| Hannover, 22 März 1869
Mein hochverehrter, lieber Freund!
Sie können sich keine
Vorstellung machen in welch’ unbeschreibliche Freude Sie uns durch die Aussicht
auf Ihren u. Ihres lieben Töchterleins
Besuch versetzt haben. – Karl Marx: Das Kapital. Bd. 1. Buch
1. Hamburg 1867. Siehe Erl. zu Marx an
J. Ph. Becker, zw. 9. u. 15.1.1866: „1200 Seiten
Manuscript“. (MEGA2 II/5). Die Manuskripte für eine
Fortsetzung des „Kapital“, an denen Marx bis zum Ende seines Lebens
weiterarbeitete, wurden erst nach seinem Tod von Engels veröffentlicht.
Ausführlicher dazu siehe hier.
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wahrhaftig dazu kommen u. die Vollendung des
Bd. II
sich nicht ebenso wie die des Bd. I hinausziehen? Haben Sie schon mit der
Reinschrift begonnen?
Schon seit Monaten haben wir Pläne für den nächsten Sommer gemacht, bei denen wir die sehnlich erwünschte Möglichkeit Ihres Besuches in stete Miterwägung zogen. – Die letzten 2 Jahre war meine Frau mit Fränzchen im Juli u. ich später verreist. Im letzten Herbst gönnte ich mir gar keine Erholungsreise, ließ mich durch die Praxis fesseln und fühle noch heute den Nachtheil davon in meinem Befinden. Nun dachten wir im nächsten Spätsommer irgendwo zusammen hinzugehen. Wohin? würde von meinem Befinden abhängen. Bessert sich dieses nicht erheblich (wozu allerdings augenblicklich Aussicht vorhanden), so dachten wir in Elgersburg in Thüringen (unweit Ilmenau in reizender Gebirgsgegend) unsere Hütten aufzuschlagen; ich wollte dann dort eine Kaltwassercur gebrauchen u. wir könnten dabei in den herrlichen, waldigen Bergen umherstreifen. Bessert sich mein Befinden, so stände außerdem noch das Seebad Sylt auf der engeren Wahl. – Beiderwärts soll man billig leben können, weshalb wir uns den Luxus einer gemeinsamen Villegiatur im Interesse unserer Gesundheit u. Behaglichkeit gestatten zu dürfen glaubten. –
Jedesmal, wenn diese Pläne
besprochen wurden – u. Sie
| 2 müssen bedenken, daß dies die einzige Erholung
im ganzen Jahre ist, die mir zu Theil wird, daß mir hier keine irgend goutable
Zerstreuung geboten ist, daß ich hier keinen einzigen Menschen kenne, der meine
Interessen theilt, ja, der sie nur versteht – jedesmal sagten wir dann: Ach,
wenn Marx doch dabei wäre, das wäre himmlisch. Sie, von Ihren bahnbrechenden,
aufreibenden Arbeiten für einige Zeit ausruhend; ich, momentan befreit von den
täglichen Aufregungen u. Sorgen der Praxis – allesammt dann in herrlicher Natur
uns gemeinsam mit einander freuend. – Marx an L. Kugelmann,
3.3.1869.
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letzter, lieber Brief hat nun eine „Basis der
Unterhandlungen“ geschaffen. Daß Ihre liebe Jenny Sie begleiten wird, erhöht den Wunsch der Realisirung. Es versteht sich von selbst, daß die „Heimsuchung“ bei uns in
Hannover Ihnen unter keinen Umständen erlassen wird. – Die Zeit, um
welche es sich handelt, wäre etwa von Mitte August bis Mitte September. –
Vielleicht
schlösse sich Engels, dann befreit vom
„lausigen
Commerce“ uns an. – Eine uns befreundete,
sehr liebenswürdige Familie (NB., die Sie mit Ihrem Töchterlein sofort in
Hamburg aufsuchen müssen, auch mit Meissner
bekannt – Blaase &
Schröder.
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daselbst) Ihren Interessen bereits dienstbar gemacht, ist geneigt auch Theil zu
nehmen. – Wenn ich nicht irre pflegen Sie sowohl, wie Ihre Damen alljährlich
in’s Seebad zu gehen; wenn Sie u. Frl. Jenny nun zu Gunsten meiner Vorschläge
Ihren englischen Landaufenthalt ins Deutsche übersetzten? Ich glaube es ginge
sehr schön u. wäre nebenbei auch billiger. – Überlegen Sie es sich nun mal recht
reiflich u. wenn es irgend zu ermöglichen, dann bitte,
machen Sie uns durch eine bejahende Antwort
| 3 glücklich. Da ich mir einiges
Organisationstalent zutraue, außerdem, als Arzt, an Badeplätzen, als persona
grata, einige besondere Rücksicht genießen dürfte, so würde ich dann die
nöthigen Arrangements zuvor übernehmen u. vielleicht auch noch für anderweitige
gemüthliche u. interessante Gesellschaft sorgen.
(Natürlich
Damen, da Herren „bekanntlich“ selten gemüthlich u. nie interessant
sind.)
Nochmals sei hier aber, mit Nachdruck, erwähnt, daß wir es uns durchaus nicht nehmen lassen, Sie u. Ihre liebe Jenny für längere Zeit, bei uns zu sehen. – Ende August wird unser Theater (Ende Mai geschlossen) wieder eröffnet, wenn wir dann wieder hier eintreffen, haben wir, außer dem Theater, auch noch die Concerte in Odeon u Tivoli, die Ihnen so gut gefielen u. die Promenaden in unserer schönen Umgebung. –
Zu meiner großen Freude
erfuhr ich kürzlich durch
Frau Blaase,
daß Ihr Karl Marx: Der 18te Brumaire des Louis Napoleon. New
York 1852.
Schließen 18. Brumaire
Karl Marx: Der
Achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Ausg. Hamburg: Meißner
1869. Siehe MEGA2
I/11.
Schließen von Meissner
wieder
gedruckt wird. – Ich mache bereits vorbereitende Propaganda
dafür. –
Einliegend
Liebknechts Antwort die erst auf den
2. Brief erfolgte. Staatsmännisch. – Der Vollständigkeit wegen auch der frühere
Brief von Carl Hirsch. – Der Krakehl
zwischen Liebkn. u. Schweitzer fängt an
widerwärtig zu werden u. schadet gewiß der Organisation des Proletariats, die
mir um so mehr Hauptsache zu sein scheint, als beide Fractionen sich der
Internat. Assoc. anschließen wollen u.
dann schon in das richtige Fahrwasser kommen müssen. Der
bevorstehende Maulkampf zwischen Liebkn. u. Schweitzer erinnert mich weniger an
Luther u. Eck als an
Pater
Jose u. Rabbi Juda den Navarrer, von Heine in seiner Heinrich
Heine: Disputation. In: Romanzero.
Drittes Buch: Hebräische Melodien. Hamburg 1851. S.
261-283.
Schließen „Disputation“ besungen. –
Marx
an L. Kugelmann,
3.3.1869.
Schließen Ihre Notizen über die französische Entwicklung
waren mir höchst interessant. – Ist es wichtig, die angeführten Schriften, oder
welche davon? zu lesen, – Siehe MEGA2 I/7.8.9.
Schließen Ihre
Arbeiten in der Rh.
Ztg-Revue
| 4 u. 18. Brumaire,
als bekannt vorausgesetzt. –
Daß Ihr bevorstehend gewesener Besuch in Paris avisirt war, läßt auf „Intimes“ in Ihrer näheren Umgebung, oder der von Lafargue schließen. – Oder sollte wirklich jeder Brief dem französischen Vandalisme unterworfen werden? –
Siehe A.
Bachmann an Marx, 31.1.1869. und Karl Marx:
Deutsche Übersetzung des Berichts von Friedrich Engels über die
Knappschaftsvereine der Bergarbeiter in den Kohlengruben
Sachsens. Zwischen dem 2. und 15. März 1869. In: MEGA2
I/21. S. 110–115. Der „Bericht über die Knappschaftsvereine der
Bergarbeiter in den Kohlenwerken Sachsens“ erschien
zuerst in: Social-Demokrat. Nr. 33, 17. März 1869. S. 3, Sp. 3, bis
S. 4, Sp. 3. und danach in: Die Zukunft. Berlin. Nr. 67, 20. März
1869. S. 2 und Nr. 68, 21. März 1869. S. 2; „Demokratisches
Wochenblatt Nr. 12, 20. März 1869. Beilage. S.
137-139.
Schließen Ihre Kritik
über die sächsischen Knappschaftsvereine ist famos u.
wichtig bei den jetzt schwebenden Verhandlungen
über das Gewerbegesetz. Werden Sie, wie ich jüngst in der "Zukunft" las an einem von
Oberwinder in Wien zu gründenden Blatte
thätig mitarbeiten?
Sie sagen in Marx
an L. Kugelmann, 3.3.1869.
Schließen Ihrem letzten Briefe:
„Die Pariser studiren förmlich Ihre jüngste revolutionäre Vergangenheit.“ Da ist
es denn wohl billig, daß ich Ihnen mein jüngstes Bild schicke, welches etwas
revolutionairer als die früheren ausgefallen ist. – Als Frauenarzt bin ich
leider genöthigt Photographien von mir als stehenden Ausgabepunct im Ordinarium
meines Budgets zu betrachten. –
Im Mai d. J. kommt Dr. Jacobi – New York herüber. Ich werde ihn wahrscheinlich sehen. – Haben Sie mir Point-de-vues für diesen Fall zu geben? –
L. Kugelmann an Marx,
4.3.1869.
Schließen Darf ich um die in
meinem
letzten Briefe erbetenen Notizen über
Rußland bitten? Ihr Photogr. nicht zu
vergessen. –
Frau Tenge geht es gut, sie erinnert sich Ihrer mit stets lebhaftem Interesse u. sendet Ihnen herzliche Grüße. –
Mit herzlichsten Grüßen für Sie u. die lieben Ihrigen
Ihrtreu ergebener
L. Kugelmann
Dr
Ich freue mich sehr, lieber Herr Doktor, daß Sie uns nächsten Sommer besuchen werden. Grüßen sie Eleanor und Jenni und seien sie vielmals gegrüßt
von IhremMadämchen
Auch die herzlichsten Grüße und den Ausdruck der größten Freude Sie, geehrter Herr Dr., nebst Ihrer lieben Tochter bei uns zu sehen von
Ihrer Gertrud Kugelmann.Zeugenbeschreibung und Überlieferung
Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.
Zeugenbeschreibung
Soweit aus der Fotokopie zu ersehen ist, besteht der Brief aus einem Bogen weißem, leicht vergilbtem Papier. L. Kugelmann hat die vierte, erste und zweite Seite vollständig, die dritte Seite zu drei Vierteln beschrieben. Die Zeilen von F. und G. Kugelmann befinden sich im unteren Viertel der dritten Seite. Schreibmaterial: schwarze Tinte.
Anmerkungen zum Brief
L. Kugelmann beantwortet Marx’ Brief vom 3. März 1869 (Marx an L. Kugelmann 3.3.1869)
Zitiervorschlag
Louis, Gertrud und Franziska Kugelmann an Karl Marx in London. Hannover, Montag, 22. März 1869. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000975. Abgerufen am 20.04.2024.