| Genf den 7 October 1867

Werthe Freundin!

Ich bin Ihnen sehr dankbar  Siehe J. Marx an J. Ph. Becker, vor dem 5.10.1867 und J. Marx an J. Ph. Becker, nicht später als 5.10.1867.
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für Ihre lebhafte Korrespondenz
, die ohne telegraphisch zu sein, doch elektrisch wirkt & mich durch’s Feuer jagt.  Siehe J. Marx an J. Ph. Becker, nicht später als 5.10.1867.
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Die Adresse Bakunin’s
habe ich eben aufgetrieben; das Löwenhaupt wohnt rue Bradier Pradier No 3 à Genève.

 Karl Marx: Das Kapital. Bd. 1. Buch 1. Hamburg 1867. Becker wurde das Exemplar direkt vom Verlag zugesandt.
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Das Buch unseres Freundes
habe ich dieser Tage erhalten – für mich ein Heiligthum & für die Welt ein Schatz. Leider hat mir der Strudel von Plakereigeschäften für die Association kaum Zeit gelassen ernstlich hinein zu blicken. Das ist bitter, wenn man voll Lust, ja Sucht, ist, es ganz zu verschlingen & sich auch stark genug fühlt es zu verdauen. Indessen werde ich  Siehe J. Marx, Frau, an J. Ph. Becker, vor 5.10.1867.
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Ihren gastronomischen Rath
befolgen, die bezeichneten Artikel zuerst einnehmen & die übrigen als Nüsse & Mandeln zum Nachtisch knacken – & auch in Abwechslung & zur Erfrischung meines Humors den Herrn Bourgeois an den Kopf werfen.

Ueber den Gang   Zum Friedenskongress in Genf siehe Erl. zu S. L. Borkheim an Marx, 5.8.1867.
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des Friedenskongresses
war ich innerlich ganz entzückt, so zürnerisch ich auch äusserlich darüber that & thue. | Die internationale  Zur Friedens- und Freiheitsliga (Ligue internationale de la paix et de la liberté) siehe Erl. zu S. L. Borkheim an Marx, 5.8.1867.
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Friedensliga
ist das beste Mittel, um den alten politischen Parteien von schleichender zu galopirender Schwindsucht & stillem Grabe zu verhelfen, freies Feld für gesunde Entwicklung zu erhalten. Also vorwärts Herrn demokratische Weltbürger! lasst noch einmal auflodern euer letztes Lebensflämmchen & strebt den Tod für alle Vaterländer! Mit Ansetzung von Schreppköpfen & Auflegung von Zugpflastern werden wir euch die Erfüllung eurer Mission beschleunigen! – Es ist oft kein Spaß, gute Freundin, wie man zu weilen sich im praktischen Leben dumm stellen muß, um der Dummheit mit Anstand zur Glückseeligkeit zu verhelfen.

Noch muß ich Ihnen & zur Mittheilung an Freund Marx mein Herz ausschütten & sagen, daß ich mit dem Ablaufe dieses Jahres sowohl die Redaktion des „Vorboten“ als die Präsidentschaft des Zentralkomites der  Zur Sektionsgruppe deutscher Sprache siehe Marx an J. Ph. Becker, zw. 9. u. 15. Jan. 1866 „Die deutschen Sectionen ...“ und Erl.
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SektionsGruppe deutscher Sprache
aufgeben werde. Weder körperlich noch ökonomisch kann ich diese Stellungen länger aushalten: ökonomisch nicht weil ich nun seit drei Jahren keine Stunde für Besorgung meiner Privatverhältnisse erübrigen kann, ja auch noch meinen jüngsten  Ernst Hermann Becker.
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Sohn
fur die Arbeiten der Association in Anspruch nehmen | muß; körperlich nicht, weil ich nicht länger, als es menschenmöglich ist, entbehren & ein unabänderliches Naturgesetz umgehen kann & auch ein friedlicheres Leben im Schooße meiner Familie herstellen möchte. Hier stehe ich ganz allein & schaffe Alles allein, selbst die einfachsten Arbeiten & ist am allerwenigsten das „Zeug“ für ein Zentralkomite, das in Wahrheit funktioniren kann, vorhanden. Die Verdrießlichkeiten, die mir zuweilen maulwurfsmäßig durch einige Arbeiter, welchen  Carl Vogt.
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Vogt
gefällig zu sein die Politik hat, würden mich nicht abschrecken, sondern eher anspornen die Stellung bei zu behalten. Die Redaktion des „Vorboten“ allein wär mir Spielerei & würde mich nicht weiter geniren aber die stündliche Korrespondenz, die man immer noch vermehren muß, wenn man die Sache ausdehnen & sie recht machen will, die Expedition, Verwaltung & Leitung von Allem sind es, die mein ganzes Dasein absorbiren, so daß ich seit Jahr & Tag weder Zeit fand mit meiner Familie einen sonntäglichen Spazirgang zu machen, oder nur ein Bad zu nehmen. Die Mittel zur Zahlung der Stellungen bringen die Arbeiter noch nicht zusammen & wenn sie dieselbe auch zusammenbringen würden, so stehen sie für mich noch lange nicht auf dem Standpunkt, daß man ohne drückendes Gefühl, ohne sich selbst zu vernichten, eine Zahlung | annehmen kann. So bin ich in der peinlichen Situation ein Kind verlassen zu müssen das noch nicht laufen kann, dem ich aber nicht länger zu  Andere Lesart: „verhelfen“; es ist nicht sicher, ob die Vorsilbe als getilgt angesehen werden kann.
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helfen
(?)
vermag. Verschiedene Pläne der Sache in anderer Weise fortzuhelfen sind gescheitert. Vergeblich hoffte ich Theodor Remy von Eupen hierherzubringen. In Zürich, wohin ich dachte den Zentralsitz zu verlegen, finde ich Niemand, der die rechte Initiative, Energie & ausdauernde Arbeitskraft hätte und auch prinzipiell  übertragen für: unverfälscht, überzeugungstreu, zuverlässig; durch und durch echt.
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in der Wolle gefärbt
wäre. Dieser Tage wandte ich mich berathungsweise an Liebknecht, Bebel & s. w. in Leipzig, wo der Zentralsitz & Vorbote gut plazirt wären, wenn nicht die Polizeistaaterei im Wege stünde. Was ist aber zu machen? Freund Marx soll hier Rath geben.

Hätte ich eine  Jenny Marx.
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Geheimräthin & Sekretärin
wie Freund Marx an Herz & Hand, dann würde ich es wohl auch aushalten können bis an’s Ende der Welt, so stehe ich aber am –  Der Ölberg ist eine Erhebung nordöstlich der Jerusalemer Altstadt, die in verschiedenen neutestamentlichen Berichten eine Rolle spielt. Hier wohl Anspielung auf die Einsamkeit Jesus in Nacht vor seiner Kreuzigung, die er mit seinen Jüngern am Fuß des Berges verbrachte, wobei die Jünger, anstatt zu wachen und zu beten, eingeschlafen sind (Matthäus 26,36-56).
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Oehlberg
.

Im „Vorboten“ mehr!

Inzwischen seien Sie samt Ihrer
ganzen Familie herzlich gegrüßt

Joh Ph Becker

Bitte gelegenheitlich auch Grüsse an Borkheim, Eccarius & Lessner auszurichten. 

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Absender

Briefkontext

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen mittelstarkem, blauem kariertem Papier im Format 272 × 213 mm. Alle vier Seiten hat Becker vollständig beschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Archivsignatur des Moskauer Marx-Engels-Instituts (IMĖ): „Rj 7<a–d>“.

Anmerkungen zum Brief

Becker beantwortete Jenny Marx’ Brief vom 5. Oktober 1867 (J. Marx an J. Ph. Becker, 5.10.1867).

Marx legte diesen Brief seinem Brief an Engels vom 19. Oktober 1867 (siehe Marx an Engels, 19.10.1867) bei.

 

Zitiervorschlag

Johann Philipp Becker an Jenny Marx in London. Genf, Montag, 7. Oktober 1867. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000373. Abgerufen am 28.03.2024.