| Geliebtester Vetter!
Du schüttelst Dein melirtes (?) Haupt und denkst: es giebt doch nichts
verrückteres als dieses scherzhaft für „Frauenzimmer“ – Vgl. Sanders, Daniel: Wörterbuch der
Deutschen Sprache. Bd. 2, 2. Hälfte. Leipzig 1865. S.
1741).
Schließen Frauenziefer, da schreibt sie mir schon wieder einen Brief – aber
wie wirst Du Dich wundern, wenn Du erst den Zweck dieses Briefes erkennst! –
Also heraus damit.
Ein Ladenschwung, ein jugendlicher Ladenschwung mit einer winzig dünnen, feinen
Diskant Stimme, will von mir ein Empfelungsschreiben an Dich,
oder die Firma, Ermen und Engels. Doch
jetzt ernshaft. Dieser junge Mann war 2 Jahre im Geschäft von Christian Fischer
Buchhalter und hat sich seit Neujahr selbst etablirt. Jetzt will er bei Euch
eine Bestellung machen und wünscht dazu meine bedeutende
Empfelung. Meine Bekantschaft mit ihm datirt
aus dem deutschen Wehrverein. Du weißt, daß mein Friedrich von
Beust.
Schließen Mann einen deutschen Wehrverein gegründet und mit
den jungen Leuten jeden Sonntag Exerzier und Schieß Uebungen machte. Zu diesem
Verein gehörte
| besagter Herr Ladenschwung, Names
Franz Kissel und war ein thätiges und
eifriges Mitglied desselben. Auch war sein Prinzipal früher sehr mit ihm
zufrieden und das ist alles, was ich weiß, jetzt habe ich Quelle
nicht
ermittelt.
Schließen erfüllet meine Pflicht Rosen und Vergiß mein nicht!
–
Ich muß Dir aber doch noch erklären, wie ich dazu gekommen bin, Dir diesen
Jüngling an's Herz zu legen. Er kam einmal zu meinem Friedrich von
Beust.
Schließen Mann in Sachen „Wehrverein“ als ich sehr eifrig
nähend in meiner Stube saß und ein Kästchen mit Deinem Nähgarn vor mir stand. Er
fragte, woher ich das Garn bezöge und auf meine Antwort, von meinem Vetter, hat
der Kerl sich das hinter die Ohren geschrieben und da es ein ganz guter Kerl
ist, konnte ich ihm seine Bitte nicht abschlagen. –
Nun darf ich Dir eigendlich kein Wort weiter schreiben, Der Brief von Anna von
Beust an Engels, geschrieben vor dem 20. Januar 1867 (A. v. Beust an Engels, vor
20.1.1867), ist nicht überliefert.
Schließen weil Du mir noch nicht geantwortet hast, aber was soll man
mit so einem prosaischen Baumwollen König machen? So'n Kerl wird ein von
„pomadig“,
umgangssprachlich/studentisch für „träge, langsam, bequem,
gemächlich“.
Schließen Pomadikus, der jeden Tag regelmäßig in's Geschäft und in
den
| Bierklupp wandelt und weil er nicht täglich
geschäftsmäßig, einen Brief an seine liebenswürdigste Verwandte
schreibt, schreibt er lieber gar nicht. Dafür sammelt er aber Geld in seinen
Beutel und wird fett, wie ein Hamsterchen – dazu bringe ich es nie. Weder Geld
noch Fett, will bei mir sich festsetzen, dagegen besitze ich viel von dem
Kapital, was die Menschen, d. h. die Phillister „Thorheit“ nennen und nur die
gestrengen Blicke meines Gatten und
Vaters
halten mich von größeren Thorheiten zurück, kleine, werden täglich viele
begangen.
Was ist der Mensch! sagt Gestalt des Kammerdieners
Hirsch, Hyacinth genannt, aus Heinrich Heines „Die Bäder von
Lukka“ (Reisebilder. Teil 3).
Schließen Hirsch Hiazinth und ich sage
auch, was ist der Mensch, wenn er einen leeren Magen hat? Diese intressante
Betrachtung drängt sich mir auf, wenn ich Anna von Beust hatte zwei Kinder, die Söhne Adolf und Friedrich Anton von Beust.
Schließen meine
8 Jungens betrachte, die alle um mich herum stehen und mit hungrigen
Blicken auf den Schluß meines Briefes warten, weil dann gegessen wird. Da sich
nun in dieser großen Gesellschaft auch schlecht schreibt, so will ich mich
wirklich von Dir trennen und die verschiedenen leeren Magen befriedigen.
| Von Barmen habe ich lange nichts gehört, nur schrieb vermutlich Gisbert von Griesheim, ein
Vetter von Anna von Beust. Siehe Elisabeth Engels an Engels, 7. August
1865 (MEGA2 III/13. Br. 286.13–17).
Schließen Giesbert einmal und
klagt in geschäftlicher Beziehung sehr. Es ist auch wahrlich kein Spaß, die
große Familie, eine theure Ida von Griesheim.
Schließen Gattin und
kein Verdienst.
Jetzt leb wohl Theuerster, mit herzlichen Grüßen von Friedrich von
Beust.
Schließen Mann und Adolf und
Friedrich Anton von
Beust.
Schließen Kindern
Zürich den 20ten Januar
1867.
Zeugenbeschreibung und Überlieferung
Dieser Brief wird hier erstmals veröffentlicht.
Zeugenbeschreibung
Der Brief besteht aus einem Bogen mittelstarkem, weißem Papier im Format 255 × 202 mm. Die ersten drei Seiten hat von Beust vollständig beschrieben, die vierte zu einem Drittel. Schreibmaterial: schwarze Tinte.
Von unbekannter Hand: der Bleistiftvermerk auf der ersten Seite oben links: „Frau Anna Beust – Zürich“.
Archivsignatur des SPD-Archivs auf der ersten Seite: „II 10 N 66“.
Die Schreibweise wurde nicht berichtigt.
Zitiervorschlag
Anna von Beust an Friedrich Engels in Manchester. Zürich, Sonntag, 20. Januar 1867. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000216. Abgerufen am 20.04.2024.