| Hoboken N.J.
box 101
5 juli 1867

Lieber Freund,

wie konnten sie glauben, daß ich die veranlassung zu ihrem langen schweigen misdeuten würde! sie konnten uns mit nichts mehr erfreuen, als mit der wichtigen nachricht über   Siehe Marx an S. Meyer, 30.4.1867.
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ihr werk, das mich nun bald erquicken wird.

Ich bin seit dem februar nicht mehr in Georgia, unter der großen geschäftslosigkeit mit leidend, welche hier schon 1 jahr herschen soll; ich bin vorläufig lehrer in einer deutschen schule in New-York, habe aber noch nicht darauf verzichtet, als bergmann wieder einmal an zu kommen. Die arbeiter verhältnisse näher kennen zu lernen, habe ich noch wenig gelegenheit gehabt; es besteht hier,  Siehe F. A. Sorge an Marx, 10.7.1867.
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wie ihnen Sorge vielleicht schon mitgetheilt hat,
 Den Kommunistenklub in New York hatten im Herbst 1857 deutsche Emigranten gegründet, von denen die meisten an der Revolution von 1848/49 teilgenommen hatten. Eine führende Rolle spielten Albrecht Komp, Friedrich Kamm, Friedrich Jacobi und Friedrich Adolph Sorge. Der Klub hatte etwa 50 Mitglieder, vorwiegend Intellektuelle und Handwerker. Er bemühte sich von Beginn an um Kontakte zu Joseph Weydemeyer und auch zu Marx. Mit dem Beitritt des New-Yorker Kommunistenklubs am 2. Juli 1867 entstand die erste Sektion der IAA in den USA. (Siehe Hermann Schlüter: Die Anfänge der deutschen Arbeiterbewegung in Amerika. Stuttgart 1907. S. 160–162; Obermann: Joseph Weydemeyer. S. 345–352 und 390–397; N[inel’]S[emenovna] Rumjanceva: Kommunističeskij klub v N’ju-Jorke (1857–1867). Vstupilel’naja stat’ja i publikacija [protokolov nemeckogo Kommunističeskogo kluba v N’ju-Jorke]. In: Marks i nekotoryje voprosy meždunarodnogo rabočego dviženija XIX veka. (Stat’i i dokumenty.) Moskva 1970.  S. 339–347 und 401–403; BdK 3. S. 487/488, Anm. 726.)
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ein sogenannter kommunistenklub
, aus etwa 20 mitgliedern, zu denen dr Koch, Fritz Kamm, Sorge gehören (Kamm ist vor einigen wochen gestorben). Von einer einwirkung dieses klubs auf arbeiter-geselschaften ist bis jetzt keine rede gewesen; die mitglieder | bei welchen von einer politischen durchbildung gesprochen werden kann, kommen eben mit arbeitern gar nicht in berührung.  Der Beschluß über die Aufnahme August Vogts in den Kommunistenklub in New York wurde auf der Sitzung vom 2. Juli 1867 einstimmig angenommen. (Siehe Protocolle des Communisten Clubs in New York. Sitzung vom 2ten Juli 1867. S. 67; RGASPI, Sign. f. 458, op. 1, d. 497, Bl. 51; Kopie.)
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Da seit einigen wochen freund August Vogt aus Berlin auch hier ist, so hoffe ich, durch diesen eine anknüpfung mit deutschen arbeitern bewerkstelligt zu sehen.
Daß die Lassalle-schwärmer auch in New-York vertreten sind, wird sie nicht überraschen; sie machen natürlich auch hier viel wind und lassen es an worten und phrasen nicht mangeln. ihr haupthahn ist  Wilhelm Weber.
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Weber
, ein sohn des Pfälzer uhrmacher   Joseph Valentin Weber.
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Weber in London
. Da dieser seit einigen monaten sich auch dem kommunisten-klub angeschlossen hat und neulich   Am 2. Juli 1867 hatte der Kommunistenklub in New York den Anschluß an die IAA beschlossen. Das Protokollbuch enthält folgende Information über die Sitzung des Kommunistenklubs in New York vom 2. Juli 1867: „Sorge mahnt an den ersten Gegenstand des Tagesordnung: Anschluß an die Internationale Arbeiter-Association. Vogt verliest einen Aufruf an alle Arbeiter und Arbeiter-Vereine zum Anschluß an die Internationale Arbeiter-Association, datiert Genf 5 Februar 1865 und die provisorischen Statuten. – Koch erklärt sich für den Anschluß und die Thätigkeit in dieser Richtung, obgleich der Klub nicht darin aufgehen könne, weil er höhere Zwecke habe. – Vogt erklärt die Kommunisten für eine selbständige Partei. Wir wissen, was wir wollen und müssen die Massen lenken, wie es jetzt die Fürsten thun. Die Arbeiterbewegung ist seit 2 Jahren so mächtig geworden, daß wir uns anschließen müssen, wenn wir nicht ins Nichts zurück fallen wollen. – Krahlinger ist gegen den Anschluß, weil nach ihm zugekommenen Nachrichten bei dem Kongress in Genf französische Arbeiter wegen Ihrer kommunistischen Tendenzen zurück gewiesen werden wären. – Koch. Keine Versammlungen nutzen etwas, so wenig als die Bewegung des grossen Widerstandes. So lange die Leute ruhig sind, ist nichts zu hoffen; nur die Schritte, welche eine Revolution anbahnen, sind von Werth. – Sorge hebt hervor, welch’ große Bedeutung die Arbeiterklasse gegenüber der Bourgeoisie habe. – Vogt. Die Kommunisten müssen die Arbeiter die Revolution lehren, so müssen auch die Arbeiter die 8 stundenbewegung durchmachen, um zu lernen, daß dies doch nichts nutzt und daß sie weiter gehen müssen. – Rödel ist für den Anschluß; doch erklärt er, die vorgeschrittenen Kommunisten haben nichts mit den Arbeitern besonders zu thun; hier haben sich die Arbeiter allen Fortschritts-Bewegungen entgegen ersetzt. – Sorge verli[e]st zur Berichtigung einiger vernommener Ansichten einen Brief von J. Ph. Becker. Der Anschluß an die Internationale Arbeiter-Association wird angenommen; gegen stimmen Krahlinger und Weber.“ (Siehe Protocolle des Communisten Clubs in New York. Sitzung vom 2ten Juli 1867. S. 67/68; RGASPI, Sign. f. 458, op. 1, d. 497, Bl. 51/52; Kopie; vgl. Aus den Protokollen des Kommunisten-Klubs in New York. 2. Juli bis 23. August 1867. In: BdK 3. S. 372.) – Marx verlas den vorliegenden Brief sowie den Brief von F. A. Sorge vom 10.7.1867 auf der Generalratssitzung am 23. Juli 1867 (siehe Minutes of the General Council 1866/1867. In: MEGA2 I/20. S. 576.12–16 und 576.16–22), wobei im Protokoll irrtümlich der Anschluß von zwei verschiedenen Vereinen vermerkt wurde.
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unserm anschluß an die intern. arbeiter assoziation
entgegentrat (ohne feiger weise einen grund an zu geben) so wäre uns ein aufschluß über das junge bürschchen erwünscht, der, wie es scheint, von London aus eingeblasen erhält, was er hier von sich gibt.

 Siehe W. Liebknecht an Marx, 25.4.1867 und 29.5.1867.
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Von Liebknecht haben sie wol nachricht;
was sie aber kaum wissen werden, ist, daß es ihm seit 1 halbem jahre ganz hundsföttisch schlecht geht. Vogt hat ihn vor seiner abreise in Leipzig besucht | und ist der meinung, daß er zu grunde gehen müsse, wenn er noch länger dieser not ausgesetzt bleibe. Sorge, der ihm   Zum Genfer Kongresses der IAA (1866) siehe Erl. zu Marx an W. Liebknecht, 15.1.1866 und Erl. zu Marx an L. Kugelmann, 15.1.1866.
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von Genf aus
befreundet ist, hat daher auch schon daran gedacht, ihn zu uns herüber zu ziehn. Seine wirksamkeit in Deutschland schlage ich sehr hoch an und würde im allgemeinen interesse demnach gegen diesen plan sein, der freilich unter obwaltenden verhältnissen für ihn selbst der gerathenste sein wird. – Sorge hat sich mit Becker bereits in verbindung gesetzt und ich denke, mit Vogts rühriger thätigkeit im agitiren werden wir hier reichligen zuwachs erhalten können.

Ueber die hier so zahlreichen arbeiter-geselschaften weiß ich nicht viel mehr, als was die zeitungen bringen. Daß diese sämmtlich die 8stunden bewegung hart bekämpfen, ist nicht auffallend. Das im september 1866 erschienene arbeiterblat: The national workman war zum theil sehr matt, suchte dann fühlung bei  Democratic Party (United States).
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der demokratischen partei
und  Die letzte Nummer der Wochenzeitung “The National Workman” erschien am 2. März 1867.
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gieng im april ein
.   New-York Tribune.
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Den arbeitern | am günstigsten, wenn auch noch feindselig genug äußert sich die Tribune
. Daß dieser gegenüber  Siehe W. Liebknecht an Marx, 29.5.1867 und Erl.
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Dana im herbst ein neues großes organ gründen wird
, ist ihnen wol bekannt.

Im ganzen scheinen mir die industriellen notstände der Vereinigten staaten einer reißend schnellen entwickelung entgegen zu gehen und daß binnen wenigen jahren eine repudiation der schuld eintreten wird, bezweifeln nur wenige.

Erfreuen sie mich und meine freunde wieder einmal mit einigen zeilen und bewahren sie sich ihre gesundheit und guten mut, der ihnen vielleicht schneller abhanden komt, als uns jungem volk.

Ihr
Sgfrd Meyer.

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.

Absender

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Bogen festem, weißem, liniertem Papier im Format 250 × 207 mm. Prägung: eine Vignette mit der Aufschrift „Holyoke Co“. Meyer hat die ersten drei Seiten vollständig, die vierte zum drei Vierteln beschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Archivsignatur des Moskauer Marx-Engels-Instituts (IMĖ): „Rj 22a–d“.

Die Schreibweise wurde nicht berichtigt.

Anmerkungen zum Brief

Meyer beantwortet Marx’ Brief vom 30. April 1867 (Marx an S. Meyer, 30.4.1867). Marx’ Antwort erfolgte am 27. August 1867 (Marx an S. Meyer, 27.8.1867).

 

Zitiervorschlag

Sigfrid Meyer an Karl Marx in London. Hoboken, Freitag, 5. Juli 1867. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000292. Abgerufen am 28.03.2024.