aber ich möchte Sie auf die unabweisliche Pflicht hinweisen, nicht allein
in Betreff der Beschäftigung der Kinder, sondern im Allgemeinen sich darüber klar zu
werden, in wieweit die Lage der arbeitenden Klassen Gegenstand der gesetzgeberischen
Thätigkeit sein kann.“ (Siehe Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen
Bundes. I. Legislatur-Periode. – Session 1867. Bd. 1. S. 527/528.) Die
Einsetzung einer solchen Kommission erforderte aber eine Verfassungsänderung. Einen
entsprechenden Antrag, den Reincke erst in der nächsten Session des Reichstags stellen
konnte, wurde am 5. Juni 1868 abgelehnt. Er legte aus Protest dagegen sein Mandat als
Abgeordneter nieder. In einem Aufruf an seine Wähler (siehe An meine Wähler. [Gez.:]
Dr. Reincke. In: Demokratisches Wochenblatt. Leipzig. Nr. 26, 27. Juni 1868.
S. 206/207) begründete er diesen Schritt mit der Unmöglichkeit, im Reichstag, die
soziale Frage voranzubringen. Der Generalrat der IAA wurde in seiner Sitzung vom
23. Juni 1868 über den Rücktritt Reinckes und die Gründe unterrichtet. (Siehe Minutes of the General Council
1867-1869. S. 570.17–22 und Erl.)
Schließen Dr. Reinke – ein braver Bursche, der Dich grüßen läßt, wünscht mit
mir einen Antrag auf Niedersetzung einer Kommission zur
Untersuchung der Arbeiterverhältnisse einzubringen. Ich bin nicht ganz abgeneigt,
und möchte Dich bitten, uns umgehend zu schreiben, welche Vollmachten Englische Parlamentskommissionen haben und wie sie
zusammengesetzt sind. Am Besten wäre es, wenn Du beim
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Marx erfüllte diese
Bitte, indem er sich an Collet Dobson Collet mit einem nicht überlieferten Brief,
geschrieben zwischen 8. und 14. Oktober 1867 (Marx an
C. D. Collet, zw. 8. u. 14.10.1867), wandte und seine ausführliche Erklärung
dazu erhalten hatte. Siehe C.
D. Collet an Marx, 19.10.1867. – Parliamentary Stationer,
d. i. vermutlich Philip Stephen King. Siehe Marx
an Engels, 22. Juni 1867 „King schreibt mir ...“ und
Erl.
Schließen Parliamentary
Stationer das betreffende Gesetz (wenn ein solches zu bekommen) für uns
kauftest; An act for
facilitating in certain cases the proceedings of the commissioners appointed to make
inquiry respecting Trades Unions and other associations of employers or workmen (30
Victoriæ, Cap. 8). <5th April 1867.> <The Trades Union Commission Act,
1867.> – An act to extend the „Trades Union Commission Act, 1867“. <12th August
1867.> (30 & 31 Victoriæ, Cap. 74.) <The Trades Union Commission Act
Extension Act, 1867.> (Siehe A collection of the public general statutes passed in
the thirtieth and thirty-first years of the reign of Her Majesty Queen Victoria …
London 1867. S. 40–42 und 520.) Marx erhielt diese Akten am 14. Oktober und
beantwortete Liebknecht mit einem nicht überlieferten Brief, geschrieben ebenfalls am
14. Oktober 1867. Siehe Marx
an Engels, 14.10.1867 und
Erl.
Siehe auch Collet
Dobson Collet an Marx, 19.10.1867. – Marx notierte beide
Akte in seinem Notizbuch von 1866–1868, S. [150/151] und [152] (IISG,
Marx-Engels-Nachlass, Sign. B 100; MEGA2 IV/18).
Schließen auch hätten wir gern die
Bill zur Niedersetzung der Commission über die Trades Unions mit allen
Präambeln. Die Auslagen werden sofort vergütet.
Aber bitte, verliere keine Zeit; in 14 Tagen werden wir wohl wieder heimgeschickt.
Liebknecht versuchte, im Norddeutschen Reichstag einen Beschluss durchzusetzten,
der die preußische Polizei daran hindern sollte, ihr missliebige Angehörige anderer
deutscher Staaten auszuweisen, wie es Liebknecht am 3. Juli 1865 widerfahren war,
als er aus Berlin und ganz Preußen ausgewiesen wurde. (Siehe Liebknecht an Marx, 3.,
15 und 22. Juli 1865; MEGA2 III/13. Br. 271, 276 und 277 sowie 1194,
1200/1201 und 1202) Schon bei der Behandlung des Passgesetzes hatte Liebknecht am
30. September 1867 die Begründung seines Antrages benutzt, um den preußischen
Polizeistaat anzuprangern (siehe Erl. zu
Marx an Engels, 4.10.1867). Bei der Beratung des
Freizügigkeitsgesetzes am 21. Oktober 1867 forderte Liebknecht erneut,
Polizeiausweisungen, die ohne Gerichtsbeschluss vorgenommen werden, zu verbieten und
die bisher erfolgten Ausweisungsmaßregeln aufzuheben. Der Antrag Liebknechts und
seiner Anhänger lautete: „Den § 11 in folgender Weise zu fassen: Polizeiliche
Ausweisungen oder Untersagungen des Aufenthalts an irgend einem Orte des
Norddeutschen Bundes sind nur zulässig auf Grund gerichtlicher Erkenntnisse, welche
dazu ermächtigen, oder wenn der Betreffende die öffentliche Armenunterstützung in
Anspruch nimmt, nach den näheren Bestimmungen der Gesetze über die Armenpflege. /
Alle dem entgegenstehenden Privilegien einzelner Ortschaften werden hierdurch
aufgehoben. / Alle bisher erfolgten Ausweisungsmaßregeln treten mit Einführung
dieses Gesetzes außer Kraft.“ Liebknechts Antrag wurde wiederrum abgelehnt. Das
Gesetzt tritt am 1. Januar 1868 in Kraft. (Siehe [Wilhelm] Liebknecht: [Rede im
Reichstag des Norddeutschen Bundes am 21. Oktober 1867.] In: Stenographische Berichte über die
Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes. I. Legislatur-Periode. –
Session 1867. Bd. 1.S. 564, Sp. 2; derselbe: Was ich im Berliner „Reichstag“
sagte … Leipzig [1867].
S. 15–20.)
Schließen Nächste Woche beim Freizügigkeitsgesetz komme ich mit
der Ausweisungssache wieder vor; dießmal geht’s vielleicht durch, weil wir Marx
an Engels, 7.5.1867 „die National-Liberalen“ und
Erl
Schließen .
Schließen die Nationalliberalen
durch die Drohung der namentlichen
Abstimmung ins Bockshorn gejagt haben. Gelingt es, dann Siehe W.
Liebknecht an
Marx,vor
30.9.1867.
Schließen siedle
ich möglicherweise nach Berlin über.
Alice und Gertrud
Liebknecht.
Schließen Meine Kinder sind in Leipzig im alten Logis und provisorisch gut aufgehoben. Aber zu einem definitiven
Arrangement bin ich noch nicht gekommen.
Näheres in einigen Tagen.
Grüße an Dich & die Deinen
Library.In Eile während [Karl] Braun: [Rede im Reichstag des
Norddeutschen Bundes am 8. Oktober 1867 während der Vorberatung über den Vertrag
wegen der Fortdauer des Zoll- und Handelsvereins.] In: Stenographische Berichte über die
Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes. I. Legislatur-Periode. –
Session 1867. Bd. 1. S. 313, Sp. 1, bis S. 315, Sp. 1.
Schließen einer Rede des Bouffon Braun
geschrieben.
Zeugenbeschreibung und Überlieferung
Zeugenbeschreibung
Der Brief besteht aus einem Blatt mittelstarkem, weißem Papier im Format 142 × 150 mm. Beide Seiten hat Liebknecht vollständig beschrieben. Schreibmaterial: Bleistift.
Datierung in der Erstveröffentlichung: 8. Oktober 1867.
Anmerkungen zum Brief
Zur Datierung: Liebknecht schreibt den Brief „während einer Rede des Bouffon Braun“ auf der Sitzung des Deutschen Reichstages am Dienstag, den 8. Oktober 1867 („In Eile während einer Rede des Bouffon Braun“).
Marx antwortet Liebknecht mit zwei nicht überlieferten Briefen, geschrieben zwischen 10. und 14. Oktober und am 14. Oktober 1867 . – Siehe Marx an Engels, 14.10.1867 („Liebknecht hatte ich schon geantwortet“), Marx an L. Kugelmann, 15.10.1867 („Ich habe ihm von hier einige Instruktionen überschickt.“) und W. Liebknecht an Marx, 19.10.1867 („Your letter“).
Zitiervorschlag
Wilhelm Liebknecht an Karl Marx in London. Berlin, Dienstag, 8. Oktober 1867. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000379. Abgerufen am 28.03.2024.