| New-York den 14 Febr. 66.

Lieber Marx!

Ich fühle mich verpflichtet, Ihnen mitzutheilen, das sich hier ein Verein, auf derselben Grundlage und mit demselben Namen wie der in Deutschland, von F Lassalle gegründet hat, auf den paar Wörtern: die Arbeit soll den Staat regieren! beruhend. Aber auch hier in Amerika ist dieß nicht der Fall, sondern hier regiert denselben die Bourgeoisie, durch den abscheulichsten Humbug welcher hier bei den Wahlen getrieben wird; wir haben uns darum die Aufgabe gestellt, das hiesige Stimmvieh wie Sie es ganz richtig bezeichneten, zu seinem Selbstbewußtsein zu erheben, um das es bei den Wahlen seine Stimme nicht mehr für einen erbärmlichen Dollar, oder sogar für einen Schluck Bier an die Bourgeoisie verkauft, sondern, mit vollem Ernste, Männer zu wählen sucht, welche sein eignes Wohl das Wohl der arbeitenden Klasse zu befödern befördern suchen!

Ferner haben wir beschlossen,  Siehe MEGA2 III/13. Br. 348.24–30. – 1865 war der ADAV in eine Krise geraten. Bernhard Becker, der von Ferdinand Lassalle testamentarisch als Präsident des ADAV empfohlen worden war, legte am 21. November 1865 sein Amt nieder. Erst Johann Baptist von Schweitzer, der die Funktion des Präsidenten im Mai 1867 übernahm, vermochte eine Stabilisierung des Vereins herbeizuführen. (Siehe Hümmler: Opposition gegen Lassalle. S. 200–211.)
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weil jetzt Becker als Präsident abgedankt, und wie uns mitgetheilt, ein radikalerer, Namens Tölke seine Stelle eingenommen,
mit dem Allg. deutsch. Arb. Verein draußen zu corespondiren, um, durch unser Zusammenhalten, unsre deutschen Brüder draußen anzufeurern!

Aus oben angeführtem Grunde, die Wahl betreffend, bekümmern wir uns wenig oder gar nicht um die Petitionen für die Achtstunden Arbeitszeit und d.gl. mehr denn ein freier Bürger braucht nicht zu betteln! besonders der hiesige Arbeiterstand nicht, wenn er nur die Wahlen richtig und mit vollem Ernste handhabt!

Die jetztige Regierung wird sie, mitsammt ihren Sturm-Petitionen, wie man die Bettelei zu nennen beliebt auslachen!

Schließlich mögt’ ich Sie nun ersuchen uns über oben Angeführtes Ihre Meinung resp. Rath mitzutheilen!

| Von Dr. Rode aus Liverpool habe ich erfahren das Sie  Die Internationale Arbeiterassoziation.
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das internationale Arbeiter Comite
leiten, daher mögt’ ich Sie auch ferner ersuchen mir doch auch hierüber Etwas mittheilen zu wollen! weil die ächte wahre Arbeiterbefreiung nur international betrieben werden kann, auch der Communismus beruht auf diesem Fundamente!

 Das Gedicht als Beilage ist nicht überliefert.
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Beiliegendes Gedicht
widmet Ihnen ein ächt communistisches Herz, in diesem Sinne mögten Sie es annehmen; dessen Rythmus mögen Sie berüksichtigen, weil es aus der Feder eines schlichten, jedoch radikalen Arbeiter geflossen ist!

Aus dem beiligenden Gedichte „An das amerikanische Proletariat“ können Sie entnehmen, wie ich über dieses denke.

Klings sowie  Julius Melchior. – Moll und Melchior besuchten Marx in London am 1. Juni 1864 auf dem Weg in die USA. Siehe MEGA2 III/12. Br. 357.12–35 und Br. 365.14–19.
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mein früherer Reisegefährte Mälchior
sind in St. Louis.

 Moll und Melchior schrieben Marx aus New York im September 1864 (MEGA2 III/12. Br. 424).
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Haben vielleicht meinen Brief, den ich einige Zeit nach meiner Ankunft in Amerika an Sie abgesendet nicht erhalten,
da ich von Rode erfuhr das  Marx hatte in Zaltbommel bei seinem Onkel Lion Philips, dem Testamentsvollstrecker seiner gerade verstorbenen Mutter seit 21. Dezember 1863 (MEGA2 III/12. Br. 297.3–4) geweilt und war von dort kommend am 19. Februar 1864 (ebenda. Br. 314.3–4) wieder in London eingetroffen.
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Sie um diese Zeit nach Holland verreißt waren?

Mit Gruß u. Handschlag

Moll.

Meine Adresse ist:
F.W. Moll
Caer of W. Pooll
26. Spring St.
New York.

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.

Absender

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus einem Blatt dünnem, weißem, kariertem Papier im Format 205 × 264 mm. Moll hat beide Seiten vollständig beschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Die Beilagen („Beiliegendes Gedicht“ und „Aus dem beiliegenden ...“) konnten nicht ermittelt werden.

Anmerkungen zum Brief

Der Brief war vermutlich in einem Umschlag mit dem Brief von August Schlag an Marx vom 14. Februar 1866 (A. Schlag an Marx, 14.2.1866) abgeschickt worden.

 

Zitiervorschlag

Friedrich Wilhelm Moll an Karl Marx in London. New York, Mittwoch, 14. Februar 1866. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000042. Abgerufen am 28.03.2024.