| Mein lieber Herr Becker,

Seit einer Woche liegt mein Mann wieder an der frühern gefährlichen u. höchst schmerzhaften Krankheit darnieder. Das Leiden greift ihn dieses Mal um so mehr an als es ihn von Neuem in dem eben begonnenen Abschreiben  Gemeint ist hier Karl Marx: Das Kapital; siehe Erl. zu Marx an J. Ph. Becker, zw. 9. u. 15.1.1866.
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seines Buches
unterbricht. Ich glaube, daß dieser neue Ausbruch einzig u. allein von Überarbeitung, u. anhaltenden Nachtwachen herkommt.  Siehe F. Leßner an Marx, 29.1.1866 und Erl.
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Er Karl bedauert sehr den Sitzungen der „Internationalen“ nicht beiwohnen zu können, da es sich in diesem Moment um die Existenz des workman’s advocate handelt,
der bisher mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, u. dem nun fonds von Philistern u. Pfaffen angeboten sind. Es gilt nun die Gelder in die Hände zu bekommen ohne den „money lenders“ Concessionen in prinzipieller Hinsicht zu machen. Die den Engländern praktisch so nahe liegende  Hinweis auf die zweite, 1867 in Kraft getretene Wahlrechtsreform (Second Reform Act 1867).
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Reformfrage
nimmt auch sehr die Mittel, die Zeit u. das Interesse der Arbeiter in Anspruch u. lenkt sie sehr von andern Dingen ab. Ihr „Vorbote“ hat Karl u. mir außerordentlich wohlgefallen. Das ist männliche Sprache u. männlicher Ernst!  Siehe Friedrich Leßner an J. Ph. Becker, 28. Januar 1866 (Kopie: RGASPI, Sign. f. 178, op. 1, d. 31/1) sowie F. Leßner an Marx, 29.1.1866 und Erl.
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Leßners Brief über denselben lege ich diesen Zeilen bei.
Der Agent dem ich  [Karl Marx, Friedrich Engels:] Manifest der Kommunistischen Partei. London (1848). Siehe Marx an J. Ph. Becker, zw. 9. u. 15.1.1866.
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die Manifeste
zur Besorgnung brachte, schreibt mir | daß es ihm gelungen ist die sie der fr. Polizei zu entziehen u. daß er sie jetzt nach Genf spediren kann.  Siehe J. Ph. Becker, an J. Marx, 1.3.1866.
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Sie können aber nicht frankirt werden u. daher bitte ich Sie schreiben zu wollen wieviel Sie dafür ausgelegt haben. Das Geld kann dann zusammen mit dem für die Abonnements des „Vorboten“ Ihnen übersandt werden.

In religiöser Hinsicht geht jetzt in dem verdumpften England auch eine große Bewegung vor sich. Die ersten Männer der Wissenschaft Huxley (Darwins Schüler) an der Spitze mit Tyndal Sir Charles Lyall Bowring, Carpenter etc etc geben in St. Martin’s Hall  Möglicherweise eine Erinnerung an die Festveranstaltung in der St. Martin’s Hall am 28. September 1865, anläßlich des Jahrestages der Gründung der IAA.
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(gloriosen Walzer-Angedenkens)
höchst aufgeklärte, wahrhaft freisinnige u. kühne Vorlesungen für das Volk u. zwar an den Sonntagabenden grade zu der Stunde, wo sonst die Schäflein zur Weide des Herrn gingen; die Halle war so massenhaft voll u. der Jubel des Volkes war so groß, daß  Jenny Marx wohnte der Sonntagsvorlesung am 7. Januar 1866 mit den Töchtern Jenny und Laura bei. An diesem Abend sprach Thomas Huxley über „The desirableness of improving natural knowledge“. Siehe The first Sunday night’s meeting … In: The Workman’s Advocate. London. Nr. 149, 13. Januar 1866. S. 4.
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am ersten Sonntag Abend, wo ich mit den Mädchen zugegen war, 2000 Menschen keinen Einlaß mehr in die den zum Ersticken angefüllten Raum finden konnten.
 Weitere Vorlesungen fanden am 14. und 21. Januar statt. Geplant war eine ganze Serie von Veranstaltungen.
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Drei Mal ließen die Pfaffen das Entsetzliche geschehen
 Der geplante Vortrag von Hodgson (zum Thema „Many members, but one body“) wurde an diesem Abend, 28. Januar 1866, gehalten. Doch man hatte den Versammelten mitgeteilt, dass die Day observance Society des House of Lords die Fortsetzung der Sonntagsvorlesungen zu verhindern suche. Sie gehe juristisch gegen die Veranstalter vor, indem sie sich auf ein Gesetz von 1781 berufe, das öffentliche Veranstaltungen an Sonntagabenden mit Ausnahme von kirchlichen Zusammenkünften verbiete. Ein Prozess sollte zu Ostern stattfinden. Siehe Stoppadge of the Sunday secular lectures. In: The Workman’s Advocate. London. Nr. 152, 3. Februar 1866. S. 2.
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– Gestern Abend wurde der Versammlung angekündigt, daß keine Vorlesungen mehr gehalten werden dürften, bis der Prozeß der Pfaffen gegen die „Sunday evenings for the People People“ | entschieden sei.
Die Entrüstung der Versammlung sprach sich entschieden s // aus u. mehr als 100 £ wurden sogleich zur Führung des Prozesses gesammelt.  Siehe F. Leßner an Marx, 29.1.1866.
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Wie dumm von den Pfäfflein sich da einzumischen.
Zum Ärger der Bande schlossen die Abende auch noch mit Musik. Chöre von Händel, Mozart, Beethoven Mendelsohn u. Gounod wurden gesungen u. mit Enthusiasmus von den Engländern aufgenommen, denen bisher an Sonntagen nur erlaubt war, eine Hymne   Gemeint ist das engl. Kirchenlied „Gentle Jesus, meek and mild“, das oft in der Sonntagsschule gesungen wird.
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„Jesus, Jesus meek and mild“
zu grölen oder in den Ginpalast zu  Die Passage („In religiöser Hinsicht“ bis „zu wandern.“) veröffentlichte J. Ph. Becker, leicht verändert, in seiner Zeitschrift „Der Vorbote“ (Genf). [Jenny Marx:] In religiöser Hinsicht … In: Der Vorbote. Genf. Jg. 1. Nr. 2, Februar 1866. S. 31/32. (MEGA2 I/20. S. 602).
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wandern.

Karl, der heute in großen Schmerzen liegt, u. meine Mädchen lassen Sie herzlich grüßen, besonders trägt mir  Eleanor Marx.
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die Kleine
viel Freundliches für den „guten Becker“ auf. Ich aber reiche aus der ferne Ihnen die Hand.

Ihre
Jenny Marx.

Zeugenbeschreibung und Überlieferung

Absender

Briefkontext

Zeugenbeschreibung

Der Brief besteht aus zwei Blättern dünnem, blauem Papier im Format 135 × 206 mm. Auf der ersten Seite oben links ovaler roter Aufdruck des Central Council der IAA (siehe Marx an J. Ph. Becker, zw. 9. u. 15.1.1866).

Jenny Marx hat die ersten drei Seiten vollständig beschrieben, die vierte ist leer. Schreibmaterial: schwarze Tinte.

Von J. Ph. Beckers Hand: Vermerk mit schwarzer Tinte auf der dritten Seite unten: „Beantwortet den 1 Marz 66“.

Von unbekannter Hand: Nummerierung des Briefes: „1“ (Bleistift) auf der ersten Seite oben rechts.

Anmerkungen zum Brief

J. Ph. Becker beantwortete den Brief am 1. März 1866 (J. Ph. Becker an J. Marx, 1.3.1866).

Die Datierung stützt sich auf den Zusammenhang des Briefes mit dem Schreiben Friedrich Leßners an Marx vom 29. Januar 1866: Er legt seinem Brief „zeilen für Becker“ bei (siehe dort), die Jenny Marx weiterleitet („Leßners Brief“). Beide beschreiben die Sonntagsversammlung in St. Martin’s Hall, die „Gestern Abend“, d.h., nach dem datierten Brief Leßners, am 28. Januar 1866 stattfinden sollte (F. Leßner an Marx, 29.1.1866: „Gestern Abent wurde ...“).

Zur Beilage („lege ich diesen Zeilen bei“) siehe Erl.

Datierung in der Erstveröffentlichung: 29. Januar 1866 bzw. etwa 29. Januar 1866.

 

Zitiervorschlag

Jenny Marx an Johann Philipp Becker in Genf. London, Montag, 29. Januar 1866. In: Marx-Engels-Gesamtausgabe digital. Hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: http://megadigital.bbaw.de/briefe/detail.xql?id=M0000025. Abgerufen am 19.03.2024.