| 33. Rue des trois Couronnes, du Temple
Paris Décembre 22/1867

Lieber Marx,

 Nicht nachgewiesen.
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Hegel bemerkt irgendwo, daß wenn der Mensch verrückt wird, er im Kopf anfängt.
Ich habe in letzter Zeit an mir selbst u. andern, die höchst interessante Beobachtung gemacht, daß, wenn er dumm wird, in demselben Theile des Körpers die ersten Symptome sich zeigen.

Würde ich Dir, mein guter Marx sagen, daß ich aus Nachlässigkeit Dir so lange nicht geschrieben, so könnte mich heute Dein gerechter Tadel treffen; aber Dummheit – gegen welche Götter selbst vergeblich kämpfen – Dummheit muß man mir verzeihen. Sie ist ja dazu das einzige Bollwerk der Gesellschaft; bei mir hat sie sich in folgender Weise kund gethan: Ich hatte kurze Zeit nachdem Du mir so freundschaftlichst Dein längst ersehntes  Karl Marx. Das Kapital. Bd. 1. Buch 1. Hamburg 1867.
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Werk
hattest zukommen machen, einen langen, tiefen, rührend philosophischen Brief an Dich geschrieben, als ich ihn aber noch einmal, wie sich das gebührt, durchlas, fand ich, daß ich unter andern Schnitzern, auch den gemacht hatte, das Wort Paris am Ende mit ß zu schreiben. Diese Schande durfte ich mir doch nicht zu Schulde kommen lassen. Ich fing zuerst damit an, einen Tintenklex daraus zu machen – mein ß schimmerte aber unbarmherzig durch, wie der erste große Fehlschritt einer Jungfrau, selbst durch geschlossene Augen – so konnte es nicht bleiben. Ich entschließe mich zu kratzen und zu wischen, bis erst ein Löchelchen u. dann ein Loch d’raus wurde. Die ersten 2 Seiten waren abzuschreiben. Ich legte ihn bei Seite und so lag er noch bis gestern Früh! Meine news waren stale geworden u. das Loch war immer nicht geheilt, wie die Wunde eines weichen Herzens (!) Heute steht er aber wieder glorreich von der Asche auf (denn der andre ist gestorben) und thut sich Kund in diesen zierlichen Zeilen – – Christmass hab’ ich doch die Courage nicht, | stockstill u. stumm vorübergehn zu lassen. Gott sei Dank hab’ ich auch jetzt die Idee aufgegeben, mit keinem orthographischen Fehler mehr dick thun zu wollen, u. Du wirst mir deßwegen nicht aus dem Wege gehen – Du kannst ja Lessner lesen. – Unsereiner schreibt so selten – zweimal im Jahr ist oft! Zudem ist ja Nachsicht die illegitime Tochter der Frau Vorsicht, u. wäre die Vorsicht kein so dummduseliges Weibsbild gewesen, das sich blos mit alten vertrockneten Gemüthern verkuppelt hätte, so hätte sie sehr wahrscheinlich noch andere Kinder zum Wohl der Menschheit erzeugt.

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Vor allen andern Dingen also meinen allerherzlichsten Dank für Dein Buch. Wenn ich nächstens meine sämmtliche Werke herausgeben werde, sollst Du auch ein Exemplar haben. Ich muß Dich aber bei dieser Gelegenheit dennoch à l’ordre rufen, au sujet daß Du mich Wilhelm nanntest. – Wilhelm! welch’ fataler Name! Wenn ich in meinem düstern Leben noch je beschissen worden bin, so ist es regelmäßig sicher von einem Wilhelm gewesen – der Teufel hatte sein Spiel, und der Mensch hat dabei so seine kleinen Schwächen. Man liebt od. haßt tode Gegenstände u. Namen, trotz dem man weiß daß blos Personen einem etwas zu Leide gethan haben. Ich habe mich ebenso kindisch immer gefreut, daß mein Vorname Karl ist, denn die meisten Karlisten sind immer ganz passable Leute gewesen, von  Karl I., der Große.
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Carolus magnus
angerechnet, bis auf uns Beide herab.  Karl Marx: Zur Kritik der Politischen Oekonomie. Erstes Heft. Berlin 1859. (MEGA2 II/2. S. 95–245.)
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In der 1859 erschienen Kritik
, die Du auch so liebenswürdig warst, mir zum Andenken zu geben, hattest Du das Kind beim rechten Namen genannt. Mache Dir aber, lieber alter, darum kein böses Blut, ich will mich auch Dir zuliebe einmal Wilhelm nennen lassen, wenn’s sein muß.

Ich habe schon fast alles gelesen u. freute mich göttlich als ich meine Uhrmacherdetails wiederfand. Ich hab’s doch weit gebracht in der Welt, wenn man’s so recht bedenkt! Meine Schriften werden somit auch dereinst nach Tausenden von Jahren, im british museum à la  Vermutlich deutscher Historiker Georg Weber.
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Weber
zu lesen sein. Wie werd’ ich mich freuen dann! –

Dein Buch ist über meine Erwartungen ausführlich, und enthält | prachtvolle Stellen. Es wird manche Erwartungen übertroffen haben. Es kömmt mir jedoch vor, wenn Du mir erlaubst, mir überhaupt etwas vorkommen zu lassen, wovon es mir u. vielen Andern vorkömmt, als verstünde ich selbst nicht recht was vor – daß Dein erster Band der Kritik, etwas beißend sarkastischer abgefaßt war, als Dein letztes Werk, welches unstreitig in Bezug auf gründliche u. dem Verständniß zweckentsprechende Darstellung, dem ersteren erhaben zur Seite steht; daß aber die mehr oder weniger sarkastische Schreibart, besonders karakterisirend in Deinen früheren Schriften, trotz dem daß sie mit dem Hauptzweck eines rein wissenschaftlichen Werkes absolut nichts zu thun haben kann – eine Geschmackssache ist, die dem einen od. dem andern Reiz anthut, kannst Du den Leuten nicht verwehren. Es ist überhaupt zuweilen schwer, Form u. Inhalt recht trennen zu können, u. für uns ungeübte Leser am schwersten; wir halten uns viel an die Form u. sagen uns: Der Mensch lebt ja nicht allein von Fleische, sondern auch von gebackenen Kartoffeln, wenn er welche haben kann, wie da geschrieben steht … . Auch that es mir leid, daß Du  Karl Marx: Zur Kritik der Politischen Oekonomie. Erstes Heft. Berlin 1859. S. III–VIII. (MEGA2 II/2. S. 99–103.)
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die Vorrede Deines ersten Bandes der Kritik
, nicht hast wörtlich in Deinem „Kapital“ abdrucken lassen. Es wäre dieß’ eine famose Referenz zu Ersterem gewesen u. enthält Andeutungen die ich für mehr als blos wissenswerth erklären möchte. Es geschieht dieß zudem häufig u. mit bei weitem weniger wichtigen Vorreden. Deine hat einen Zweck verborgen, den Du besser kennst wie ich –.

Es ist eine bekannte Sache, wenn Leute gute Köpfe haben, so lesen sie etwas einmal, u. wissen es denn. Wenn dieselben Leute aber zufällig schlechte Köpfe haben, wie ich & Co so passirt es ihnen, daß sie dasselbe mehrmals lesen müssen um es zu verstehen, u. verstehen dann erst recht noch nichts. So ereignet es sich, daß meine Lektüre sehr langsam u. undeutlich vorwärts geht. Zum Halbverstehen kann ich mich nur sehr schwer entschließen. Ich habe mich aber leider doch zuweilen, während meines Studiums dazu hergeben müssen.

Wenn ich noch das Glück hätte in Deiner lieben Nähe zu sein, wo Du so manchesmal einfältige Fragen von uns, gedultig beim glass of ale angehört u. beantwortet hast, so würde auch ich wieder manche naive | Frage zu stellen haben. Da Du aber nicht in meiner Nähe bist, lasse ich alles ungefragt, u. lasse lieber einen Andern fragen. Wenn daher ein Anderer z.B. früge wie folgt, u. ich sollte antworten, wie nicht folgt, so wär’ ich in der Klemme: – silence! – – – –

„It is a known fact, daß in der Methote alles liegt; therefore liegt auch was ich sage drin … . Was ist am Ende des Endes ein Tauschwerth? Nichts als ein Phantom! Er besteht blos im Kopfe der Menschen, wie der Punkt des Mathematikers, als Ort ohne alle Ausdehnung, allein in seinem Kopf’ besteht. Er hat kein physisches, kein wirkliches Dasein. Wenn der Schuster einen rechten Stiefel in einem Tage macht, u. den nächsten einen linken, so wird er sich natürlich sagen, daß sein zweiter Stiefel denselben Tauschwerth hat, wie sein erster Stiefel – vorausgesetzt daß am linken nicht ein schlechtes Ende Leder stickt. Aber laßt ihn blos seinen Stiefel mit seines Nachbarschusters Stiefel vergleichen wollen, so wird auch augenblicklich die unbeantwortliche Frag’ entstehen: Wessen Schusters Stiefelarbeitszeit, war die mittlere gesellschaftliche Arbeitszeit? Es wird nie zu bestimmen sein, u. während Beide noch den Rang sich streitig machen, hat schon das Rad der Zeit gerollt, u. keiner von den Beiden mehr hat Recht. Ein solches Ding ist demnach unerkennbar! Eine Sache aber, die weder mit eines jeden Menschen einzelnen 5 Sinnen, u. selbst mit der combination der 5 Sinne, dem Verstande, unerkennbar ist, besteht für die Menschheit nicht – ist ein Phantom, ihr Studium gehört der Metaphisik an. Ebenso der Marktpreis. Er ist ein revenant! Sein Körper gehört nie unserer Gegenwart, blos einzig der Vergangenheit nun an! Was ist der Werth meines Rockes auf dem Weltmarkt?“ – „So viel als alle Röcke des Marktes, weniger alle Röcke weniger dem Meinen. Wenn alle Röcke viele sind, so hat er wenig Werth, wenn alle Röcke wenig sind, so hat er vielen Werth. Dazu kömmt noch, daß er nie einen bestimmbaren Werth hat, sondern ihn blos gehabt haben kann, u. in dem Augenblicke, indem ich 40 Schillinge dafür in meiner Hand blos fühle, nehm’ ich ihn schon für  “bob“ = umgangssprachlich für shilling, der hier in Doppelung zugleich mit einem Apostroph wiedergegeben wurde.
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40’ bob
nicht mehr zurück. Also der Marktpreis auch, hat blos gelebt in längst vergangnen Zeiten, u. so umringt von schlotternden Gespenstern, clamirt Vergangenheit darum allein das Recht, den Werth des Arbeiters bemessbar zu bestimmten!

| Nehmt an darum, wie folgt: Das ganze Lebensarbeitsvermögen eines Arbeiters, der im Durchschnitt 32 Jahr alt wird, mit 12 Jahr angefangen hat, u. während 20 Jahren 10 Stund per Tag sich abgerieben hat, ob per Stund bezahlt, per Monat oder Jahr, bleibt sich doch gleich – betrüge sagen wir: 62 400 Stunden. Der Kapitalist hätte mit 1000 £ klein angefangen, hätt’ während 20 Jahren 100 Arbeiter ausgeschunden, u. damit 100 000 £ friedlich bei Seit’ gelegt. Was war der volle Werth, der ganzen Lebenszeit, eines einzelnen Arbeiters? Antwort: (100,000 £ + Totalausgabe für 20 Jahren der unentbehrlichsten Lebensmittel im weitesten Sinne der gesammten Arbeiter, + dem über den unentbehrlichsten Lebensmitteln von dem Kapitalisten verausgabten depenses personnelles, + den frais generaux de l’exploitation, im weitesten Sinne, + usure du materiel – 1000 £) getheilt durch 100. Wenn dieses eine kalkülable Summe wäre – u. dieses könnte sie sein wenn man wollte – so müßte sie, wenn der Arbeiter während seiner Lebenszeit seinen Werth für seine Arbeit bekommen hätte, genau mit dem von ihm bezogenen Lohne übereinstimmen. Thut sie das nicht, so hat der Kapitalist dessen Werth nicht bezahlt, d.h. hat ihn um x Pfunde beschummelt. Dieses {x} nennt der Kapitalist Profit, der Arbeiter nennt ihn Diebstahl. Die Frage steht in ihrer einfachsten Einfachheit: ist es das eine od. das andere. Da die Sache in dieser Form, blos eine reine Gefühlsfrage ist, so kann sie auch schließlich blos mit Stockprügeln entschieden werden. Ich frage darum ferner (mein Individuum spricht immer, wenn er nonsense spricht, geht’s mich nichts an) warum zieht Karl Marx vor, warum hält er so unendlich viel darauf, die kapitalistische Exploitation so darzustellen, daß eigentlich der Kapitalist dem Arbeiter seinen vollen Werth für seine Arbeit gibt, u. daß blos der Schwanz des Tages von x Länge den surplus Werth der nicht bezahlt u. in Folge dessen gestohlen ist [zu] constituiren. Welches Interesse hat unsere Parthei dabei, ob dargestellt auf eine Art, ob dargestellt auf andre? –

Mein Individuum, welches nebenbei gesagt, häufig dummes Zeug schwätzt, fährt fort, u. sagt: Marx behauptet daß die Geschichte der Völker beweißt, daß keine Gesellschaftsform eine ewige war und | daß es schon deßwegen nicht unmöglich ist, daß auch die Capitalistische, die heutige Gesellschaftsform in’s Gras beißen muß. Ich sage: In allen Gesellschaftsformen war, u. ist immer der Werth eines mittleren Arbeiter’s Arbeitsvermögens, während seiner ganzen Lebensdauer gleich gewesen: Ankaufskosten + Erhaltungskosten + Begräbnißkosten. Alle aber sind im weitesten Sinne zu nehmen, und letztere besonders schließen auch Krankheitskosten ein, da die Maniren zu sterben u. sich begraben zu machen sehr verschiedenartig sein können. Diese Gesammtsumme stellt sich zu verschiedenen Epochen der Geschichte in einer Masse Varietäten dar. Im Sklaventhum z. B. treten die beiden ersten am deutlichsten, wie jeder weiß hervor. Das letzte Glied die Erhaltungskosten waren so eng verschlungen, daß wenn er zu krank wurde um arbeiten zu können, er nichts mehr zu essen bekam u. so sich genöthigt sah, sich selbst zu begraben so schnell wie möglich. Im mittelalterlichen  serfdom.
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Serfthum
ist die Sache schon mehr versteckt: Der Ankaufspreis, obgleich auch für das ganze Leben gültig, stickt meistens mit in dem Werth des Grundeigenthums u. verschiedenartiger bezahlter, mit klingender Münze od. verlangten Schmarotzerdinsten, Concessionen. Um sich zu erhalten u. zu begraben, wieß man ihm gewisse freie Tage an, u. hatte somit vom Standpunkt des Grundbesitzers, den Fortschritt gemacht, weniger einen Tadel sich zukommen zu lassen, wenn sich einer schlecht erhielt u. begrub.

In moderner Bürgerlicher Gesellschaft ist der erstere, der Ankaufspreis am schwersten zu erkennen. Ein Beweis davon, daß die Arbeiter den Titel: ‚freie Arbeiter‘ – sich haben so lange gefallen lassen. Er stickt ganz in den Geldausgaben die der Bourgeois sich macht u. machen läßt, u. den Verpflichtungen die ihm Zeit u. Geld kosten, zur Aufrechthaltung der von ihm selbst u. zu seinen Zwecken fabrizirten u. noch in der Zukunft zu fabrizierenden Gesetzen. Indem der bourgeois Abgaben, milde Gaben, Studien macht um Mitglied des Parlaments zu werden u.s.w. – alles sehr kostspielig – erhält er dagegen das Recht über seine Arbeiter ganz so zu verfügen wie der Sklavenhalter, nur mit dem Unterschiede daß der Sklave Hans zuweilen von dem Sklaven Kunz verschoben wird, während in den älteren Formen diese Verschiebungen weniger möglich waren. Die Sache ist dieselbe. | Überreste u. Durchschimmerlöcher des Ankaufspreises bestehen jedoch sogar heute noch in Deutschland in dem sogenannten Draufgeld das man den Dinstmädgen und Hausknechten gibt, u. für welches dieselben für 3 Monate gebunden sind, und dem in Frankreich so üblichen, und auch wahrscheinlich anderwärts bestehenden ‚à compte‘ den der Fabrikant od. Herr seinen Arbeitern vorstecken läßt, damit sie essen können, bis zum Zahltag. Ebenso das Werbergeld der englischen Armee. Daß in letzteren Fällen das Geld vorläufig in die Hände der Verpflichteten kömmt, während in der älteren Form der Sklaverei dieses selten geschah, bleibt ohne Einfluß. In den beiden Fällen war der gekaufte verbunden, u. in keinem Falle hatte er die Mittel den Ankaufspreis fest zu halten. Er verflackerte. Wenn aber die Sklaverei eine ewige Form der Gesellschaft bisher war, so ist die Möglichkeit durch die Geschichte nicht ausgeschlossen, daß sie es bleiben wird. Daß momentane, convulsif revolutionaire Momente, bei den alten Griechen u. Römern (Sklavenausbrüche) im Mittelalter in den Bauernkriegen, in unseren modernern Revolutionen bis vor Kurzem, sich Luft machen konnten, ist bekannt; daß dieselben wiederholbar sind, ist ausser Zweifel; daß dieselben mikroskropische Besserungen zuweilen bringen, ist ebenfalls aus der Völkergeschichte ersehbar; aber schwer daraus zu folgern wäre: daß das heutige Regim einst fallen muß, trotz allen meinen Wünschen. – – – Mein liebes Individuum ist jetzt müde u. geht zu Bette, und Du bist froh. Doch halt! Eines hat er noch fragen wollen: Nehmen wir z.B. eine Masse Dinge an; annehmen kostet nichts, wenn es keine Schulden sind, u. zudem sind meine Annahmen nicht unmöglich: Alle Industrie sei in 10 Hände in ganz Europa vereint. Diese 10 Kapitalisten kommen durch gegenseitige Konkurenz so weit, daß sie sensibel die Waare für ihren Produktsionspreis an das Publikum, das die Arbeiter natürlich wären, lieferten, d.h. daß ihr Profit so klein wäre, daß er als ein Minimum als Null zu betrachten wäre, wie dieß’ annährend schon heutzu Tage in einigen Industriezweigen der Fall ist, wie z.B. in der Eisenfabrikation in Frankreich (maitre de forge) Möbelfabrikation, Pianoforte-Fabrikation, u. theilweise in der gemeinen schweizer u. englischen Uhrenfabrikation.

| In diesem Falle könnte Niemand behaupten, daß der Kapitalist nicht den Werth der Arbeit gebe; die Arbeit wäre blos nichts werth, und ihre Rolle, wie immer beneidenswerth sie heute sein kann, wäre ohne Bedeutung. Nichtsdestoweniger schlösse dieser Zustand der Gesellschaft, wie jeder leicht einsieht, keineswegs die Möglichkeit einer Krise aus, eine Hungersnoth u. alle die bekannten jetzigen Geißeln der Völker. Alle Mittel der Produktion wären da, dazu noch conzentrirt, die Münze wäre da, die Waaren zirkuliren zu machen, die Erzeuger wären da, die Liebhaber der Erzeugnisse u. dennoch die Möglichkeit der Noth. Es scheint mir als ob der Kapitalist, als Privatspekulator – und das wird er immer sein, welche Form er auch schließlich annehmen mag – die einzige Geschwührbäule der Gesellschaft nicht ist. –

Jetzt geht er aber in’s Bett for good. –“

Ich bin, denn man muß sich nicht selbst vergessen, gesund u. munter.

Die Geschäfte liegen gänzlich darnieder u. wir haben keinen Streich zu thun. Den Sommer über hatten wir etwas Arbeit, u. ein Bischen Geld verdient – jetzt fressen wir es gemüthlich wieder auf. So ist doch wenigstens nichts verloren. Man glaubt Hier allgemein an den Krieg im Frühjahr mit Deutschland, u. ich glaubs auch. Die Noth u. Armuth ist so groß Hier, daß wenn Du nicht in London lebtest, ich Dir abstreiten würde, daß Du Dir eine Idee davon machen kannst. Um ½ 6 Uhr des Abends hat man vor 14 Tagen einen auf einer sehr frequentirten Brücke des Canals, beraubt u. in’s Wasser geschmissen. Die Arbeiter kommen Schaarenweise u. jammern um Arbeit. Wenn der Krieg den  Napoléon III.
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Louis
nicht rettet, muß er fallen – er ist den Umständen nicht mehr gewachsen.

Was machst Du und Deine liebe Familie? Ich betrachte immer noch, wenn ich des Abends so zufällig ‘mal späth nach Hause komme, und Todtenstille in meinem einsamen Quartiere um mich herrscht, so ganz heimlich u. verstohlen Eure lieben Portraits, u. denke an vergangener Zeiten verflossene Wonnen. So vergeht das Leben.

Wie der Wind weht,
so biegt u. knickt das Reiß,
Wie die Sense mäht –
So stürzt u. stirbt das Reiß.

Lebt alle alle recht wohl und gedenket zuweilen Eueres, nie seine Freunde vergessenden

Ch. Kaub.

Viele herzliche Grüße an Lessner u. Eccarius.
a marry Christmass!

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.

Absender

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus zwei Bogen mittelstarkem, weißem Papier im Format 245 × 184 bis 187 mm. Wasserzeichen: „Lacroix Frères“. Alle acht Seiten hat Kaub vollständig beschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Archivsignatur des Moskauer Marx-Engels-Instituts (IMĖ): „RJ 189<a–h>“.

Die Schreibweise wurde nicht berichtigt.

 

Zitiervorschlag

Karl Kaub an Karl Marx in London. Paris, Sonntag, 22. Dezember 1867. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000493. Abgerufen am 24.04.2024.