| 11 Braustraße,
Leipzig.
25.
Apr.
Lieber Mohr!
Leider kann ich Dir keine guten Nachrichten geben. Nachdem ich
lange against hope gehofft habe, muß ich mir jetzt doch
sagen, daß die Rettung meiner Ernestine
Liebknecht.
Schließen Frau nur noch einem
Wunder zu verdanken sein könnte. Beide Lungen sind
angegriffen, die eine fast zerstört, die Anschwellung der
Füße hat bereits begonnen, und die allgemeine Entkräftung
nimmt reißend zu. – Ernestine
Liebknecht stirbt am 29. Mai 1867.
Siehe Liebknecht
an Marx,
29.5.1867.
Schließen Kurz ich muß
die Katastrophe in Bälde
erwarten.
Das arme Weib! Die Londoner Misère untergrub ihre
Gesundheit; Siehe Erl.
zu Marx an W. Liebknecht, 15.1.1866.
Schließen meine Ausweisung aus
Berlin gab ihr den ersten
Stoß bis ins Lebensmark, Liebknecht wurde am 2. Oktober 1866 in Berlin
verhaftet. Siehe Erl.
zu W. Liebknecht an Engels,
1.10.1866.
Schließen meine
Verhaftung im vorigen Herbst
that den Rest. Sie glaubte nemlich, ich hätte mich in irgend
eine Verschwörung eingeglassen, und lebenslängliches
Zuchthaus zu erwarten. So geht sie an den Schlägen zu Grund,
die mich treffen sollten! Es ist furchtbar für mich, sie so
langsam hinsterben zu sehen; manchmal ist mir, als müßte ich
den Verstand verlieren oder hätte ihn schon verloren. Und
dazu die materiellen Folgen der Krankheit – geschmälerter
Verdienst bei vermehrten Ausgaben. – Bezüglich siehe Erl. oben.
Schließen meines letz
| ten Berliner
Abenteuers sei noch bemerkt,
daß ich nicht blind in die Falle ging, sondern mich sehr
vorsichtig benahm (ich führte einen andren Namen etc.) und
erst dann aus dem Dunkel heraus trat, als mir verschiedne
Advokaten und Deputirten (darunter Vermutlich Alfred
Groote und Johann
Jacoby.
Schließen Groote & Jacobÿ) meine Ansicht
bestätigt hatten, ich habe Zum
Norddeutschen Bund siehe Erl.
zu Marx an Engels,
19.1.1867.
Schließen als Bürger eines norddeutschen
Bundesstaats
(ich war als Ausländer ausgewiesen)
nichts zu fürchten, zumal nach der Amnestie. Nun, wir hatten
die Preußische Gemeinheit unterschätzt. Ein Theil meiner
Richter war übrigens auf die von mir entwickelten Gründe hin
für Freisprechung, und ich wäre schließlich auch ohne
Zweifel in den höheren Instanzen losgekommen, wenn ich so
verrückt gewesen wäre, zu appelliren, d. h. 7–8 Monat Untersuchungshaft einer
dreimonatlichen Strafhaft
vorzuziehen.
Marx’ Brief an Ernestine
Liebknecht, geschrieben nach dem
13. Oktober 1866 (Marx an E. Liebknecht, nach 13.10.1866),
ist nicht überliefert. Zum Brief von Jenny Marx,
vom frühestens 13. Oktober 1866, siehe J. Marx an E.
Liebknecht, frühestens 13.10.1866 (IISG,
Marx-Engels-Nachlass, Sign. F. 27), gedruckt in:
Liebknecht
Bw (1963), S.
78-82.
Schließen Eure Briefe (der Deinige mit, meine
Frau hielt immer viel auf Dich) waren
meiner Frau ein wahres Labsal;
schreib' das Deiner Frau und den Jenny
(Tochter), Laura und
Eleanor
Marx.
Schließen Mädchen, ich werde
schwerlich so bald zum Schreiben kommen.
Gott sei Dank, daß Karl Marx:
Das Kapital. Buch 1. – Siehe Erl. zu Marx an J. Ph. Becker, zw. 9. u.
15.1.1866.
– Vermutlich berichtete Marx in einem nicht
überlieferten Brief an Liebknecht, geschrieben vor
dem 25. April 1867 (Marx
an W. Liebknecht, zw. 16. u.
25.4.1867), über den
Druck des ersten Bandes des „Kapital“
und erkundigte sich nach der Möglichkeit, Annoncen
bzw. Rezensionen in der deutschen Presse zu
veröffentlichen.
Schließen die Ökonomie
endlich fertig ist.
Zu den Anzeigen zum
Erscheinen des „Kapital“ siehe MEGA2 II/5. S. 673/674.
Schließen Folgende Zeitungen stehen mir zu
Gebote: 1) Deutsches
Wochenblatt, Mannheim. 2) Oberrheinischer
Courier Freiburg i.B. 3) Zukunft, Berlin,
4) Sächsische
Zeitung, Leipzig, 5) Rheinische
Volkszeitung, Mainz. In diese 5 Blätter
besorge ich die Anzeige (an die Zukunft ist sie
schon geschickt). Auch die „Rheinische Zeitung“ Düsseldorf, und das
„Schlesische
Morgenblatt“ Breslau sind uns offen.
Exemplare sind zu schicken an: 1) Dr. Guido
Weiß, für
Zukunft. 2) Dr. Val. Maÿer für Oberrheinischen
Courier, 3) Deutsches
Wochenblatt, 4) Dr. Obermüller, für Sächsische Zeitung,
5) Stumpf für Rheinische
Volkszeitung, 6) Dr. Petermann (Chef des statistischen
Büreaus in Dresden, ein Gesinnungsgenosse, mit mir und einem
dritten Vorstand sämmtlicher
Sächsischen Volksvereine) Große Schießgasse, 4, III Tr.
Dresden, 7) H. Groote,
Abgeordneter, Schadowstraße Düsseldorf, 8) Friedrich Albert
Lange.
Schließen Lange (der Dir bekannte
aus Duisburg, ich weiß jetzt aber die Adresse
| nicht)
9) Dr.
Jacoby,
per Adr. Guido Weiß. 10) Hermann
Heinrich Becker.
Schließen Dr. Becker,
per adr. Rheinische Zeitung.
11) Prof. HeinrichWuttke, Reudnitz bei
Leipzig. Ferner: Georg Dumas, für Schlesisches
Morgenblatt, in Breslau. Auch den Stuttgarter Beobachter darf man nicht
übersehen. In einige
Schweizer
Blätter werde ich Eingang finden. Die
Besprechungen von Engels erschienen im Herbst
1867, nach dem Erscheinen des Bandes. Siehe dazu
W.
Liebknecht
an Engels, 26.11.1867.
und
11.12.1867; [Jürgen Herres:]
Engels’ Rezensionen des ersten Bandes des
Marxschen „Kapitals“ in: MEGA2 I/21.
S. 1200–1218, sowie ebenda. S. 1234–1237,
1239–1241, 1243. Siehe auch den Brief von Otto Wigand an
Otto Meißner vom 9. Mai 1867 (IISG, Kleine
Korrespondenz. 373).
Schließen Am liebsten wäre es mir, und
gewiß am zweckmäßigsten, wenn Du oder Engels ein
paar einführende Aufsätze über das Werk schriebet,
die in den oben genannten Blättern untergebracht
würden, und mir zur Grundlage weitrer Arbeiten
dienten.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Mitteldeutsche
Volks-Zeitung. Siehe Erl. zu W. Liebknecht an Marx, zw. 8. u.
15.5.1866 und Erl. zu
W. Liebknecht an Marx, 10.8.1866.
Schließen meine
Zeitung
demnächst wieder hergestellt, freilich werde ich dann wohl
nach Dresden übersiedeln müssen. Ich
hoffe, Du thust dann Dein Möglichstes für das
Blatt.
Es thut mir leid, daß Du nicht herkommst. Sieh doch zu, vielleicht geht es noch. Es würde sich verlohnen. Ich stehe hier nicht vereinzelt, habe gute Verbindungen angeknüpft, und manches organisirt.
Lebe wohl. Ich habe meiner Frau schon
zu viel Zeit entzogen. Alice und Gertrud
Liebknecht.
Schließen Die
Kinder sind wohl.
treuen Miller.
(Merke Dir neue
Adresse
11 Braustraße)
Grüße an Deine Frau und die lieben Jenny
(Tochter), Laura und
Eleanor
Marx
Schließen Mädchen. Auch meine Frau
sends her love to all of you.
Der
Brief von Sigfrid Meyer an Liebknecht,
geschrieben vor dem 25. April 1867, konnte nicht
ermittelt werden.
Schließen Sigfrid
Meÿer, jetzt in Amerika, beschwert
sich über Dein hartnäckiges Schweigen,
Siehe Meyer
an Marx, 22.9.1866 und
3.12.1866.
Schließen er habe Dir schon mehrmals
geschrieben,
ohne Antwort zu bekommen. Siehe Marx
an Meyer,
30.4.1867.
Schließen Schreibe ihm ja.
Er ist einer der Treuen, und fähig. Adresse Mr. S. Meyer,
Care of F. A.
Sorge Esq. Box 101, Hoboken N.J. U.S.
Er
wird auch für die Ökonomie wirken. Vernachlässige ihn nicht.
/ Schreibe bald; Du siehst ich war flink im Schreiben und – vergessen. /
Zeugenbeschreibung und Überlieferung
Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.
Zeugenbeschreibung
Der Brief besteht aus einem Bogen mittelstarkem, weißem Papier im Format 340 × 138 mm. Die ersten drei Seiten hat Liebknecht vollständig beschrieben, die vierte ist leer. Eine Passage auf der letzten Seite („Grüße an Deine Frau ... love to all of you.“) ist von Liebknecht umkreist. Die letzte Passage („Schreibe bald; Du siehst ich war flink im Schreiben und – vergessen.“) steht auf der ersten Seite oben links niedergeschrieben. Schreibmaterial: schwarze Tinte.
Von unbekannter Hand (vermutlich von David Borisovič Rjazanov): auf der ersten Seite oben rechts mit Blaustift die Jahresangabe „1867?“, korrigiert aus „1866“.
Anmerkungen zum Brief
Zur Datierung: Die Jahresangabe stützt sich auf folgende Tatsachen: Liebknecht erwähnt die schwere Krankheit seiner Frau Ernestine („Leider kann ich Dir keine guten Nachrichten geben. ...), die am 29. Mai 1867 gestorben war (siehe W. Liebknecht an Marx, 29.5.1867); er bittet Marx an Sigfrid Meyer nach Amerika zu schreiben („Schreibe ihm ja.“). Marx erfüllt diese Bitte am 30. April 1867 (Marx an S. Meyer, 30.4.1867).
Liebknecht beantwortet einen nicht überlieferten Brief von Marx, geschrieben zwischen 16. und 25. April 1867 (Marx an W. Liebknecht, zw. 16. u. 25.4.1867; siehe „Gott sei Dank ...“, „Es thut mir leid ...“ und Erl.).
Zitiervorschlag
Wilhelm Liebknecht an Karl Marx in Hannover. Leipzig, Donnerstag, 25. April 1867. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000254. Abgerufen am 20.04.2024.